Letzte Woche durfte ich beim 'Aufstand der Ideen' in Berlin dabei sein - dem Abschluss der diesjährigen Tour der 'Initiative Offene Gesellschaft'. Beeindruckend, was hier passiert ist: In zehn Städten und auf vier Festivals tourten die Macher/-innen der Initiative, kamen mit mehr als 30.000 Menschen ins Gespräch und haben auf ihrer deutschlandweiten Tour 1.300 Ideen für die offene Gesellschaft gesammelt.
[caption id="attachment_14003" align="aligncenter" width="550"] Aufstand der Ideen | Video zur Jahrestour der Initiative offene Gesellschaft[/caption]
Und wir waren dabei. Als Berufsverband Information Bibliothek (BIB) haben wir gemeinsam mit dem bibliothekarischen Dachverband BID und mit verschiedenen Bibliotheken über den Tag der offenen Gesellschaft berichtet und durften mit einem coolen Partner seit März 2019 zusammenarbeiten. Angefangen hat die Zusammenarbeit auf dem Bibliothekskongress in Leipzig und über die Erfahrungen, die wir bei der Projektbewerbung rund um die Initiative 'Miteinander reden' der Bundeszentrale für politischen Bildung gemacht haben. Danach ging es Schlag auf Schlag. Gemeinsam mit Mandy Fischer von der Chemnitzer Freien Presse und im Anschluss daran mit Studierenden der TH Köln wurden einerseits ein Bausteinkasten zu Diskussionsformaten, aber auch Aktionskarten für Veranstaltungen entwickelt, die (nicht nur) Bibliotheken anleiten soll(t)en, im öffentlichen Raum - draußen, auf der Straße oder in den Bibliotheken selbst - Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen.
Am Tag der offenen Gesellschaft selbst - dem 15. Juni 2019 - haben dann unter dem Motto "Tische raus!" mit Bürger/-innen über die Frage diskutiert, in welcher Gesellschaft wir denn leben wollen.
[caption id="attachment_13353" align="alignnone" width="256"] An über 700 Orten fanden Aktionen zum Tag der offenen Gesellschaft 2019 statt.[/caption]
Darunter haben einige Bibliotheken aktiv Formate ausprobiert - berichtet wurde unter anderem über Grasbrunn, Hilden und Gütersloh, aber auch in Leverkusen, Bonn, Dortmund und anderen Städten konnten - teils in Kooperation mit der TH Köln - Veranstaltungen realisiert werden. Die Frage "Wofür gehst DU auf die Straße?" habe ich versucht, für die (Öffentlichen) Bibliotheken in einem Dreh zu beantworten, der in der Stadtbibliothek Göttingen produziert worden ist. Gar nicht so einfach - vier Stunden Dreh für keine 30 Sekunden Film. Ich glaube aber - und das ist die Intention, mit der sich der Berufsverband Information Bibliothek gemeinsam mit BIDeutschland im Rahmen des #tdog19 engagiert haben -, dass Bibliotheken gerade auch in der oftmals inhaltlich noch nicht so 'gefüllten' Diskussion um Dritte Orte ihre politische Funktion wiederfinden können und müssen. Volksbildung und 'Ertüchtigung' wie sie in den frühen Volksbibliotheken und Arbeiterlesehallen sehr pädagogisch konnotiert eine Rolle spielten, klingen gefälliger und aktuell notwendiger, wenn wir von digitaler Teilhabe und Bürgerpartizipation reden, und wenn wir die Bibliotheken wieder öffnen und zu Debatten-Punkten von Kommune und Stadtgesellschaft ausbauen. Politisch aktiv, parteipolitisch neutral - eine Gratwanderung, sicher. Aber möglich.
[caption id="attachment_13357" align="alignnone" width="300"] #tdog19 auf youtube: Visionen für die Stadtgesellschaft[/caption]
Doch zurück zu #dafür und *Tische raus!*. Mein Statement und mein Appel an uns, die Bibliotheken, ist es, den Ort Bibliothek (noch) stärker als (wie es Aat Vos so schön sagt) ''sozialen Zement der Kommune" zu verstehen und gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden und Stakeholdern auch in den Bibliotheken (neue) Visionen für die Stadtgesellschaft zu diskutieren.
Mein Interview war das letzte in einer Serie, u.a. mit
- Luisa Neubauer von Fridays for Future Deutschland - der überparteilichen Bewegung gleichgesinnter Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die Politiker/-innen auf allen Ebenen auffordert, Verantwortung für die Priorisierung des Klimaschutzes zu übernehmen und die sich gezwungen sieht, „weiter zu streiken, bis gehandelt wird!“
- Gertrud Graf und Monika Mehr von Omas gegen Rechts, einer zivilgesellschaftlichen überparteilichen Initiative, die sich in den politischen Diskurs einmischt: "Mit augenfälliger Symbolik erheben ältere Frauen, sogenannte Omas, ihre Stimme zu den gefährlichen Problemen und Fragestellungen der heutigen Zeit.", so Monika Walzer, einer der österreichischen Gründerinnen.
- "Lasst uns alle ins Gespräch kommen, anstatt gegenseitig im Internet anzuschreien." - das ist das Motto von Roul Krauthausen, Inklusionsaktivist, Autor und Moderator.
Die Initiative offene Gesellschaft ist betroffen von Mittelkürzungen des Bundesministeriums, und so wird es 2020 keinen Tag der offenen Gesellschaft geben. Mit dem Team um Phillip Husemann arbeiten wir aber in einem anderen Kontext weiter zusammen:
Unter dem Motto „Meinungsfreiheit ist mehr als eine Meinung“ initiiert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gemeinsam mit dem Berufsverband Information Bibliothek und weiteren Partnern vom
3. bis zum 10. Mai 2020 die Woche der Meinungsfreiheit.
[caption id="attachment_14007" align="aligncenter" width="473"] "Für das Wort und die Freiheit" ist eine ausdrucksstarke Broschüre der IG Meinungsfreiheit des Deutschen Börsenvereins, in der ich seit Herbst 2019 für BIB / BID Mitglied bin[/caption]
In Buchhandlungen und Bibliotheken finden – aufbauend auf den Erfahrungen und in Zusammenarbeit mit der Initiative Offene Gesellschaft – an realen Orten in der Stadtgesellschaft Aktionen statt, die Meinungsfreiheit auch im übertragenen Sinne Raum geben: #dafuer zu sein, ausdrücken, wie wertvoll Meinungsfreiheit für unsere Demokratie ist und zeigen, wie wir offen und konstruktiv über den Zustand und die Entwicklung unseres Zusammenlebens diskutieren. Das ist die Intention dieser Woche.
Und ich hoffe, Sie als Bibliotheken sind dabei. Melden Sie sich, wenn Sie Interesse haben bei miteinander-reden@bib-info.de.
Für den BIB-Bundesvorstand und auch im Namen der IG Meinungsfreiheit des deutschen Buchhandels
Tom Becker, Dezember 2019