Köln. Anlässlich des Welttags des Buches und des Urheberrechts haben der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) und die Stadtbibliothek Köln zu einer öffentlichen Fachtagung eingeladen. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Kampagne »Netzwerk Bibliothek« des dbv statt. Zeitgleich wurde die Vollversion der Kampagnen-Website gelauncht. Dort sollen bibliothekarische Angebote und Bildungsprojekte einer breiten Öffentlichkeit noch besser sichtbar gemacht werden. Mehr Informationen unter: http://www.netzwerk-bibliothek.de/
»Wie digital sind Sie?« Mit dieser Frage überrumpelte die Moderatorin Anke Bruns (Westdeutscher Rundfunk) die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung »Bibliotheken vernetzen – analog und digital«.
Auch die einleitenden Grußworte seitens der Veranstalter stellten die Frage, inwieweit die Digitalisierung aller Gesellschaftsbereiche auch in den Bibliotheken angekommen ist. Jagen die Bibliotheken mit vielfältigen digitalen Angeboten nur Trends nach oder besteht ein tatsächlicher Bedarf? Allgemein beobachtet wird eine Veränderung des öffentlichen Nutzens der Bibliotheken: weg vom reinen Wissensarchiv und Buchverleih, hin zum Ideenspeicher, zur Umsetzungplattform, die im ideologie- und kommerzfreien Raum Wege durch die Informationsflut zeigt und den Umgang mit neuen Medien und Technologien schult.
Deshalb widmete sich der Tag mit Impulsvorträgen und Workshops den vielfältigen praktischen Umsetzungsmöglichkeiten digitaler Serviceangebote. Schwerpunkte bildeten dabei die Themen »Digitale Leseförderung«, »Gaming« und »Coding«.
Sigrid Fahrer von der Stiftung Lesen stellte in ihrer Keynote zum Thema »Digitale Leseförderung« statistisch gestützte Thesen auf. Die Internetnutzung bei Kindern und Jugendlichen habe keinen Einfluss auf das Leseverhalten. Im Gegenteil: Analoge und digitale Angebote werden parallel genutzt, und beide erforderten Lesefähigkeit. Lediglich die Lesestrategie sei eine andere: Während das analoge Lesen ein intensives, sich-hineinvertiefendes Lesen darstelle, das gemeinhin mit Lernen, Kultur und Bildung verknüpft werde, gelte das digitale Lesen als »Hyper-Lesen«, das auch eine »Hyper-Attention« erfordere.
Beides müsse geübt werden, am besten unterstützt durch Familie und Bildungsinstitutionen. Digitale Angebote förderten dabei die Lesekompetenz, erforderten aber seitens der Anbieter besondere Anpassung hinsichtlich Zielgruppeneignung, Jugendschutz, Niedrigschwelligkeit, Bedienbarkeit und technischer Stabilität.
Gaming und Coding
In seiner Keynote zum Thema »Gaming« forderte Torben Kohring (Leiter der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW) dazu auf, neue Veranstaltungsformen und Formate im Bereich Gaming zu entwickeln. Denn Games seien kein rein medienpädagogisches Thema, was nur Kinder und Jugendliche betreffe, sondern ein gesellschaftliches. Gaming sei eine neue Kulturform, die verschiedenste Zielgruppen anspreche. Daher müssten Games mehr auf der inhaltlichen Ebene betrachtet werden. Wenn Bibliotheken den Mut haben, in diesem Bereich neue Wege zu gehen, könnten sie eine Leuchtturmfunktion übernehmen.
Soweit waren die meisten der Anwesenden sich noch einig. Leseförderung und Gaming-Angebote als gesellschaftliche Aufgabe und Teile des außerschulischen Zugangs zu Bildung und Kultur: ja. Aber was hat »Coding« damit zu tun? Warum soll nun jeder Programmieren lernen? Ist das nicht wirklich nur ein Nischenthema?
Arzu Uyan, Projektmanagerin bei der Firma 42dp, sieht im Coding ein missverstandenes Konzept. Es gehe eben nicht nur um das Erlernen einer Programmiersprache oder das Aufsetzen einer Software. Vielmehr handele es sich um Methodentraining: Konzepte erstellen, strukturieren, Fehler machen, analysieren und Problemlösungen suchen. Dies seien auch wichtige Bestandteile des lebenslangen Lernens in der Wissensgesellschaft. Methodentraining, das man auch außerhalb der Schule etablieren könne. Und somit natürlich auch in Bibliotheken.
Als Vorreiterin im Bereich digitaler Services gilt die Stadtbibliothek Köln, die unter anderem mit ihrem Makerspace und der digitalen Werkstatt ein breites Angebot entwickelt hat. So konnte man im Anschluss an die Impulsvorträge an Workshop-Tischen mit jeweils einem der drei Schwerpunktthemen einen Blick auf deren praktische Erfahrungen werfen und sich mit anderen Expertinnen und Experten, Kolleginnen und Kollegen austauschen.
Die abschließende Frage »Welche konkreten Vorhaben nehmen Sie heute mit?« war augenscheinlich nicht leicht zu beantworten. Aber im großen Paket an Anregungen und Ideen war sicher für jede/n etwas mit dabei.
(Brigitte Bielinski, Münchner Stadtbibliothek, 19.5.2015)