Der HanseMerkur Preis für Kinderschutz, die bundesweit renommierte Auszeichnung für außergewöhnliche Leistungen im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes, ist in diesem Jahr unter anderen an eine Initiative verliehen worden, die sich seit über 20 Jahren unermüdlich für die Förderung eines sicheren und verantwortungsvollen Umgangs von Kindern und Jugendlichen mit digitalen Medien einsetzt. Die Auszeichnung ging an den »Deutschen Kindersoftwarepreis TOMMI« und seinen Initiator, den Journalisten und Autor Thomas Feibel. Die Preisverleihung fand am 28. September am Unternehmenssitz der HanseMerkur in Hamburg statt und würdigte das beispielhafte Engagement, Kinder und Eltern zu einem bewussten und kritischen Umgang mit der digitalen Welt zu befähigen. Der »Deutsche Kindersoftwarepreis TOMMI« wurde mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnet und erhält 10.000 Euro zur weiteren Förderung des Projekts.
Angesichts der zunehmenden Geschwindigkeit, Vielfältigkeit, für viele aber auch Unübersichtlichkeit der Digitalisierung sind die Worte von Altbundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Jahr 2013, dass »das Internet für uns alle Neuland« sei, zumindest in Teilen immer noch zutreffend. Insbesondere im Bereich der digitalen Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen besteht oft Unwissenheit über mögliche Gefahren und Herausforderungen wie Cybermobbing, Cybergrooming oder die Folgen exzessiver Nutzung. Hier setzt der Deutsche Kindersoftwarepreis TOMMI an. Bereits seit 1995 widmet sich der Journalist und Kinder- und Jugendbuchautor Thomas Feibel mit Leidenschaft und Expertise dem Thema Kinder und ihrer Nutzung digitaler Medien. Er hat nicht nur zahlreiche Artikel, Ratgeber und Jugendromane dazu verfasst, sondern 2002 zudem den Kindersoftware-Preis TOMMI ins Leben gerufen, der heute als Gütesiegel für qualitativ hochwertige digitale Spiele, Apps und Lernsoftware gilt – so werthaltig, dass das Bundesfamilienministerium seit vielen Jahren die Schirmherrschaft innehat.
Umfassende Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
Der Kindersoftwarepreis TOMMI zielt darauf ab, Kindern und Schulklassen den kritischen Umgang mit Computer-, Lern- und Konsolenspielen sowie Apps zu vermitteln und setzt dabei auf die umfassende Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Seit 2008 findet der TOMMI in Öffentlichen Bibliotheken statt, denn diese sind heute führend im Bildungssektor, wenn es um die Vermittlung unterschiedlichster Lesefähigkeiten geht. Das trifft nicht nur auf Bücher zu, sondern auch auf elektronische Medien und Games. Bibliotheken bieten den Ort, die Spiele und Geräte und vor allem das kompetent zur Seite stehende Personal. Außerdem sind Bibliotheken eine demokratische Einrichtung: Hier erhalten gerade auch Kinder Zugang zu Neuen Medien, die sich vielleicht von Hause aus keine Computer, Konsolen oder Tablets leisten können.
Die teilnehmenden Bibliotheken fungieren somit als erste und verlässliche Anlaufstellen für Medienkompetenz und -nutzung. Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter unterstützen Kinder dabei, einen sicheren und sinnvollen Umgang mit digitalen Medien zu erlernen. »Der TOMMI ermöglicht eine niedrigschwellige Teilhabe für Kinder aus allen gesellschaftlichen Schichten und fördert gleichzeitig ihre Medienkompetenz und ihre Demokratieerfahrung«, erklärt Katrin Hartmann, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv).
Kinderjury bewertet nominierte Computerspiele
Das Auswahlverfahren des TOMMI ist transparent und partizipativ. Eine Erwachsenen-Jury, bestehend aus Fachjournalisten und Pädagogen, trifft eine Vorauswahl von Produkten, die für den Preis infrage kommen. Dann sind die Kinder und Jugendlichen an der Reihe: Kinder, die zwischen 8 und 16 Jahren alt sind und sich gut mit Computerspielen auskennen, können sich bei den aufgeführten Bibliotheken bewerben. Individuell sich bewerbende Kinder füllen vorab einen Fragebogen aus, der ihre Erfahrungen bezeugt. Die Kinderjury setzt sich dann aus mindestens 20 Kindern zusammen, kann aber je nach Bibliotheksgröße größer sein. Sie verpflichtet sich, alle nominierten Games zu testen.
Die Testphase kann mit bis zu drei Stunden Spielen am Stück intensiv sein. Jedes Kind hat seine eigene Mappe zum Verschriftlichen der Testergebnisse, die Kinder tauschen aber auch ihre Eindrücke aus, stimmen sich miteinander ab und begründen ihre Wahl, was nebenbei ihr Demokratieverständnis fördert. Denn durch den deutschlandweiten Abstimmungsprozess kann am Ende auch ein Spiel und Lernangebot den Sieg davontragen, das in der eigenen Bibliothek vielleicht ganz anders abgeschnitten hatte. In einer vierwöchigen Testphase bewertet die Kinder-Jury die nominierten Spiele, Apps und Lernsoftware. Dabei entsteht eine wertvolle Rückmeldung aus der Zielgruppe selbst, die zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Produkte beiträgt. Rund 3.000 bis 4.000 Kinder und Jugendliche nehmen jährlich daran teil. Danach wird der TOMMI unter großer medialer Aufmerksamkeit öffentlich in der Sendung »Team Timster« des Kinderkanals (KiKA) verliehen.
Bibliotheken profitieren vom TOMMI
Positiver Nebeneffekt: Die Bibliotheken erleben durch den TOMMI einen verstärkten Zulauf. Zum einen kommen Kinder, die sonst keine Bibliothek besucht hätten, zum anderen bleibt die Bibliothek in guter Erinnerung. Viele Kinder können kaum glauben, dass sie hier spielen dürfen und sich neben Büchern auch Computerspiele oder Instrumente ausleihen können. Auf diese Weise überwinden viele Pubertierende den sogenannten »Leseknick« und werden durch das Gaming-Angebot auch wieder zum Lesen gebracht.
Der TOMMI setzt aber nicht nur auf Spiele und digitale Unterhaltung, sondern legt besonderen Wert auf Bildungssoftware und Inklusion. Der Förderpreis Kindergarten zeichnet seit 2021 praxiserprobte Konzepte von Kindertagesstätten aus, die einen verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Medien vermitteln, indem sie Familien mit kleinen Kindern einen reflektiert verantwortlichen Umgang mit digitalen Medien näherbringen und Kinder von passiven Medienkonsumenten zu digitalen Tüftlern und aktiven Gestaltern weiterentwickeln.
Barrierefreiheit digitaler Medien ist zentrales Anliegen
Zudem wurde der »TOMMI inklusiv« eingeführt, bei dem Kinder mit und ohne Behinderung die Barrierefreiheit von digitalen Medien testen und bewerten. Sind die Tutorials leicht verständlich? Können Geräusche, Farben, Tempo und Tastenbelegung individuell angepasst werden, sodass die Software von allen Kindern – unabhängig von einer möglichen Behinderung – bedient werden kann?
Es geht darum zu prüfen und öffentlich zu machen, inwieweit die Industrie Inklusion schon mitdenkt. TOMMI-Gründer Thomas Feibel erläutert: »Kinder haben beim TOMMI das letzte Wort. Das Medienkompetenzprojekt nimmt das Thema Partizipation sehr ernst. Kinder sind Experten und entscheiden alleine, welche Games und Bildungsangebote sie auszeichnen wollen. Sie erfahren so, dass es auf ihre Stimme ankommt und sie auch gehört werden. Dabei möchte der TOMMI die kulturelle Bedeutung des Gaming in der Gesellschaft positiv besetzen, aber auch die wertvolle Arbeit Öffentlicher Bibliotheken als wichtigster Vermittler von Medienkompetenz eine noch größere Sichtbarkeit verleihen.«
Im Jahr 1980 wurde erstmals unter dem Motto »Sorge für Kinder ist Vorsorge für die Zukunft« der HanseMerkur Preis für Kinderschutz ausgeschrieben.
Ausgezeichnet werden einzelne Personen, private Initiativen und Gruppen in Deutschland, die sich weitgehend ehrenamtlich und höchst engagiert sowie beispielhaft für die Belange von Kindern und Jugendlichen einsetzen. Dies kann im Bereich der psycho-sozialen, der medizinischen oder gesellschaftlichen Hilfe beziehungsweise Vorbeugung geschehen.
Eine zehnköpfige Jury aus renommierten Kinderschützern, der unter anderem Heinz Hilgers (Der Kinderschutzbund), Georg Graf Waldersee (Deutsches Komitee für UNICEF) und Prof. Sabine Walper (Deutsche Liga für das Kind) angehören, sorgt für den Know-how-Transfer und die Qualitätskontrolle bei der alljährlichen Auswahl exzellenter Initiativen im Kinder- und Jugendschutz. Seit 1980 haben sich rund 3.800 Projekte beworben. Ausgezeichnet wurden bislang 177 Projekte, die Preisgelder in Höhe von insgesamt 1,4 Millionen Euro erhalten haben.