Aus dem Archiv: Die Deutsche Digitale Bibliothek hat ein neues Webportal. BuB stellt die Bibliothek, ihre Angebote und die neue Webseite vor.
In den vergangenen drei Jahren hat sich die Digitalisierung vieler Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland weiter beschleunigt. Big Data, künstliche Intelligenz und die Frage, wie der öffentliche Sektor diese Prozesse mitgestalten kann, sind derzeit in aller Munde. Die Covid-19-Pandemie und die damit einhergehenden massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens haben Praktiken digitaler Kulturvermittlung maßgeblich verändert. Dabei knüpft die derzeitige Debatte an Erfahrungen und Entwicklungen der letzten Jahrzehnte an, in denen viele Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge sich umfassend digital transformiert haben. Gerade das Bibliothekswesen war hier immer Vorreiter, um mit digitalen Mitteln Menschen schnellen, freien und einfachen Zugang zu Wissen und Kultur ermöglichen zu können. Eine zentrale Institution in diesem Bereich ist die Deutsche Digitale Bibliothek.
Die Deutsche Digitale Bibliothek wurde bereits 2009 gegründet, vom Bund und den 16 Ländern gemeinsam finanziert, verfolgt sie das Ziel, das digitale Kulturerbe Deutschlands zu vernetzten und über ein zentrales Portal frei und kostenlos zugänglich zu machen. So wurde im letzten Jahrzehnt eine Dateninfrastruktur aufgebaut, die digitale Bestände von mehr als 700 Kultur- und Wissenseinrichtungen vernetzt. Bis heute sind bereits über 45 Millionen Kulturobjekte über ein zentrales Online-Portal durchsuch- und auffindbar – und werden in der Europeana auf gesamteuropäischer Ebene mit den Kultur- und Wissenserbebeständen der europäischen Mitgliedstaaten verknüpft.
Drei Subportale runden das Angebot der Deutschen Digitalen Bibliothek spartenspezifisch ab: Seit 2015 präsentiert das Archivportal-D digitalisiertes Archivgut und Informationen zu Archiven in Deutschland. 2021 veröffentlichte die Deutsche Digitale Bibliothek das Deutsche Zeitungsportal und bietet darin Recherchemöglichkeiten in Millionen von Zeitungsseiten aus 400 Jahren deutscher Geschichte. Das Portal Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, ebenfalls 2021 auf Initiative von Bund, Ländern und Kommunen veröffentlicht, schafft Transparenz über Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in deutschen Kultur- und Wissenseinrichtungen.
Seit einigen Jahren konzentriert sich die Arbeit der Deutschen Digitalen Bibliothek neben dem Ausbau der Dateninfrastruktur verstärkt auch auf den Bereich der (Kultur-)Vermittlung. So soll die Nutzbarkeit und Attraktivität des Angebots für verschiedene Zielgruppen stetig verbessert werden. Hierfür wurde zwischen 2020 und 2023 das Projekt »Nutzerorientierte Neustrukturierung der Deutschen Digitalen Bibliothek« umgesetzt, das im Rahmen des Neustart Kultur-Förderprogramms von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien finanziert wurde. Im Zuge des Projektes wurde das Webportal der Deutschen Digitalen Bibliothek grundlegend überarbeitet. Im Mai 2023 ging das neue Portal der Deutschen Digitalen Bibliothek online. Im nachfolgenden Beitrag stellen wir die Deutsche Digitale Bibliothek und ihre aktuelle Perspektive vor.
Kulturerbe für alle – die Entstehung und Realisierung einer Idee
Bücher, Archivalien, Manuskripte, Kunstwerke, Musikstücke und vieles mehr – die Deutsche Digitale Bibliothek ermöglicht über das Internet direkten und kostenlosen Zugang zu digitalisierten Kulturgütern aus deutschen Kultur- und Wissenseinrichtungen. Dabei zeichnet sie sich besonders durch ihren spartenübergreifenden und im besten Sinne des Wortes generalistischen Charakter aus.
Gegründet wurde die Deutsche Digitale Bibliothek im Jahr 2009 als ein von Bund, Ländern und Kommunen gefördertes Gemeinschaftsprojekt. Ausgangspunkt war die Initiative der Europäischen Kommission, in einer zentralen Plattform das digitalisierte Kultur- und Wissenserbe der Mitgliedsstaaten zu bündeln. Im Zuge dessen wurde – dem Subsidiaritätsprinzip folgend – die Deutsche Digitale Bibliothek ins Leben gerufen, die kulturelles Erbe Deutschlands digital verfügbar macht. Nach dem Launch der Beta-Version 2012 wurde 2014 die Vollversion online gestellt. Seither ist die Deutsche Digitale Bibliothek stetig gewachsen, hat sich weiterentwickelt und in zahlreichen, breit gefächerten Gremien und Arbeitsgruppen ihre erlangte Expertise im Bereich der Kulturgutdigitalisierung eingebracht. Für die Europeana fungiert die Deutsche Digitale Bibliothek als nationaler Aggregator und gibt in dieser Funktion Daten aus deutschen Kultur- und Wissenseinrichtungen für die Kontextualisierung auf europäischer Ebene weiter.
Wie aber werden die Bestände und Sammlungen praktisch in der Deutschen Digitalen Bibliothek sichtbar? Die Digitalisierung der Objekte selbst – ebenso wie die Erstellung der Metadaten und Rechteangaben – übernehmen die Museen, Bibliotheken, Mediatheken, Archive, Denkmalpflege- und Forschungseinrichtungen eigenständig. Anschließend teilen die Institutionen als Partner ihre Daten mit der Deutschen Digitalen Bibliothek, die diese im Prozess der Datenlieferung umfassend unterstützt. Derzeit sind bereits über 700 Kultur- und Wissenseinrichtungen deutschlandweit Datenpartner der Deutschen Digitalen Bibliothek und machen ihre Bestände so über das Portal zentral und über die Europeana auch international zugänglich und durchsuchbar.
Um den einzelnen Kultursparten fachorientierte Unterstützung bei der Datenlieferung zu geben, sind bei der Deutschen Digitalen Bibliothek spartenspezifische Fachstellen eingerichtet. Aktuell existieren insgesamt sieben Fachstellen (Bibliothek, Archiv, Museum, Denkmalpflege, Mediathek-Film, Mediathek-Foto, Mediathek-Ton). Grundsätzlich sind alle Kultur- und Wissenseinrichtungen in Deutschland eingeladen, Datenpartner der Deutschen Digitalen Bibliothek zu werden. Gerade die regionale und institutionelle Vielfalt und die Mischung zwischen kleineren und größeren Häusern birgt großes Potenzial.
Neben dem Ausbau des Netzwerkes der Datenpartner und der Verbesserung der Metadaten und technischer Funktionen konzentriert sich die Arbeit der Deutschen Digitalen Bibliothek auch auf den Bereich der (Kultur-)Vermittlung. Wie nutzen Menschen – privat oder beruflich – die Deutsche Digitale Bibliothek? Welche Interessen und Anforderungen bringen sie mit? Um den Bedürfnissen der Nutzer/-innen besser gerecht zu werden, entwickelt die Deutsche Digitale Bibliothek permanent ihr Angebot weiter, damit ihre Nutzer/-innen die vielfältigen und umfassenden Bestände besser kontextualisieren und interessengeleitet erfahren können.
Auch die Partnerinstitutionen erhalten mit dem kostenlosen digitalen Tool DDBstudio die Möglichkeit, selbst virtuelle Ausstellungen zu kuratieren und über die Deutsche Digitale Bibliothek zugänglich zu machen. Damit können sie die Sichtbarkeit ihrer eigenen Bestände im digitalen Raum erweitern und neue Zusammenhänge schaffen. Derzeit präsentieren so über 80 registrierte Institutionen rund 200 virtuelle Ausstellungen, darunter auch viele Bibliotheken.
Die nutzerorientierte Neustrukturierung der Deutschen Digitalen Bibliothek
Sammeln, Bewahren, Forschen, Präsentieren – dies sind die vier großen Aufgaben, die (fast) allen Kultur- und Wissenseinrichtungen in unterschiedlicher Ausprägung gemein sind, manchmal jedoch im Konflikt zueinander stehen.1 Dies trifft auch auf Einrichtungen zu, die sich digitalisiertem Kulturerbe widmen, wobei Digitalität die Möglichkeiten des Erlebens, der Untersuchung und Erforschung des kulturellen Erbes verändert.2
Besonders frei zugängliche digitale Formate sind für alle möglichen Nutzer/-innen niedrigschwellig und unabhängig von Ort und Zeit verfügbar. Bei der Konzeption solcher Angebote gilt es, den Interessen und Bedürfnissen der einzelnen Zielgruppen Rechnung zu tragen: Lehrer/-innen haben andere Bedarfe als Kulturschaffende, Familienforscher/-innen andere Interessen als professionelle Wissenschaftler/-innen. So steht die Deutsche Digitale Bibliothek mit ihrem spartenübergreifenden Ansatz permanent vor der Aufgabe, das eigene Angebot und die Nutzungsmöglichkeiten des Portals entlang der Bedürfnisse ihrer Nutzer/-innen weiterzuentwickeln.
Im Jahr 2020 wurde mit diesem Ziel das Projekt »Nutzerorientierte Neustrukturierung der Deutschen Digitalen Bibliothek« initiiert. Gefördert von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien mit Mitteln aus dem Neustart Kultur-Programm, zielt das Projekt darauf, das Nutzungserlebnis der Deutschen Digitalen Bibliothek für alle Nutzer/-innengruppen zu verbessern und intuitiv auf unterschiedliche Bedürfnisse abgestimmt zu gestalten. Die vier zentralen Zielgruppen der Deutschen Bibliothek sind Lehrer/-innen, Forscher/-innen, Kulturvermittler/-innen sowie die kulturinteressierte Öffentlichkeit. Mit Vertreterinnen und Vertretern dieser Zielgruppen wurden im Rahmen des Projektes zielgruppenspezifische Nutzerstudien und Usability-Tests des Webportals durchgeführt.
Aus den eruierten Anforderungen der verschiedenen Nutzer/-innengruppen ergaben sich Handlungsaufträge für die Neugestaltung des Portals, die im Projekt umgesetzt wurden. So wird die Suchfunktion grundlegend überarbeitet: Zu nennen sind hier beispielhaft neue Navigationswege, neue beziehungsweise weiterentwickelte Filtermöglichkeiten, simultane Filtersetzung oder Suchmöglichkeiten für redaktionelle Inhalte des Webportals. Ebenso wurde das Web- und Navigationsdesign des Portals grundlegend überarbeitet.
Des Weiteren werden die narrativen und themengeleiteten Sucheinstiege und Angebote des Webportals ausgebaut. Dies erfolgt etwa über kuratierte Dossiers, die mit Artikeln, Bildergalerien, Spielen und virtuellen Ausstellungen den Einstieg in das Portal attraktiv gestalten und themenbezogen die Vielfalt an Beständen in der Deutschen Digitalen Bibliothek präsentieren. So eröffnet sich den Nutzerinnen und Nutzern ein niederschwelliger Überblick über die breitgefächerten Kulturgüter, die in der Deutschen Digitalen Bibliothek verfüg- und erlebbar sind. Gleichzeitig verschaffen sie den Datenpartnern eine größere Sichtbarkeit ihrer Daten und Ausstellungen.
Neben der nutzer/-innenorientierten Neugestaltung des Portals werden im Rahmen des Projektes auch Kooperationen mit Partnerinstitutionen vorangetrieben, die eine Nutzung und Nachnutzung der Daten über die Deutsche Digitale Bibliothek hinaus ermöglichen – etwa durch Lernplattformen, auf denen Lernende und Lehrende direkt mit den digitalisierten Kulturobjekten aus den Beständen der Deutschen Digitalen Bibliothek arbeiten können.
Um die Angebotsvielfalt der Deutschen Digitalen Bibliothek zu erhöhen und die im Portal präsentierten Bestände zu diversifizieren, wurden im Rahmen des aus Bundesmitteln geförderten Projektes »Nutzerorientierte Neustrukturierung der Deutschen Digitalen Bibliothek« Digitalisierungsvorhaben von Kultur- und Wissenseinrichtungen gefördert. Deutschlandweit haben mithilfe dieser Förderung insgesamt 60 Einrichtungen über 500.000 hochwertige Digitalisate von Kulturobjekten produziert und in die Deutsche Digitale Bibliothek eingebracht. Dabei wurden hochauflösende Fotos angefertigt, die die Nutzungsqualität im digitalen Raum signifikant erhöhen. Bibliotheken haben nach Museen und Archiven am häufigsten von dieser zielgerichteten Digitalisierungsförderung profitiert.
Durch das Projekt »Nutzerorientierte Neustrukturierung der Deutschen Digitalen Bibliothek« konnten das Webportal und die Suchfunktionen der Deutschen Digitalen Bibliothek neu und zukunftsweisend aufgestellt werden, um so den Nutzerinnen und Nutzern ein zeitgemäßes und an ihren Bedarfen und Interessen ausgerichtetes Angebot zu bieten.
Relaunch der Deutschen Digitalen Bibliothek und Perspektiven
Im Mai 2023 ist das neugestaltete Portal online gegangen – dies war ein wichtiger Schritt für die Weiterentwicklung der Deutschen Digitalen Bibliothek als zentrale Plattform für digitales Kulturerbe in Deutschland. In den kommenden Jahren werden weitere Schritte folgen müssen, um ihr Angebot permanent weiterzuentwickeln und auf dem Stand der Zeit zu halten.
Im Umfeld einer sich immer weiter digitalisierenden Gesellschaft bedarf es neuer Ansätze und Formate, um digitale Kulturgüter aus Bibliotheken, Museen, Mediatheken, Archiven und Denkmalpflege- und Forschungseinrichtungen spartenübergreifend und über einen zentralen Zugang für eine breite Öffentlichkeit attraktiv und leicht nutzbar zu machen.
Neben dem Ausbau des Netzwerkes der Datenpartner und der konsequenten Erweiterung der verfügbaren Bestände an digitalen Kulturobjekten, wird es in den kommenden Jahren auch darum gehen, die zielgruppenspezifischen Angebote der Deutschen Digitalen Bibliothek aufrechtzuerhalten, zu evaluieren und beständig weiterzuentwickeln. Ziel ist es, den einzelnen Nutzungsgruppen zu ermöglichen, fokussiert und effizient in den für sie relevanten Daten zu recherchieren und diese variabel und rechtssicher für ihre Zwecke nutzen zu können. Möglichkeiten hierfür finden sich beispielsweise in der Einbeziehung von Citizen Science, in der Entwicklung von zielgruppenspezifischen Tools für die schulische und universitäre Lehre oder in der Etablierung weiterer Subportale, die die Bedarfe neuer Zielgruppen widerspiegeln.
Dafür ist der Gedanke der Vernetzung und des Dialogs mit den Datenpartnern essenziell, damit weitere neue Einrichtungen ihre digitalen Kulturdaten mit der Deutschen Digitalen Bibliothek teilen und so der Öffentlichkeit auch über diesen Weg zur Verfügung stellen. Ob Öffentliche oder Wissenschaftliche Bibliothek, Universal-, Spezialbibliothek oder One-Person-Library – für den Bereich Bibliothekswesen ist die Fachstelle Bibliothek an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und an der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main Ansprechpartnerin für alle Fragen.
1 Biedermann, Bernadette: The Potentials of the Digital Cultural Heritage: A Best Practice Example of Presentation and Use. The Digital Representation of the Hans Gross Kriminalmuseum, in: Kremers, H. (2020): Digital Cultural Heritage. Berlin: Springer, S. 195-207 2 Siehe hierzu auch: Diaria, Filippo: Cultural Heritage Digital Data: Future and Ethics, in: Kremers, H. (2020): Digital Cultural Heritage. Berlin: Springer, S. 303-314
Julia Spohr leitet als promovierte Zeithistorikerin die Geschäftsstelle der Deutschen Digitalen Bibliothek in Berlin. Zuvor war sie stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft.
Martin Breuer ist promovierter Historiker und hat sich auf Wissenschafts- und Projektmanagement spezialisiert. Derzeit koordiniert er das Projekt »Nutzerorientierte Neustrukturierung der Deutschen Digitalen Bibliothek«.
Lena Hennewig ist promovierte Kunsthistorikerin mit einem Arbeitsschwerpunkt in der Kunst- und Kulturvermittlung. Im Projekt »Nutzerorientierte Neustrukturierung der Deutschen Digitalen Bibliothek« ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Schulen und Hochschulen zuständig.