Frankfurt am Main. Die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland nimmt täglich zu. Viele der asylsuchenden Menschen werden länger in Deutschland bleiben. Neben den lebensnotwendigen Ressourcen wie Unterkunft und Verpflegung können Bildung und Kultur die Integration entscheidend unterstützen.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Frankfurter Buchmesse und die LitCam haben deshalb zum gestrigen Weltbildungstag (8. September) eine gemeinsame Initiative für Flüchtlinge ins Leben gerufen. Unter dem Motto „Bücher sagen Willkommen“ erhalten Flüchtlinge einen einfachen und schnellen Zugang zu Lern- und Lesematerial. Den Kern bildet die Einrichtung von „Lese- und Lernecken“ in der unmittelbaren Umgebung von Flüchtlingsunterkünften durch die LitCam. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels unterstützt die Aktion mit einem Spendenaufruf, die Frankfurter Buchmesse bietet kostenlose Eintrittskarten und Veranstaltungen für Flüchtlinge auf der Messe an.
Schirmherr der Aktion ist der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani, der in diesem Jahr mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird. „Die Flüchtlingszahlen steigen auf der ganzen Welt. Und in der unmittelbaren Umgebung Europas richten Krieg, Rechtlosigkeit, Vertreibung, Massenmorde, systematische Vergewaltigungen und ethnische Säuberungen ganze Länder zugrunde – wie Europa es aus der eigenen Geschichte kennt. Wir sollten uns nicht abschotten und könnten es auch gar nicht. Die Flüchtlinge brauchen Schutz, Hilfe und Unterstützung“, sagt Navid Kermani.
Lese- und Lernecken für Flüchtlinge
Die Lese- und Lernecken sollen in Stadt- und Ortsteilen eingerichtet werden, in denen eine große Zahl an Flüchtlingen untergebracht ist. Als Standort kommen zum Beispiel Bildungszentren, Sprachschulen und andere Einrichtungen infrage, die sich in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften befinden. Die Lese- und Lernecken werden mit Büchern und Lernmaterialien ausgestattet: Vorgesehen sind sowohl Deutsch-Lehrbücher, Wörterbücher und Lexika als auch Romane und Sachbücher in entsprechenden Fremdsprachen. Vorbild sind die „Reading and Learning Rooms“, die die LitCam im Township Mfuleni in Kapstadt betreibt.
„Flüchtlinge kommen mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen nach Deutschland. Durch einen einfachen Zugang zu Lern- und Lesematerial wollen wir ihnen ermöglichen, sich individuell auf die neuen Herausforderungen einzustellen, z.um Beispiel Deutsch zu lernen, aber auch einmal für einen Moment Ablenkung und Zerstreuung zu finden. Zusammen mit unserem Expertenteam und den Flüchtlingsprojekten versuchen wir, Bücher für die jeweiligen Gegebenheiten und Bedürfnisse zusammenzustellen“, sagt Karin Plötz, Direktorin der LitCam.
Den Start macht eine Lese- und Lernecke in einem Lernzentrum in Frankfurt am Main, im Stadtteil Gallus. Asylbewerber aus den umliegenden Unterkünften erhalten dort bereits Deutschunterricht, zudem sind in dem Gebäude selbst rund 30 unbegleitete Jugendliche untergebracht. Durch Spendenaktionen sollen weitere Lese- und Lernecken im gesamten Bundesgebiet ermöglicht werden.
Spendenaktion in Buchhandlungen
Die deutsche Buchbranche startet einen bundesweiten Spendenaufruf für die Initiative. Ab dem 19. September können Kunden in Buchhandlungen in ganz Deutschland für die Einrichtung und Ausstattung der Lern- und Leseecken spenden. Dazu stehen in viele Buchhandlungen Spendenboxen bereit. Darüber hinaus machen Buchhändlerinnen und Buchhändler die Geschichten von Menschen auf der Flucht zum Thema. Unter dem Motto „Fremd in der Fremde – 1001 Lebensgeschichten“ organisieren sie zum Beispiel Lesungen von Flüchtlingen und für Flüchtlinge oder präsentieren eine besondere Buchauswahl im Laden.
Angebote auf der Frankfurter Buchmesse für Flüchtlinge
Die Frankfurter Buchmesse stellt in diesem Jahr kostenlose Eintrittskarten für Flüchtlinge zur Verfügung. LitCam betreut die Verteilung an interessierte Flüchtlinge durch eine enge Kooperation mit Flüchtlingsprojekten im Rhein-Main-Gebiet. Die Eintrittskarten gelten für den Sonntag, 18. Oktober 2015.
Auf der Messe wird es für Flüchtlinge einen „Welcome Place“ geben. Zudem finden zwei Veranstaltungen statt, die auf die größten Zielgruppen sprachlich und thematisch zugeschnitten sind. Es sind Führungen für einzelne Gruppen geplant, bei denen auch Stände von Verlagen aus den entsprechenden Regionen besucht werden können. Das Programm wird den kooperierenden Flüchtlingsprojekten frühzeitig vor der Messe übermittelt.
(red, 9.9.2015)