Wer beruflich mit der Lesekompetenz von Kindern zu tun hat, dem kommt die aktuelle Iglu-Studie schon fast wie »Dinner for One« vor: Jedes Jahr das Gleiche, wobei die verheerenden Ergebnisse auch noch einem desaströsen Abwärtstrend folgen. Die Medien schlagen Jahr für Jahr Alarm und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert mehr Geld für Leseprogramme für Grundschulen. Nur ändern wird sich wieder mal nichts. Für das schlechte Abschneiden der Schülerinnen und Schüler in Sachen Lesen gibt es viele Gründe. Sicher spielt dabei auch das zu Hause vorhandene bzw. nicht vorhandene Leseverhalten eine Rolle. Hinzu kommen noch mögliche Sprachbarrieren jener Kinder, die in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben.
Und natürlich brauchen wir auch viel Verständnis. Denn Kinder verfügen heute über viel weniger Freizeit und sobald sie ein Smartphone besitzen – das geht heute in der Grundschule immer früher los – sind die digitalen Angebote verlockender und deutlich niedrigschwelliger als die Lektüre eines Buches. Im Vordergrund stehen soziale Medien wie TikTok und natürlich Games.
Vielleicht eignet sich die folgende Projektidee, um gerade die leseschwachen Jungen zum Lesen und Schreiben zu motivieren, die sonst lieber Videospiele wie »Fortnite« spielen.
Statt also in der Schule nur auf die übliche und durchaus wichtige Buchvorstellung zu setzen, könnte eine ähnlich gestaltete Games-Vorstellung durchaus Wunder bei den besonders Leseschwachen bewirken.
Die Aufgabenstellung und Auseinandersetzung mit dem Werk liefe ähnlich wie bei der Buchvorstellung ab:
- Spielauswahl: Wähle dein Lieblingsspiel und mache dir Notizen, was dir daran gefällt. Warum möchtest du ausgerechnet dieses Spiel der Klasse vorstellen?
- Werkeinordnung: Wer hat das Spiel gemacht? Erläutere und beschreibe die einzelnen Kriterien des Genres. Warum hast du dich für diese Spielegattung entschieden?
- Inhaltsangabe: Erzähle von der Geschichte des Spiels und ordne sie einer Zeit zu. Beschreibe die Hauptfiguren, ihre Fähigkeiten und ihre Aufgaben. Wie genau lautet das Spielziel? Wie sehen die Belohnungen aus? Gibt es ein Spielende? Beschreibe dabei Dinge, die dir gut gefallen und benenne auch kritische Punkte.
- Spielprobe: Zeige einen Trailer oder zeichne mit einer Software die Spielszenen auf, die du gezielt vorstellen möchtest.
- Visuelle Darstellung: Präsentiere das Cover oder Titelbild deines Spiels für alle gut sichtbar. Eine Powerpoint-Präsentation eignet sich dafür sehr gut. Du kannst aber auch ein Plakat gestalten oder ein Thesenpapier anfertigen.
Bei solchen Games-Vorstellungen, die unter strenger Berücksichtigung der USK-Zahlen stattfinden, kann auch mit der Zielgruppe über Chancen und Gefahren in Spielen gesprochen werden. Erst im letzten Jahr wurde ein 17-jähriges Mädchen tödliches Opfer eines Sexualstraftäters, den sie über »Fortnite« kennengelernt hatte. Eine andere Problematik ist die Abzocke durch sogenannte In-App-Käufe. Gewusst haben wir das schon immer, aber jetzt gibt es konkrete Zahlen: 5,5 Milliarden Euro hat die deutsche Videospieleindustrie 2022 an Umsatz generiert und liegt dabei noch vor den Streamingdiensten (5,1 Mrd. Euro). Von diesen 5,5 Mrd. Euro entfallen übrigens circa 1 Milliarde Euro auf den verpackten Spielkauf, aber 4,4 Milliarden Umsatz gehen auf In-App- und In-Games-Käufe zurück.
Das sind wichtige Informationen, die nicht nur Kinder wissen sollten. Im Rahmen einer engagierter Games-Vorstellung wäre das sicher ein gutes Diskussions-Thema.
Körper und Sexualität: Sibel’s Journey (ab 12 Jahren)
Apps wie »Sibel’s Journey« sind selten, denn es geht auf der dreisprachigen App um gleich mehrere relevante Themen für Jugendliche. Oder wie es die Macherinnen ausdrücken: »Sibel’s Journey verfolgt einen intersektionalen Ansatz und vermittelt jungen Menschen fundiertes Wissen und eine positive Einstellung zu Themen wie Anatomie, Körperbild, Kommunikation, Verhütung, Geschlechtsidentität und respektvolle Beziehungen.« Die Spielenden schlüpfen in die Rolle der 13-jährigen Sibel, die ihre Tante und ihre Freundin in Berlin besucht. Auf dieser Reise kommt sie mit Menschen und sensible Themen in Berührung, in denen es in Dialogform unter anderem um Body Positivity, Geschlechtsidentität, Verhütungsmöglichkeiten, das Setzen persönlicher Grenzen oder die LGBTQIA+ Bewegung geht. Minispiele sorgen im Gameplay für Abwechslung. Gut für den pädagogischen Einsatz.
Food for thought, App für IOS und Android, ca. 6 Euro