Zwischen Babysitterersatz und Leseförderung: E-Book, Apps und Co

Girl with her little brother fun using a digital tablet computer
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Im vierten Quartal 2013 hat Apple rund 26 Millionen iPads verkauft; wenn wir die anderen Anbieter Samsung, Amazon, Asus und so weiter dazu nehmen, sind in die-sem letzten Vierteljahr 77 Millionen Menschen Besitzer eines Tablets geworden. In Deutschland waren es 803 000 Tablets (395 000 Samsung, 279 000 Apple, 95 000 Asus und so weiter) – so viele E-Reader sind hierzulande im gesamten letzten Jahr nicht verkauft worden. Die Zukunft liegt ziemlich klar bei den multifunktionalen Tablets, weil sie internetfähig sind.

 

Für Jugendliche gehören Social-Media-Aktivitäten zum Alltag, 72 Prozent der deutschen Teenager besitzen ein Smartphone. Einkommen und Bildungsstand scheinen bei der Anschaffung keine große Rolle zu spielen: Nach einer Studie des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen vom Oktober 2012 haben Familien mit formal niedriger Bildung genauso häufig Tablets im Haushalt wie Familien mit formal hoher Bildung. Jede siebte Familie nutzt danach bereits Kinderbuch-Apps und Bilderbuch-Apps, und bei den Familien mit Tablets sogar jede dritte. Insgesamt 87 Prozent der befragten Eltern haben sich schon einmal mit ihrem Kind eine solche Buch-App angeschaut, 18 Prozent von ihnen tun es sogar mehrmals in der Woche.

 

[caption id="attachment_2421" align="alignleft" width="300"]Schulkinder mit Tablet In der Schule hat das Tablet Einzug gehalten: Schulbücher können in digitaler Form geladen und mit Apps und eigenen Texten der Lehrer wie der Schüler kombiniert werden, und sie sind über eine Cloud jederzeit zu Hause wie im Unterricht samt Arbeitsblättern abrufbar. Foto: Tyler Olson – Fotolia.com[/caption]

 

Auch die Schule ist inzwischen kein Tablet-freier Raum mehr. Schulbücher können in digitaler Form geladen und mit Apps und eigenen Texten der Lehrer wie der Schüler kombiniert werden, und sie sind über eine Cloud jederzeit zu Hause wie im Unterricht samt Arbeitsblättern abrufbar.

 

Wir sind relativ schnell dabei, die Veränderungen, die sich durch das digitale Lesen ergeben, als Vorstufe zum Untergang des Abendlandes zu sehen. Ein Rückblick zeigt uns jedoch, dass bis zum 19. Jahrhundert Lesen sehr stark mit dem Ziel des Wissenserwerbs verbunden war, bis dann Lektüre auch einfach nur Fiktion sein durfte, Romane, geschrieben für und gelesen von einem weiblichen Publikum. Das lineare und ausdauernde Lesen als Lesehaltung ist erst um 1800 entstanden.

 

Diese gut 200 Jahre alte Variante des Buchs als belletristisches Unterhaltungsme-dium nimmt seit Jahren ab, die Mehrzahl der Heranwachsenden sieht heute das Buch als Informations- und Bildungsmedium. Aber auch im Sachbuch hat es das Buch schwerer: Wo früher Lexika und Wissenswerke genutzt wurden, wird heute im Internet gegoogelt. Das dortige Surfen, die inzwischen alltägliche Beschäftigung mit dem Computer verändert natürlich das Leseverhalten, es wird mehr im Modus des Zappens, Switchens und Zoomens gelesen.

Hohe Lesekompetenz unabdingbar

Welche Unterschiede gibt es zwischen dem gewohnten linearen Lesen und dem digita-len Lesen? Zunächst einmal erfolgt die Informationsaufnahme aufgrund der Struktur von Tablets und Smartphones nicht mehr kontinuierlich nacheinander, sondern gleichzeitig: Dutzende von Informationshäppchen mit Links befinden sich in übereinander und nebeneinander angeordneten Frames (Kacheln). Das bedeutet, dass die Leser sich den roten Faden und sämtliche Zusammenhänge selbst suchen müssen, während sie früher vom Autor mithilfe seiner Satzstrukturen geleitet wurden.

 

In Blickbewegungstudien zeigt sich, dass die Bildschirmtexte nach dem Schema des Buchstabens F gescannt werden: Zunächst werden zwei horizontale Textzeilen gelesen, dann rutscht der Blick tiefer und nimmt noch zwei horizontale Zeilen mit, bevor er erneut abrutscht. Stecken also in den ersten zwei Zeilen keine neugierig ma-chenden Schlüsselwörter, wird weitergeblättert, wobei diese Scan-Technik absolut wichtig ist, um aus der Informationsmasse das Relevante überhaupt herausziehen zu können. Selten bleibt ein Nutzer länger als 20 Sekunden auf einer Website – dann wird sofort weitergeklickt. Hyperlinks führen zu neuen Seiten.

 

Das Lesen solcher Hypertexte ist entschieden anstrengender und erfordert größere Lesekompetenz als das lineare Lesen im Buch, denn es müssen während des Lesens ja permanent Entscheidungen getroffen werden. Die These von der Multitas-kingfähigkeit erweist sich übrigens als falsche Fährte, letztlich geht es hier um die Fähigkeit, rasch zu reagieren.

 

Noch etwas ist anders geworden: Früher war Lesen synonym mit Wissenserwerb verknüpft, heute wird digital gestöbert und gelesen, damit man sich nichts mehr merken muss; alles ist ja jederzeit abrufbar.

 

Ab welchem Alter macht die Beschäftigung mit den digitalen Welten Sinn? Kindliches Lernen und die digitale Revolution passen nicht zusammen, urteilt etwa Professor Dieter F. Braus, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an den Schmidt Kliniken in Wiesbaden: »Die digitalen Medien haben für Kinder im Alter bis zu zwei Jahren nur negative Effekte. Mehr Stimulation hilft hier nicht«, meint Braus. Er belegt mit einer Reihe von Studien, dass übermäßiger Handygebrauch bei Jugendlichen Effekte auf Gehirnfunktionen hat und folgert, dass sämtliche digitalen Aktivitäten bei Kindern supervidiert werden müssten.

 

Auch bei E-Books ist Braus skeptisch: »Gehirne von Kindern profitieren nicht von E-Books. Nur Kinder mit leichten Lesestörungen können aus E-Books Vorteile ziehen, weil man durch größere Abstände zwischen den Buchstaben das Lesen signifikant erleichtern kann.« Er sieht Apps für Kinder bis zum dritten Schuljahr als vollkommen unnötig an und findet sie eher schädlich als nützlich. In der Pubertät könne man dann aber durchaus Kinder dank guter Apps leichter ans Lesen heranführen. »Also: Erste Apps erst ab dem 9. oder 10. Lebensjahr«, fordert Braus.

 

Die digitalen Buchvarianten aber können zu einer Anfangsbegeisterung für Lektüre führen, wie Untersuchungen von vier vergleichbaren Schulklassen zeigen. Die Hälfte der Klassen wurde mit Papierbüchern, die anderen mit E-Readern und E-Books ausgestattet; je 90 Bücher gab’s für die Klassenbibliothek. Das Fazit nach einem Jahr: E-Books senken die Hemmschwelle bei Kindern, denen Lesen bislang fremd war und denen die Dicke eines Buchs Angst gemacht hat: Jetzt erscheint ihnen das Buch erst einmal als beherrschbarer. Dann hat die Nutzung des E-Readers das Lese-Image verbessert, es wurde als weniger altmodisch empfunden.

 

Richten wir kurz noch den Blick auf die Buchtitel, die in der Freizeit heruntergeladen werden. Bei Jahresbestsellern 2013 findet sich bei Amazon bei den E-Books viel Romantik und Erotik, auf Platz 5 Suzanne Collins »Tribute von Panem«, auf Platz 21 Wolfgang Herrndorfs »Tschick«, auf Platz 35 Kerstin Giers »Silber«. Ins-gesamt, so zeigt der Trendreport E-Reading (2012), sind E-Book-Leser Vielleser und weniger Technikfreaks, 60 Prozent sind weiblich, der Altersschwerpunkt liegt bei 40 bis 49 Jahren. Die Studie stellt wenig überraschend fest, dass die E-Book-Leser selektiver lesen, oft nur bestimmte Passagen, auch parallel, und sie lesen Bücher auch seltener zu Ende.

 

Bislang hat, auch wenn die Verlage gerne davon träumen, die Digitalisierung keineswegs dazu geführt, dass Kinder und Jugendliche durch E-Books in nennenswer-ter Zahl zu Lesern werden. Sicher spielen da die Anschaffungskosten für Reader und Tablets eine Rolle, dass die Zielgruppe selten die Geräte und erst recht keine Kreditkarte zum Bezahlen hat, aber eine große von der GfK durchgeführte Studie für den Börsenverein hat auch ergeben, dass der Nachwuchs die Papierbücher und ihre Haptik durchaus schätzt.

 

Hinsichtlich der Formatvorlieben ist signifikant, dass die Hard- und Softcover mit einem Anteil von 77 Prozent nach wie vor dominieren. Unverändert machen die Taschenbücher 19 Prozent aus, die Hörbücher 2 Prozent und die E-Books lediglich 1 Prozent (im Vergleich: Bei der Erwachsenen-Belletristik haben die E-Books einen Anteil von 7 Prozent). Nach dieser aktuellen Studie kann sich nur noch 1 Prozent der Befragten vorstellen, mit Kindern Bilderbücher auf E-Books zu lesen oder auf E-Books vorzulesen. Hinsichtlich der Geschlechter gibt es kaum Unterschiede (Männer 3 Prozent, Frauen 2 Prozent). Und auf welche Studie oder Erhebung wir auch schauen, fast immer zeigt sich, dass die Lesekompetenz mit der Zahl der Bücher im Haushalt der Eltern korreliert.

Welche Formen finden sich bei den digitalen Kinder- und Jugendbüchern?

Die einfachste Umsetzung des gedruckten Buchs ist die als PDF oder E-Pub, die letzt-lich nicht mehr als die Printversion bietet, wenn man von der Veränderung der Schriftgröße et cetera absieht; die Schrift steht linear.

 

Damit geben sich die Verlage aber nicht zufrieden und reichern die Titel mit Zusätzen an: die enhanced E-Books. Sogenannte Hotspots etwa versuchen, dem Infor-mationsbedürfnis des Lesers entgegenzukommen. Erscheint etwa das Wort »Söldner« in blauer Schrift, erfährt man durch Antippen, was es mit diesem Beruf einst auf sich hatte. Bei einem Videofenster können sie sich die Originalschauplätze eines Romans ansehen, die Autorin erzählt einem in einem Video etwas, es gibt weiterführende Links, eine geografische Karte, einen Flirttest, eine Bastelanleitung – alles ist möglich. »Digitales Lesen ist Slalomfahren durch Kacheln, Links und Fenster und das gleich-zeitige Verarbeiten verschiedener Modi wie Schrift, Bild und Ton, ein Navigieren in unterschiedlichen Richtungen«, konstatiert der Leseexperte Gerhard Falschlehner.

 

Bei Patrick Ness’ »Sieben Minuten nach Mitternacht« (cbj) kann der E-Book-Leser etwa an jeder beliebigen Stelle in die Hörbuchversion wechseln und sich die Geschichte von Maria Furtwängler vorlesen lassen. Bei »Pixi feiert Ostern« (Carlsen) ist das gerade vorgelesene Wort farblich hervorgehoben, was das Mitlesen für ABC-Schützen erleichtert. Bei den Gutenachtgeschichten »Bitte noch eine!« (arsEdition) können Kinder mit einem animierten Geschichtenrad vier Vignetten auswählen und bestimmen, welche der 100 Geschichten sie betrachten und lesen respektive hören wollen, an deren Ende sie eine Einschlafmelodie erwartet. Bei dem bei Schneiderbuch erschienenen, mit Rätseln und Suchbildern angereicherten »Tiger Team«-Band ist der Leser das vierte Mitglied des Tiger Teams: In die Handlung integriert, sucht er nach Hinweisen und Verdächtigen. Auch im Sachbuchbereich wird mit vielen Zusatzelementen gearbeitet: Gut möglich, dass Verlage hier nur noch digital produzie-ren und sich die Jury des Deutschen Jugendliteraturpreises demnächst mit enhanced E-Books und Apps befassen muss.

 

Dann gibt es die interaktiven E-Books und Apps mit animierten Erzählelementen. Die App »Narr8« etwa beinhaltet zwölf Science-Fiction- und Fantasy-Comic-Serien mit animierten Bildteilen; anders als in einer gedruckten Comic-Form, wo das Auge des Betrachters von Panel zu Panel springt, kann der Leser hier durch eine Veränderung des Bildausschnitts den Fokus auf andere Personen lenken. Ebenso gibt es alternative Enden einer Geschichte.

 

Diese Änderungen sind auch bei den Sequentials möglich, den Texten, die mit Fortsetzungen arbeiten. Man sieht: Das Prinzip ist keineswegs neu. Bastei Lübbe ist dabei, ein Online-Abo-System zu entwickeln, Carlsen hat im Herbst eine »Digital Soap« veröffentlicht, bei der die Jugendlichen im iBookstore jede Woche eine neue Episode für 99 Cent herunterladen konnten. Hördateien, Videos und Animationen gehören hier unabdingbar zur Handlung, Dialoge sind im Video zu sehen und hören, an den Kapitelenden führen Links zum Social Reading Stream auf der Internet-Plattform lovelybooks, wo sich die Leser mit der Community und auch mit der Autorin Mareike Hermes über ihre Eindrücke zum gerade gelesenen Kapitel austauschen konnten.

 

Es gibt auch Fortsetzungsromane, bislang im Erwachsenenbereich, bei denen Autor und Leser in einer Interaktion stehen: Manche Schriftsteller suchen geradezu das Feedback ihrer Leser und schreiben »offen«. Es hat bislang zwar immer wieder Kinder- und Jugendbücher gegeben wie Gerit Kopietz und Jörg Sommers »Z.A.P«-Band »Der Ferrari des Schreckens« (Kerle), wo sich der Leser zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden konnte, wie es weitergeht. Beim »Kleinen Raben Socke« (Esslinger) für iPad und iPhone kann das Kind interaktiv steuern: »So kann im Regisseur-Modus der kleine Leser dafür sorgen, dass die Figuren sich nach seiner Fasson verhalten und ihre Texte sprechen«, wird geworben. Im digitalen Bereich kommt hier nun eine neue inhaltliche Dimension dazu: Die Netzcommunity entscheidet, wie der Autor weiterschreibt. Damit ändern sich die Bedingungen des Schreibens.

 

Mit den elektronischen Lesegeräten sind aber auch Eingriffe in Texte möglich geworden, bei denen dem Leser gar nicht klar ist, dass er mitentscheidet. Denn der Leser wird beobachtet: Jeder unterstrichene Satz, jede achtlos übersprungene Seite kann der E-Reader festhalten und online an die Hersteller senden. So kann Amazon via Kindle einen riesigen Datenschatz sammeln, hat mit Amazon Publishing in den USA bereits einen eigenen Verlag und soll Headhuntern zufolge auch in Deutschland ein Lektorat aufbauen, um als Verlag eigene Bücher herauszugeben. Vorstellbar auch, dass die Gerätehersteller ihre Informationen weitergeben und verkaufen. Mit diesen Informationen lässt sich arbeiten. Überblättern beispielsweise die Leser mehrheitlich die ersten drei Absätze des zweiten Kapitels in einem Roman oder steigen gar an dieser Stelle aus, wird vermutlich der Druck in den Lektoraten steigen, daraus entsprechende Konsequenzen zu ziehen und den Autor zu inhaltlichen wie stilistischen Veränderungen aufzufordern. So können Bücher »nach Maß« entstehen, Literatur wird veränderbarer werden.

 

[caption id="attachment_2425" align="alignright" width="300"]Mädchen und kleinem Bruder bentuezn einen Tabletcomputer Wimmelbilderbücher eignen sich par excellence als App: Nun können die Kinder gleich mit dem Finger auf der Tablet-Glasscheibe die Fehler markieren und erfahren, ob sie richtig oder falsch gelegen haben. Foto: Vladimir Mucibabic – Fotolia.com[/caption]

 

Im Kinder- und Jugendbuchbereich aktuell noch nicht angeboten werden die E-Books mit Textversionen. Aber es wird vermutlich nur eine Frage der Zeit sein, bis einige Eltern von Roman X eine Version mit weniger brutaler Gewalt oder weniger explizit beschriebenen sexuellen Handlungen bevorzugen; entsprechende Passagen verschwinden dann beim Herunterladen auf Knopfdruck. So wie bei der App »Wunderwimmelbuch – Meine Tiere« (Wonderkind) das Geräusch des pupsenden Ferkels mit dem Button »Pupsschwein An/Aus« deaktiviert werden kann.

 

Bei Büchern, die nur digital erscheinen, wird vor allem die kurze, den Online-Welten entsprechende Häppchen-Form geschätzt. »Der Trend geht dahin, dass Inhalte schneller konsumiert werden«, erkennt Christoph Gondrom vom Loewe Verlag. »E-Novelas« oder »E-Shorts« sollen Aufmerksamkeit im Online-Bereich schaffen, und Loewe bietet seit Herbst 2013 ein solches Format unter anderem von Autorin Jennifer Benkau an – die ersten zwei Wochen lang kostenlos, damit das Buch im Ranking wahrnehmbar nach oben steigt, anschließend für 99 Cent.

Die App als rudimentäres Buch?

Kommen wir schließlich zu den Apps, bei denen man sich mehrheitlich fragen muss, ob es sich noch um rudimentäre Bücher handelt. Gamification heißt das Zauberwort, mit dem Buchinhalte nach möglichen Spielideen abgeklopft und der Spieltrieb und das Sammeln nach Punkten, nach Belohnung weidlich genutzt werden. All das, was die Hybrid-Produkte um tiptoi und Ting auch können, wird hier via Touchscreen perfektioniert. Wimmelbilderbücher eignen sich par excellence als App, ob Barbara Scholz’ »Verflixt, hier stimmt was nicht« (Thienemann) oder Ralf Butschkows »Wim-melbuch« (Bastei Lübbe). Nun kann man gleich mit dem Finger auf der Tablet-Glasscheibe die Fehler markieren und erfährt, ob man richtig oder falsch gelegen hat.

 

Das Pixi-Buch »Die Sache mit dem Wackelzahn« bietet Geräusche, Animationen, ein Bilderpuzzle, Basteltipps und eine Tonspur, auf der Kinder und Erwachsene eine eigene Geschichte aufnehmen können.

 

Bei Ravensburger kann man Sofie und einen Roboter auf ihrer Suche nach dem »Verlorenen Herzen« begleiten, mit Hintergrundmusik, Rätseln, Puzzles, Animationen. Mit den Fingern wischt man die Seiten vor oder zurück, durch Antippen kann der Text auch im Selbstlesemenü zum Klingen gebracht werden, durch Antippen von Gegenständen hört man entsprechende Geräusche oder sieht Aktionen: Aus dem Toaster hüpft dann eine Weißbrotscheibe und so weiter. Für jede der 20 Seiten gibt es ein eigenes Puzzle. Ein rotes Herz am Bildschirmrand führt zum Inhaltsverzeichnis zurück.

 

Grundsätzlich ist alles möglich, die Aktivitäten in der App richten sich nach den Entwicklungskosten, die im allergünstigsten Fall mit 15 000 Euro anzusetzen sind. 73 Prozent der befragten Eltern in der eingangs zitierten Vorlesestudie der Stiftung Lesen schätzen denn auch wie ihre Kinder die »Animationen, Geräusche, Musik, integrierten Spiele« und dass ihr Kind »aktiv sein, auf dem Display drücken, wischen, das Gerät schütteln kann«. »Bei der App ist er neugieriger, was als nächstes kommt, was für Animationen es gibt und welche Spiele er spielen kann. Auch kann er nicht so schnell Seiten überspringen«, wird der 39-jährige Vater eines Achtjährigen zitiert. Ob die Animationen zum Text hinführen und abwechslungsreiches Beiwerk sind oder ob die Spielelemente nicht das eigentliche Zugpferd vor einem bedeutungslos gewordenen Text sind, muss bei vielen Apps hinterfragt werden. Ebenso, ob sie zu mehr Lektüre führen.

 

Nach einer Studie von PricewaterhouseCoopers von 2012 verbringt knapp jeder fünfte Befragte zwischen 16 und 29 Jahren mehr Zeit mit Büchern, seit er ein Tablet besitzt. Fast 50 Prozent von ihnen nutzen Hardcover wie Taschenbücher seltener, jeder Dritte liest gedruckte Bücher seltener oder gar nicht mehr, sondern nur noch E-Books. Allerdings wollen 60 Prozent aller Tablet-Nutzer E-Books nur kaufen, wenn sie günstiger sind als die gedruckte Buchversion; dass die technische Aufbereitung wie Bereitstellung des Buchs und das geistige Eigentum auch bezahlt sein wollen, scheint schwer verständlich.

 

Für die Entwicklung des Kindes werden gedruckte Bücher noch für sinnvoller gehalten: Nach einer Untersuchung von Bowker’s Market Research in den USA und Großbritannien bevorzugen 69 Prozent der Eltern von Null- bis Sechsjährigen und 61 Prozent der Eltern von Sieben- bis Zwölfjährigen Bücher in Papierform. Als Hauptgründe geben sie eine Konzentration auf die Buchinhalte und weniger Ablenkung durch andere Inhalte an. Bei den Apps sehen viele die Gefahr, dass sie als »Babysitter« verwendet werden. 67 Prozent der Eltern in der genannten Vorlesestudie der Stiftung Lesen geben als Grund für die App-Nutzung an: »Das Kind kann die Bilder- und Kinderbuch-Apps auch alleine anschauen.«

Stefan Hauck (aus BuB Heft 7-8/2014)

 

 

Dr. Stefan Hauck ist Redakteur beim »Börsenblatt. Wochenmagazin für den Deutschen Buchhandel« und arbeitet dort im Ressort »Sortiment, Kinder- und Jugendbuch«.

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