Bildung in Zeiten des Krieges

Ukrainische Universitätsbibliotheken erhalten unter schwierigen Arbeitsbedingungen auch während des Krieges ihre Dienstleistungen aufrecht.
Das Foto zeigt Schäden in der Zentralen Wissenschaftsbibliothek der Nationalen Karasin-Universität Charkiw. Die Schäden entstanden durch russische Angriffe 2022.
Wie viele andere Bibliotheken auch wurde die Zentrale Wissenschaftsbibliothek der Nationalen Karasin-Universität Charkiw durch russische Angriffe beschädigt. Foto: The Central Scientific Library of the Karazin National University of Kharkiv

 

Der Krieg hat die Umstrukturierung des Alltags in allen Lebensbereichen der ukrainischen Gesellschaft erzwungen. Die Universitäten und Bibliotheken bilden dabei keine Ausnahme. Trotz der schwierigen Zeiten, die unser Land durchleben muss, bieten unsere Bibliotheken ihren Benutzerinnen und Benutzern nach wie vor ein breites Angebot an Informations- und Bibliotheksdienstleistungen.

In den umkämpften Gebieten wird die zivile Infrastruktur zerstört. Vor allem die Großstädte – Zentren von Bildung, Wissenschaft und Kultur – sind massivem Beschuss ausgesetzt. Auch die Universitätsbibliotheken sind davon nicht verschont geblieben. Ein Beispiel ist die Zentrale Wissenschaftsbibliothek der Nationalen Karasin-Universität Charkiw, die durch solche Angriffe beschädigt wurde. Da die Bibliotheken beziehungsweise Hochschulen während der Bombardements in Mitleidenschaft gezogen wurden, mussten die Bibliothekarinnen und Bibliothekare aus den Regionen Charkiw, Donezk, Luhansk und teilweise Kiew ihre Arbeitsplätze verlassen. Nur wenige der betroffenen Universitätsbibliotheken konnten auf Homeoffice umstellen und zumindest gelegentlich ihre Dienstleistungen online anbieten. Die meisten Universitätsbibliotheken sind außer Betrieb, da ihre Server beschädigt wurden.

Hilfsaktionen und Spenden fürs Militär

Die Hochschulbibliotheken in der Westukraine halten weiterhin ihren geregelten Betrieb aufrecht. Viele Bibliothekarinnen und Bibliothekare aus den Regionen, in denen es keine direkten Kämpfe gibt, beteiligen sich an Hilfsaktionen der Freiwilligenzentren und sammeln aktiv Spenden für Militär und Binnenflüchtlinge. Universitätsbibliothekarinnen und -bibliothekare in Lwiw, Czernowitz, Luzk, Riwne, Mukatschewo und anderen ukrainischen Städten sammeln und sortieren Lebensmittel, Kleidung und sonstige Bedarfsartikel, bereiten Essen zu, flechten Tarnnetze für das Militär, bieten Kindern von Binnengeflüchteten Freizeitaktivitäten an, organisieren Erste-Hilfe-Kurse, schicken Geflüchteten im Ausland ukrainischsprachige Bücher und geben ihren aus unsicheren Regionen evakuierten Kolleginnen und Kollegen ein temporäres Zuhause.

Die Wissenschaftliche Bibliothek der Nationalen Ivan-Franko-Universität Lwiw hat in ihren Räumlichkeiten ein Freiwilligenzentrum für humanitäre Hilfe für das Militär und die Zivilbevölkerung der betroffenen Regionen eingerichtet. An der Bibliothek der Nationalen Polytechnischen Universität Lwiw wurde die Bürgerinitiative »Zentrum zum Schutz des kulturellen Erbes« ins Leben gerufen. Die Initiative sammelt notwendige Geräte und Materialien, um historische und kulturelle Güter, religiöse Stätten, Museen sowie Kunstsammlungen ukraineweit zu schützen und zu erhalten. Die Spenden kommen von den ausländischen Partnern der Bibliothek sowie von Mäzenen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wissenschaftlichen Bibliothek der Nationalen Medizinischen Danylo-Halyzkyj-Universität Lwiw erstellen Bibliografien zu aktuellen Fragen in den Bereichen akute Militärchirurgie, posttraumatische Belastungsstörung sowie allgemeine psychologische Unterstützung.

Veranstaltungen für geflüchtete Kinder

Die Wissenschaftliche Bibliothek der Staatlichen Universität Mukatschewo organisiert Veranstaltungen für geflüchtete Kinder, sammelt Bücherspenden für ukrainische Kinder in Tschechien und bietet Bookcrossing für Flüchtlinge an. Die Wissenschaftsbibliothek der Nationalen Pädagogischen Mychajlo-Drahomanov-Universität, an der ich arbeiten darf, bietet ihre Dienstleistungen und Beratungen – wie die meisten ukrainischen Bibliotheken – online an. Unseren Benutzerinnen und Benutzern stehen unsere Webseite mit dem Online-Katalog, einem Repositorium, wie auch alle sonstigen Ressourcen und Plattformen, auf die unsere Bibliothek Zugriff hat (einschließlich Zitations- und Literaturdatenbanken wie Scopus, Web of Science und andere), zur Verfügung.

 
»Wir tragen zur Entwicklung und Bildung junger Menschen in der Ukraine bei, Menschen, die unsere Gesellschaft in der Zukunft aufbauen werden.«

 

In Kriegszeiten bleibt die Arbeit von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren auch weiterhin wichtig, zumal deren Bedeutung eine neue Facette gewonnen hat, nämlich unserer Leserschaft mit Büchern Halt zu geben. Die Nachfrage nach Büchern unter den Studierenden und Lehrkräften der Drahomanov-Universität ist ungebrochen. Wir versorgen unsere Benutzerinnen und Benutzer weiterhin regelmäßig mit wissenschaftlicher und pädagogischer Literatur und bieten ihnen Information und Beratung an. Unser Ziel bleibt unverändert, unserem Publikum qualitativ hochwertige und aktuelle Inhalte zu bieten. Vor allem auf Facebook und Instagram informieren wir Leserinnen und Leser und Kolleginnen und Kollegen weiterhin über die neuesten Nachrichten zu unserer Bibliothek und den aktuellen Ergebnissen unserer Tätigkeit. Wir präsentieren auch virtuelle Ausstellungen von Büchern zu aktuellen Themen.

Arbeit unter schwierigen Bedingungen

Wir tragen zur Entwicklung und Bildung junger Menschen in der Ukraine bei, Menschen, die unsere Gesellschaft in der Zukunft aufbauen werden. Gerade deshalb haben die Bibliotheken als Orte kultureller Vermittlung vor allem eine Aufgabe: ihre Literaturbestände von Literatur des Aggressorenlandes zu befreien. Diese Arbeit ist überaus kompliziert und langwierig, da die russische Literatur mit allen Bereichen unseres Lebens, einschließlich der Bildung, eng verflochten ist. Die Geschichte zeigt, dass die Ukraine immer wieder ihre Identität erkämpfen musste und sie wird es mit Sicherheit auch diesmal tun.

Wie man sieht, muss die ukrainische Bibliothekscommunity unter schwierigen Bedingungen arbeiten. Sie setzt jedoch alles daran, das gemeinsame Ziel zu erreichen, nämlich den russischen Aggressor zu besiegen.

Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht in BuB 11/2022, Seite 587-589.

Übersetzt aus dem Ukrainischen von Tanya Suprun

Kateryna Kosynska ist die stellvertretende Leiterin der Wissenschaftsbibliothek der Nationalen Pädagogischen Mychajlo-Drahomanov-Universität und Vorsitzende der Jugendsektion des Ukrainischen Bibliotheksverbands.

Interessantes Thema?

Teilen Sie diesen Artikel mit Kolleginnen und Kollegen:

Nach oben