In Wissenschaftlichen wie auch in Öffentlichen Bibliotheken hat sich die technische Entwicklung als eine entscheidende Triebkraft für Veränderungen erwiesen. Sie hat nicht nur das Nutzerverhalten verändert, sondern beeinflusst auch die Arbeitssituation von Bibliotheksbeschäftigten erheblich.
Zugleich sind Bibliotheken als freiwillige Aufgaben ihrer Träger immer wieder von Kürzungen betroffen. Jahrelang sinkende Grundmittel im Hochschulbereich hatten auch teilweise dramatische Kürzungen im Personalbereich Wissenschaftlicher Bibliotheken zur Folge. Der dadurch entstandene Personalmangel führte zu einer erheblichen Belastung des verbliebenen Bibliothekspersonals, zumal die Aufgaben durch die Einführung digitalisierter Arbeitsmethoden weiter anwachsen. Durch die Einführung von Automatisierungstechniken wie RFID geschah eine weitere Auslagerung von Ausleih- und Rückgabetätigkeiten vom Bibliothekspersonal auf Nutzende. Dadurch sind sowohl Rationalisierungseffekte durch die häufig wiederkehrenden Routineaufgaben eingetreten wie auch eine höhere Komplexität der Aufgaben. Die Ausweitung von Öffnungszeiten in die Abendstunden und auf das gesamte Wochenende stellt nochmals erheblich höhere Anforderungen an die Flexibilität der Beschäftigten.
Besonders zu diesen Randzeiten wird in erheblichem Umfang auf studentische Beschäftigte zurückgegriffen. Diese Gruppe wird, bedingt durch ihre berufliche Situation und die Notwendigkeit, Studium und Lebensunterhalt (auch aufgrund einer immer geringeren Förderquote des BAföG) über Erwerbsarbeit finanzieren zu müssen, als besonders flexibel wahrgenommen. So gewährleisten vor allem studentische Beschäftigte erweiterte Öffnungszeiten und tragen erheblich zum Bibliotheksservice (Ausleihe, Rückstellarbeiten, Auskunftstätigkeiten und Fernleihfunktionen) bei. Für Studierende ist insbesondere die Tätigkeit in einer Fach-Bibliothek aufgrund der inhaltlichen Nähe zum jeweiligen Studium häufig eine attraktive Beschäftigungsmöglichkeit.
Alle Interessen müssen jedoch in Einklang mit der geltenden Rechtslage gebracht werden. Bei allen Unterschieden im Detail müssen wir feststellen, dass es diesbezüglich erhebliche arbeitsrechtliche Probleme in der Praxis gibt.
Zunächst regeln Landeshochschulgesetze, in welchen Bereichen studentische Hilfskräfte im jeweiligen Bundesland eingesetzt werden können. Sowohl die Definition der Gruppe als auch die Festlegung des Einsatzgebietes variieren von Bundesland zu Bundesland. Die meisten Länder weisen wissenschaftlichen und studentischen Hilfskräften jedoch Unterstützungsaufgaben mit direktem Bezug zu Forschung und Lehre zu.
In der Bibliotheks-Praxis wird dennoch vielfach und unabhängig von der landesrechtlichen Situation auf studentische Hilfskräfte zurückgegriffen, die nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) befristet sind und nicht in den Tarifvertrag der Länder (TV-L) eingruppiert werden. Beides, obwohl die rechtlichen Bedingungen dafür in den meisten Fällen nicht erfüllt sein dürften.
Auch das WissZeitVG legt eindeutig fest, dass eine wissenschaftliche Hilfskraft im Sinne des Gesetzes nur sein kann, wer wissenschaftliche oder künstlerische Hilfstätigkeiten ausführt. Die Befristung von studentischen Beschäftigten in einer Wissenschaftlichen Bibliothek ist damit in der Regel nicht nach diesem Gesetz möglich. Hier kommt nur das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) in Frage.
Der TV-L schließt zwar studentische Hilfskräfte aus seinem Geltungsbereich aus, definiert jedoch ebenfalls klar, dass es sich dabei um Personen handeln muss, die forschungs- und lehrnahe Unterstützungstätigkeiten ausüben.
Daher ist festzuhalten: Studierende müssen bei einer reinen Verwaltungstätigkeit nach geltender Rechtsprechung (vgl. BAG, 30.06.2021, 7 AZR 245/20) nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) als (studentische) Tarifbeschäftigte eingestellt werden. Aufgaben und Tätigkeiten in den Universitätsbibliotheken zum Beispiel an der Ausleihe, an der Information, in der Katalogisierung oder bei Arbeiten im Buchbestand sind ausschließlich administrativer Art. Es handelt sich häufig um dieselben Tätigkeiten, die von ausgebildeten Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) oder Bachelorabsolvent*innen ausgeübt werden.
Diese Praxis ist abzulehnen, denn damit geht schleichend aber in hohem Maße die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten an diese Gruppe einher. Diese Tätigkeiten verlangen aber nach ausgebildetem Personal. Studentische Beschäftigte können und sollen selbstverständlich sinnvoll in Bibliotheken beschäftigt werden, auch zu Unterstützungsaufgaben, etwa in Randzeiten mit eingeschränktem Service. Weder dürfen Sie aber als billige Alternative zu ausgebildetem Bibliothekspersonal genutzt noch darf ihnen die tarifliche Bezahlung nach dem TV-L vorenthalten werden.
Die Antwort auf Unterfinanzierung von Bibliotheken bei wachsenden Aufgaben und Flexibilitätsanforderungen kann nicht sein, auf die kostengünstigste Lösung zurückzugreifen. Das wird weder dem Bedarf der Nutzer*innen gerecht, noch dem Qualitätsanspruch Wissenschaftlicher Bibliotheken oder dem Anspruch der studentischen Beschäftigten auf faire Bezahlung und Beschäftigungsbedingungen.
Im Zusammenspiel mit der Unattraktivität von Befristungen und der Ungewissheit über die Verlängerung ihrer Arbeitsverträge in Bibliotheken, wird die Gewinnung von studentischen Beschäftigten für die Abdeckung der Öffnungs- und Serviceangebote wochentags und an den Wochenenden bis in die späten Abend- und Nachtstunden hinein zudem immer schwieriger.
Um Arbeitskräfte zu gewinnen, müssen Arbeitgeber mit attraktiven Bedingungen werben. Dies gilt auch für Bibliotheken bezüglich ihrer studentischen Beschäftigten. Die beschriebene Praxis hat daher auch in dieser Hinsicht keine Zukunft. Ein Umdenken bezüglich studentischer Beschäftigung in Wissenschaftlichen Bibliotheken ist dringend erforderlich.
So ist der Reflex, Studierende in jedem Fall (möglichst kurz) zu befristen, unnötig. Studierende sind von Natur aus bestrebt, ihr Studium in einer überschaubaren Zeit (Regelstudienzeit) zu beenden, um anschließend eine besser dotierte Stelle mit Perspektive zu finden. Mit Abschluss des Studiums endet damit in der Regel die studentische Beschäftigung automatisch. Die Gefahr, eine Vielzahl von (ehemaligen) Studierenden dauerhaft weiterbeschäftigen zu müssen, besteht in der Realität nicht.
Wir schlagen vor, Studierende sachgerecht und rechtskonform mit unbefristeten Teilzeitverträgen entsprechend dem TV-L auszustatten.
Damit würden gleich mehrere Probleme bei der Beschäftigung studentischen Personals ausgeräumt:
- Die Attraktivität der Beschäftigungsverhältnisse würde deutlich gesteigert.
- Die arbeitsgesetzlich geregelte Probezeit böte auch bei einem unbefristeten Vertrag die Möglichkeit ein Arbeitsverhältnis zu beenden, falls eine der beiden Vertragsparteien unzufrieden ist.
- Unbefristete Beschäftigungsverhältnisse gewähren Verlässlichkeit für beide Seiten. Die der Bibliotheken ebenso wie die der Studierenden.
- Studentische Tätigkeiten könnten rechtssicher nach der geltenden Entgeltordnung bewertet werden, was zu einer gerechten Bezahlung führen und auf der Arbeitgeber*innenseite das Risiko von Klagen minimieren würde.
- Zwischen unausgebildetem Personal und Personal mit Ausbildung wäre entsprechend der unterschiedlichen Tätigkeiten durch die Eingruppierung in einen Tarifvertrag sauber und einfach zu unterscheiden.
- Durch Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen können auch studentische Beschäftigte Rentenansprüche erwerben, was einer späteren Altersarmut entgegenwirkt.
Daher fordern wir die Entscheidungsträger auf, ihre Haltung und Praxis zu verändern: wenn Studierende Tätigkeiten ausüben, die durch den TV-L abgedeckt sind, müssen sie auch nach diesem Tarifvertrag bezahlt werden. Für gleiche Arbeit muss auch gleicher Lohn bezahlt werden.