Möglichkeiten der Nutzung des Archivs der Flucht in Wissenschaftlichen Bibliotheken

Wie das Archiv der Flucht in die Vermittlungsarbeit von wissenschaftlichen Bibliotheken einbezogen werden kann, erläutert BuB-Author Matthias Harbeck.
Eine Ausstellungsansicht des Archivs der Flucht im Haus der Kulturen der Welt in Berlin.
Das Oral-History-Projekt »Archiv der Flucht« des Hauses der Kulturen der Welt stellt in Filminterviews die Geschichten von Menschen vor, die in den vergangenen 70 Jahren nach Deutschland migriert sind. Foto: Sebastian Bolesch

 

Welche Formen des Erinnerns braucht es in heutigen Einwanderungsgesellschaften? Das Oral-History-Projekt »Archiv der Flucht« des Hauses der Kulturen der Welt Berlin (HKW) betrachtet die Erinnerungen nach Deutschland migrierter Menschen als integralen Bestandteil deutscher Nachkriegsgeschichte und bewahrt sie vor dem Vergessen und Verdrängen. Bibliotheken helfen, diese Fluchterzählungen zu vermitteln. Wie das Archiv in die Vermittlungsarbeit von wissenschaftlichen Bibliotheken mit einbezoigen werden kann, erläutert BuB-Autor Matthias Harbeck:

Eine wichtige Frage für die Initiatorinnen und Initiatoren war, wie das Material des Archivs für Forschende weithin verfüg- und sichtbar gemacht werden könne. Ein erster niedrigschwelliger Schritt in der Kooperation mit dem Fachinformationsdienst Sozial- und Kulturanthropologie (FID SKA) war hierfür die Verzeichnung des Archivs im Regensburger Datenbankinformationssystem DBIS und die damit verbundene Nutzung bibliothekarischer Kommunikationskanäle, um auf den Eintrag und das Material aufmerksam zu machen.1 Da es sich bei dem Archiv um eine freie Webressource handelt, können alle Einrichtungen die Filmdatenbank in ihr DBIS-Portfolio aufnehmen; Nutzende vor Ort, die das Verzeichnis kennen und für die Recherche nach Datenbanken einsetzen, werden somit auch über diesen Weg auf das Archiv stoßen. Für alle, die nicht ohnehin gezielt nach dem Archiv suchen, ist wichtig, dass sie über einen Beschreibungstext und Schlagwörter weitere Sucheinstiege geboten bekommen.

In einem nächsten Schritt wurden die einzelnen Filme des Archivs durch Mitarbeitende des FID verschlagwortet, die Verschlagwortung mit den Verantwortlichen am HKW rückgekoppelt und die jeweiligen Katalogisate der Einzelfilme schließlich mit den abgestimmten Schlagworten angereichert. So lassen sich auch die Einzelfilme durch thematische Suchen – losgelöst vom größeren Kontext des Archivs – finden. Durch das neu angelegte GND-Körperschaftsschlagwort »Archiv der Flucht« sind die Filme ganz einfach in gängigen Datenaustauschformaten aus dem Verbundkatalog BSZ filterbar und in eigene bibliothekarische Nachweisinstrumente importierbar. Der FID SKA wird dies in einem der nächsten Updates seiner Datenquellen für den Suchindex auf seinem Webportal EVIFA umsetzen.2

Zu guter Letzt wurden gezielt Fachreferentinnen und Fachreferenten der ethnologischen Fächer in einer vom FID organisierten Fortbildung im November 2021 durch die HKW-Verantwortlichen in das Material eingeführt. Solche Formate ließen sich auch für andere Fächer wiederholen. Zentral sind die nachhaltigen Speicherung und Referenzierbarkeit (Permalinks). Nur wenn diese gegeben sind, führt die bessere Auffindbarkeit über gängige wissenschaftliche Recherchemittel (Kataloge, Datenbankverzeichnisse) auch tatsächlich zu einer kontinuierlichen Nutzung durch die Forschung.

1 https://dbis.uni-regensburg.de//detail.php?bib_id=alle&colors=&ocolors=&lett=fs&tid=0&titel_id=104783
2 www.evifa.de

 

Matthias Harbeck studierte Geschichte, Ethnologie und Politik in Hamburg und Leiden, war von 2006 bis 2008 Referendar an der UB der Humboldt-Universität zu Berlin und ist dort seit 2009 Fachreferent für Ethnologie. Er betreute zunächst das Sondersammelgebiet Volks- und Völkerkunde und leitet seit 2016 den DFG-geförderten Fachinformationsdienst Sozial- und Kulturanthropologie.

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