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Vollelektrisch unterwegs – der BI-BUS ist da

Seit 2019 betreiben die Stadtbibliothek Saarbrücken und französische Partner den grenzüberschreitenden »BI-BUS«. 2022 ging ein neues E-Fahrzeug in Betrieb.
Der BI-BUS ist unterwegs: Seit Ende 2022 wird der Bus dieses Gemeinschaftsprojekt der Stadtbibliothek Saarbrücken und französischen Partnern vollelektrisch betrieben. Die Fahrbibliothek steuert grenzübergreifend Grundschulen im Eurodistrict SaarMoselle. Foto: Stadtbibliothek Saarbrücken
Der BI-BUS ist unterwegs: Seit Ende 2022 wird der Bus dieses Gemeinschaftsprojekt der Stadtbibliothek Saarbrücken und französischen Partnern vollelektrisch betrieben. Die Fahrbibliothek steuert grenzübergreifend Grundschulen im Eurodistrict SaarMoselle. Foto: Stadtbibliothek Saarbrücken

 

Seit 2019 betreiben die Stadtbibliothek Saarbrücken und französische Partner mit Unterstützung von EU-Mitteln den grenzüberschreitenden »BI-BUS«. Die Fahrbibliothek besucht Grundschulen im Eurodistrict SaarMoselle und hat mit ihrem sprachpädagogischen Programm bereits über 12.000 Kinder erreicht. Im Dezember 2022 wurde ein neues vollelektrisches Fahrzeug in Betrieb genommen.

Grenzüberschreitende Projekte, die Förderung europäischer Zusammenarbeit und Pflege der Beziehungen zu Frankreich gehören zur Identität des Saarlandes. So gibt es auf zahlreichen Ebenen Kooperationen und Kontakte zwischen der Landeshauptstadt Saarbrücken und den europäischen Nachbarn. Ende 2018 war die Stadtbibliothek Saarbrücken einem Förderaufruf der Europäischen Union für das Programm »Interreg V A Großregion« aus dem »Europäischen Fonds für regionale Entwicklung« (EFRE) gefolgt, um mit Partnern aus der Grenzregion das Projekt »Der Bi-Bus als Element einer grenzenlosen Stadtgesellschaft der Bibliotheken« (kurz: BI-BUS) umzusetzen.



Das Ziel des Interreg-Projekts bestand darin, eine grenzüberschreitende Fahrbibliothek mit einem deutsch-französischen Sprachlernangebot für Grundschulen zu etablieren (den BI-BUS). Damit sollten die Sprachförderung unterstützt, soziale Inklusion gefördert und Mobilitätshindernisse abgebaut werden. Hierfür war die Anschaffung eines neuen elektrischen Fahrzeugs geplant, das hinsichtlich seiner Ausstattung optimale Bedingungen für die sprach-, lese- und medienpädagogische Programmarbeit bietet und mit seinem grünen Antrieb ein Zeichen für Nachhaltigkeit setzt. Die Abkürzung »BI« in BI-BUS steht dabei für Binational, Bilingual, Bibliobus oder auch Bildung.

Die positive Zusage des Fördergebers erfolgte im Frühjahr 2019. Laufzeit des Projekts waren insgesamt drei Jahre (1. März 2019 bis 31. Dezember 2022). Die Federführung lag bei der Landeshauptstadt Saarbrücken und ihrer Stadtbibliothek. Als finanzielle Partner konnten die drei französischen Gemeindeverbände Forbach Porte de France, Sarreguemines Confluences und Saint-Avold Synergie sowie die Académie Nancy-Metz (Région académique Grand Est) gewonnen werden. Strategisch beteiligten sich die Stadt Forbach, das Departement Moselle, der Eurodistrict SaarMoselle und das Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes. Die Kofinanzierung durch Interreg betrug 60 Prozent der Gesamtkosten, zudem förderte das saarländische Ministerium für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz das Projekt.

Nach Ende der Interreg-Förderung im Dezember 2022 war eine neue Projektträgerschaft erforderlich, um die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingen für die folgenden Jahre zu regeln. Daher wurde zwischen der Landeshauptstadt Saarbrücken und den bisherigen finanziellen Partnern eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, die eine Weiterführung für mindestens fünf Jahre ab 2023 festschreibt.

Von der Konzeption zum E-Bus

Seit 1989 betrieb die Stadtbibliothek Saarbrücken einen Bücherbus, der die Grundschulen der Landeshauptstadt regelmäßig mit Medien versorgte. Das markante gelbe Diesel-Fahrzeug gehörte zu den ältesten Fahrbibliotheken in Deutschland und hatte Generationen von Kindern in Saarbrücken durch ihre Grundschulzeit begleitet. Nach über 30 Jahren im Einsatz zeichnete sich ab, dass der Bus perspektivisch durch einen Neuen ersetzt werden musste.

Im Zuge der Vorbereitungen und Sondierungsgespräche für den Interreg-Antrag fiel die Entscheidung für ein neues Fahrzeug mit Elektroantrieb. Grundlage hierfür war die Auswertung mehrerer Testfahrten, welche eine Machbarkeit im Hinblick auf die zurückzulegenden Strecken, Standzeiten und die jährliche Kilometerleistung bestätigte.



Mit Start des Interreg-Projekts im Frühjahr 2019 wurde der alte Bücherbus der Stadtbibliothek zum BI-BUS und die Planungen für die »grüne« Fahrbibliothek begannen. Die für 2019 geplante Vergabe konnte nicht realisiert werden und verzögerte sich um zwei Jahre. Im Januar 2021 wurde eine europaweite Ausschreibung für das neue Fahrzeug veröffentlicht. Die Federführung für das Verfahren lag beim Zentralen Kommunalen Entsorgungsbetrieb der Landeshauptstadt Saarbrücken (ZKE), der innerstädtisch für alle Fahrzeugbeschaffungen zuständig ist. Zuarbeiten hinsichtlich der technischen und bibliotheksspezifischen Anforderungen erfolgten durch alle am Projekt beteiligten Akteure. Hinsichtlich der Finanzierung bestand die Regelung, dass die Landeshauptstadt Saarbrücken als Eigentümerin 75 Prozent der Beschaffungskosten trägt und sich die französischen Gemeindeverbände zu 25 Prozent an den Kosten beteiligen. 

Nachdem beim ersten Ausschreibungsverfahren kein geeigneter Anbieter gefunden wurde, erfolgte im Sommer 2021 die zweite Ausschreibung – diesmal erfolgreich: Im Herbst 2021 erhielt die Bussparte von Volvo den Zuschlag, die Inneneinrichtung übernahm im Auftrag von Volvo die finnische Firma Kiitokori. Parallel zur Produktion des Chassis wurde die Innenraumgestaltung final abgestimmt. Der Bus sollte ausreichend Raum und die nötige technische Ausstattung zur Durchführung des sprachpädagogischen Programms bieten. Gleichzeitig bestand die Zielsetzung einer hohen Aufenthaltsqualität mit ausreichend Präsentationsflächen und einer ergonomischen Arbeitsplatzumgebung.

Die Lieferzeit für das neue Fahrzeug betrug knapp über ein Jahr. Das Chassis wurde in Breslau gefertigt, der Innenausbau erfolgte in Finnland. Bei zwei Vor-Ort-Terminen in den Werken war Gelegenheit für letzte Nachbesserungen und eine Vorabnahme. Die Lieferung des fertigen und voll ausgestatteten Busses nach Saarbrücken erfolgte Anfang Dezember 2022. Anschließend wurde der Bus vor Ort in Saarbrücken beklebt und am 15. Dezember feierlich der Öffentlichkeit vorgestellt.

Technik und Ausstattung

Schon von außen ist der neue BI-BUS ein echter Blickfang und erzeugt bei seinen Touren begeisterte Aufmerksamkeit. Die Gestaltung ist das Ergebnis eines Pitch-Verfahrens, das parallel zum Produktionsprozess durchgeführt wurde. Durch eine Vollverklebung ist der eigentlich weiße Bus zu einem fahrenden Aushängeschild für das grenzüberschreitende Projekt geworden und lädt zum Eintauchen in fantastische Welten ein. Durchbrochen werden die großflächigen Motive durch französisch-deutsche Schriftzüge, die Lust machen auf einen Bus voller »aventures« (Abenteuer), »connaissances« (Wissen) und »happy-end« (Happy-End).

Beim neuen BI-BUS handelt es sich um ein Modell der Volvo 7900E-Reihe. Mit einer Länge von 12 Metern, einer Breite von 2,55 Metern und einer Höhe von 3,30 Metern ist das Fahrzeug optimal für den Einsatzbereich an Schulen geeignet. Ausgestattet ist der Bus mit fünf Hochleistungs-Lithium-Batterien, die über eine Gesamtkapazität von 470 kWh verfügen. Als Anforderung war im Vorfeld eine Mindestreichweite von 140 Kilometern bei voller Ladung definiert worden, welche der Bus den bisherigen Erfahrungen nach auch erreicht. Geladen wird der Bus jede Nacht über ein CCS-Kabel. Durch ein eingebautes 24V-Ladegerät ist eine 230V-Einspeisung und damit eine Umschaltung auf Landstrom über ein mitgeführtes Verlängerungskabel möglich. Gerade bei längeren Standzeiten trägt diese Option zur Entlastung der Hauptbatterie bei, zum Beispiel bei der Teilnahme an Stadtfesten.



Die Regalkapazitäten im Innenraum wurden im Vergleich zum Vorgänger-Fahrzeug reduziert. Durchschnittlich führt der BI-BUS rund 2.000 Medien mit, wobei Regale nicht voll befüllt werden und ein Fokus auf frontale Medienpräsentation gelegt wird. Hierfür stehen verschiedene Einleger, diverse Schubfächer und ein Medienkarussell zur Verfügung. Zudem gibt es zwei fahrbare Rollregale, um Bestände zügig wechseln zu können. Eine ausklappbare Rampe ermöglicht einen barrierefreien Zugang zum Bus.

Motivisch greift der Innenraum das Thema Nachhaltigkeit auf und orientiert sich an der landschaftlichen Prägung der Großregion. Daher wurden bei der Farbgestaltung Holz- und Naturtöne gewählt. Blickfang in der Mitte ist eine Regalkonstruktion in Form eines Baums, der an eine ähnliche Installation in der Saarbrücker Stadtbibliothek erinnert. Zum Verweilen laden zahlreiche Sitzmöglichkeiten ein: eine Bank in Blumenform, Polsterflächen unter dem Baumregal im Heck des Fahrzeugs und Hocker in Baumstammoptik.

Für die Umsetzung der sprachpädagogischen Formate verfügt der Bus über eine multimediale Ausstattung und Präsentationsmöglichkeiten. Über Beamer und Leinwand lassen sich Bilderbuchkinos durchführen, es gibt eine Soundanlage und über LED-Lichtbänder können unterschiedliche Stimmungen erzeugt werden. Zur Ausstattung gehören zudem ein Tablet-Koffer und eine Spielekonsole.

Viel Wert wurde auf eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung für das BI-BUS-Team gelegt. Zwei höhenverstellbare und im Fahrzeug verteilte Arbeitstische ermöglichen eine komfortable Ausleihverbuchung und können durch Klappelemente für die Durchführung von Animationen erweitert werden. Zwei mobile Boxen zur schnellen Medienrückgabe erleichtern den Ablauf der Klassenbesuche. Zudem ist der BI-BUS mit einer mobilen Toilette ausgestattet und verfügt über einen »Back-Office«-Bereich mit Mini-Küche und Staufächern. Durch den Elektroantrieb hat sich die Lärmbelastung insgesamt wesentlich reduziert, wovon sowohl das BI-BUS-Team als auch die angefahrenen Schulen profitieren.

Programm und Aktivitäten

Der BI-BUS ist außerhalb der Ferien durchgehend unterwegs und besucht an mindestens 180 Fahrtagen Grundschulen auf deutscher und französischer Seite (50:50). Angefahren werden Schulen in Trägerschaft der Landeshauptstadt Saarbrücken und der am Projekt beteiligten drei französischen Gemeindeverbände. In Saarbrücken werden 21 feste Schulstandorte bedient und pro Schuljahr dreimal angefahren. Auf französischer Seite wechseln die Schulen durch das größere Abdeckungsgebiet häufiger. Insgesamt wurden 169 verschiedene Schulen während der dreijährigen Interreg-Laufzeit besucht.

Zu den Anfängen des Projekts: Gerald Schleiwies: Binational, Bilingual, Bildung – der Bi-Bus kommt. 

Beitrag von Deutschlandradio-Kultur zu einem Schulbesuch im Januar 2023: Anke Schaefer: Ein Bus für mehr Verständigung.

Das Kernteam des BI-BUS besteht aus dem Fahrer und zwei Kolleginnen, die für die Konzeption und Durchführung der sogenannten »Animationen« sowie die Ausleihe und den zweisprachigen Bestandsaufbau zuständig sind. Eine der Kolleginnen ist Mitarbeiterin der Stadtbibliothek Saarbrücken, die zweite Kollegin stellen die französischen Gemeindeverbände. Personalkosten für den Busfahrer und Betriebskosten werden aufgeteilt. Sowohl die Stadtbibliothek als auch die Gemeindeverbände stellen jährliche Mittel für Etat und Ausstattung zur Verfügung.

Alle Klassen, die den BI-BUS besuchen, erhalten eine Animation. Die etwa 20-minütigen Einheiten sind bilingual und schaffen einen spielerischen Zugang zur Nachbarsprache. Die Animationen orientieren sich an den Unterrichtsinhalten, dem Sprachniveau und greifen Themen aus der Alltagswirklichkeit der Kinder auf. Bei der Vermittlung werden unterschiedliche Methoden eingesetzt (zum Beispiel Kamishibai, Bilderbuchkino, Apps und Handpuppen). Grundlage ist ein pädagogisches Konzept, das in einer deutsch-französischen Arbeitsgruppe laufend fortgeschrieben wird.

Pädagogische Impulse erhält das Team durch das Centre Transfontalier in Saint-Avold und auch das Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes ist in der Arbeitsgruppe vertreten. Nach den Animationen erkunden die Kinder den Bus, können Medien entleihen oder die Lehrkräfte stellen Medienboxen für den Unterricht zusammen. Durch die außergewöhnliche Gestaltung des Fahrzeugs wird dabei ein Erlebnischarakter geschaffen und ein niedrigschwelliger Bibliotheks- und Medienzugang gefördert. Während der dreijährigen Dauer des Interreg-Projekts gestaltete das BI-BUS-Team über 1.200 Veranstaltungen.

An vielen Grundschulstandorten befinden sich Kindertagesstätten in unmittelbarer Nähe. Da auch von diesen Einrichtungen eine Nachfrage besteht, wird den Kita-Kindern nach Möglichkeit ebenfalls ein Besuch im BI-BUS ermöglicht. Darüber hinaus spielt der BI-BUS eine wichtige Rolle beim Outreach der Stadtbibliothek Saarbrücken. So ist das Fahrzeug regelmäßig bei verschiedenen öffentlichen Anlässen in der Grenzregion präsent, unter anderem beim Altstadtfest Saarbrücken, der Europäischen Kinder- und Jugendbuchmesse und im Saarbrücker Zoo.

Fazit

Der BI-BUS ist eine der ersten vollelektrischen und zudem noch grenzüberschreitenden Fahrbibliotheken in Europa. Damit beschritten alle Projektbeteiligten in vielerlei Hinsicht »Neuland«, konnten auf wenig vergleichbare Erfahrungen zurückgreifen und standen vor administrativen, pädagogischen und technischen Herausforderungen. Hinzu kam, dass die Corona-Pandemie eine regelmäßige Anpassung der Planungen und Aktivitäten erforderlich machte. Dennoch war die Motivation ungebrochen und das Projekt wurde von allen Beteiligten engagiert vorangetrieben. Und es hat sich gelohnt! 

Mit dem BI-BUS wurde nicht »nur« ein neues Fahrzeug beschafft, sondern das mobile Bibliotheksangebot der Stadtbibliothek Saarbrücken neu konzipiert und zukunftsorientiert aufgestellt. Heute ist nicht mehr die Literaturversorgung der Hauptansatz, sondern es sind die sprach-, medien- und lesepädagogischen Angebote. Interkulturelle Zusammenarbeit wird durch das Projekt praktisch gelebt und die Stadtbibliothek Saarbrücken profitiert auf vielen Ebenen durch ihr neues Netzwerk. Der BI-BUS ist echter Bildungspartner – weit über die Grenzen Saarbrückens hinaus.

Philipp Braun – Bibliotheks- und Managementstudium in Leipzig. Anschließend verschiedene Leitungspositionen in Bibliotheken, seit 2021 Leiter der Stadtbibliothek Saarbrücken. (Foto: Stadtbibliothek Saarbrücken)

Christine Ide-Schröder – Ausbildung in der Stadtbibliothek Saarbrücken, danach in unterschiedlichen Funktionen dort tätig. Seit 2011 Abteilungsleiterin für den Bereich Publikumsservices und Benutzungsmanagement, wo auch das BI-BUS-Projekt angesiedelt ist. (Foto: Stadtbibliothek Saarbrücken)

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