Im Alltagsleben eignen sich öffentliche Bücherschränke in Einkaufszentren, wie oben bereits an dem Beispiel aus Italien. Besonders ansprechend sind sie vom Management des ZO-Einkaufszentrums in Freiburg gestaltet . Dieses hat dafür gesorgt, dass stabile Regale aufgestellt, dass der Bodenbereich eigens mit goldgelber Schrift und mit aufgebrachten Buchmotiven die Aufmerksamkeit der Einkaufenden auf die Buchregale lenkt und dass einige Regeln für die Benutzung des Bereichs gut sichtbar formuliert wurden: kostenlose Mitnahme; bitte nicht mehr als zwei Bücher mitnehmen, Verzehr von Speisen und Getränken ist untersagt.
Die öffentlichen Bücherregale im ZO umfassen insgesamt 16 Regalmeter, also vergleichsweise viel. Wenn alles belegt wäre, fänden schätzungsweise 300 bis 350 Bücher dort Platz, allerdings klaffen meistens mehr oder weniger große Lücken im Bestand, weil laufend etwas entnommen, aber nicht immer etwas dafür eingestellt wird. Eine Ordnung für die Aufstellung gibt es nicht, alles steht querbeet durcheinander – nicht zuletzt macht dies den Reiz öffentlicher Bücherschränke aus.
Am Beispiel der Bücherschränke im Einkaufzentrum ZO Freiburg soll veranschaulicht werden, welche Genres in vielen öffentlichen Bücherregalen vertreten sind. Dies hängt im Wesentlichen davon ab, wer Literatur dort hinbringt und welche Erwägungen dem wohl zugrunde liegen könnten. Nach eigenen Beobachtungen sind es vielfach Erwachsene ungefähr vom 50. Lebensjahr aufwärts. Sie bringen einerseits Bücher, die vielleicht ihren (mittlerweile verstorbenen) Eltern gehört haben oder die in den eigenen Regalen zu Hause keinen Platz mehr haben, als entbehrlich erscheinen. Jedoch kann unterstellt werden, dass nicht einfach wahllos alles in das öffentliche Bücherregal getan wird, sondern dass mögliche Leseerwartungen durchaus antizipiert werden. Man macht sich also Gedanken über die potenziellen Zielgruppen, zumal es sein könnte, dass man beim Einstellen der Bücher beobachtet wird. Da wäre es unangenehm, wenn irgendwelcher »Schrott« abgelegt würde.
»Eine Gefahr für Öffentliche Bibliotheken stellen sie nicht dar, zumal sie sich eindeutig dem klassischen gedruckten Buch verpflichtet fühlen.«
Auffallend sind die Genres Krimi und Roman, ferner Lexikon und Wörterbuch, aber auch Ratgeber und Reiseführer, Kinder- und Jugendliteratur. Bei den Krimis handelt es sich häufig um Titel aus der schwarzen Taschenbuchreihe von Rowohlt, bei den Romanen sind es zum einen die vor allem den Nachkriegsjahrgängen noch vertrauten damaligen Lieblingswerke der Elterngeneration (Pearl S. Buck, Cronin und so weiter), zum anderen Bücher, die zur Trivialliteratur gerechnet werden (Caldwell, Danella, Fischer, Golon, Heinrich, Konsalik, Noack, Paretti, Pilcher, Robbins und andere). Aber auch Werke der Klassik (Fontane, Goethe, Schiller…) und der klassischen Moderne (Cormack McCarthy, Faulkner, Hemingway, Pasternak, Remarque, Stevenson, Traven und andere) beziehungsweise der Gegenwartsliteratur (Allende, Gordimer, Vargas Llosa…) mischen sich munter unter die Regalbestände im ZO. Daneben sind Kinder- und Jugendbücher (zum Beispiel Onkel Toms Hütte, die Heidi-Romane von Johanna Spyri, die vielgelesenen Jugendbücher von Enid Blyton), Reisebücher, Lexika, Sprachwörterbücher, Ratgeber für Gesundheit und Ernährung, auch für den Garten, religiöses und erbauliches Schrifttum, Geschichtswerke, politische Darstellungen (vor allem Biografien, beispielsweise zu Brandt und Wehner, aber auch Jahresbände der weißen Chronik-Reihe) und Bände der seinerzeit beliebten Reader’s Digest-Reihe vertreten.
Da nicht alle Menschen, die etwas in ein öffentliches Bücherregal stellen, über ausgeprägte Kenntnisse bezüglich des Werts von Büchern verfügen, können manchmal erstaunliche Funde gemacht werden. Der Verfasser selbst fand in einem öffentlichen Bücherregal kürzlich eine tadellose Ausgabe von Klaus Groths »Quickborn« in der Ausgabe von 1873 mit den wunderbaren plattdeutschen Gedichten, die ihm als geborenem Dithmarscher besonders viel bedeuten. So etwas muss man im äußersten Südwesten erst einmal finden – das öffentliche Bücherregal und die dort herrschenden glücklichen Zufälle machen es möglich.