Nun sind auch die Bundesländer – der zweitgrößte Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes für Tarifbeschäftigte – auf die uralte Forderung von Gewerkschaften und Berufsverbänden nach »Abschaffung der speziellen Tätigkeitsmerkmale (TM) und stattdessen Eingruppierung von Bibliotheksbeschäftigten nach den sogenannten Allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen« endlich eingegangen.
Bei der diesjährigen Tarifrunde mit der TdL, der »Tarifgemeinschaft deutscher Länder« (sie vertritt alle Länder außer Hessen, dazu später mehr), wurde am 2. März 2019 vereinbart, dass ab 1. Januar 2020 für Bibliotheksbeschäftigte Teil I der Entgeltordnung »Anwendung findet«, also die »Allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst«. Die anschließenden obligatorischen Redaktionsverhandlungen« haben sich diesmal extrem lang hingezogen, wodurch die Texte der Änderungstarifverträge erst seit Mitte September vorliegen.
Dieser Artikel will im Folgenden die für Bibliotheken relevanten Änderungen darstellen. Dabei wird sich allerdings auf Themen im Zusammenhang mit der Entgeltordnung (EGO) beschränkt, hier geht es also nicht um Entgelterhöhungen, das Einfrieren der Jahressonderzahlung ab 2019 oder Ähnliches.
Aufspaltung der Entgeltgruppe 9 in Entgeltgruppen 9a und 9b ab 2019
Die TdL war der letzte der drei großen öffentlichen Arbeitgeber, bei dem es noch eine »kleine« und eine »große« Entgeltgruppe (EG) 9 gab. Die »Kleine 9« war gekennzeichnet durch längere Laufzeiten in den Stufen 2 und 3 sowie die Tatsache, nicht die Stufen 5 und 6 erreichen zu können. Die »Große 9« hatte diese Einschränkungen nicht. Bibliothekarische Beschäftigte kannten – im Gegensatz zu ihren Kolleginnen und Kollegen in Kommunen – die »Kleine 9« nicht, da sie beim Inkrafttreten des TV-L am 1. November 2006 in die »Große 9« übergeleitet wurden, aber andere Beschäftigte in Bibliotheken (Verwaltung, andere Berufe) waren durchaus von der »Kleinen 9« betroffen.
Nun wurde auch bei der TdL, im »Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder« (TV-L), rückwirkend zum 1. Januar 2019 die »Kleine EG 9« abgeschafft beziehungsweise in die neue EG 9a umgewandelt, während die bisher »Große 9« zur EG 9b wird. Die EG 9a hat eigene Beträge (in den Stufen 1 und 2 identisch mit denen der EG 9b, sonst niedriger) und kennt nun auch sechs Stufen mit ihren »normalen« Stufenlaufzeiten. – Beschäftigte aus der »Großen 9« wurden, unter Mitnahme ihrer Stufe und der darin verbrachten Laufzeit, automatisch in die EG 9b übergeleitet, solche aus der »Kleinen 9« unter Berücksichtigung ihrer bisher in den Stufen verbrachten Zeit gemäß einer Tabelle in eine Stufe der EG 9a.
Fast alle der 93 Änderungen des TV-L zum 1. Januar 2019 beziehen sich nur auf die Aufteilung der EG 9 in EG 9a und 9b und deren redaktionelle Folgen.
Neue Tätigkeitsmerkmale in der Entgeltordnung ab 2020
Außer den Bereichen »Pflegedienst« (bereits 2019) und »Informations- und Kommunikationstechnik« (2021) treten nahezu alle anderen kleineren und größeren (Rettungsdienst, Sozial- und Erziehungsdienst) Änderungen in der EGO zum 1. Januar 2020 in Kraft, so auch die für Bibliotheksbeschäftigte. Hierbei gibt es teils neue, teils angehobene, teils abgeschaffte und teils umformulierte TM. Zur Erinnerung sei erwähnt, dass die TdL zwar der erste Arbeitgeber mit einer neuen eigenen EGO war (zum 1. Januar 2012), dass aber die seither geltende EGO eine fast unveränderte Übernahme der uralten BAT-TM darstellte, gerade auch mit vielen Nachteilen für Bibliotheksbeschäftigte im Vergleich zum Beispiel zur »Allgemeinen Verwaltung«.
Die große Änderung für die Bibliotheken liegt darin, dass es bei dem bisher im Teil II der EGO, also in den »Tätigkeitsmerkmalen für bestimmte Beschäftigtengruppen«, als Abschnitt 1 verankerten Bereich »Beschäftigte in Archiven, Bibliotheken, Büchereien und Museen« unter dieser Überschrift ab 2020 nur noch heißt: »Es findet Teil I Anwendung.« Das bedeutet für Bibliotheksbeschäftigte die Abschaffung von »Speziellen TM« und künftig die Eingruppierung nach den »Allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen für den Verwaltungsdienst« des Teils I, die schon immer für Bürobeschäftigte gelten. (Diese werden in einigen EG – ohne inhaltliche Änderung – zudem umformuliert.) Hierbei sind auch die erweiterten »Protokollerklärungen« zu den einzelnen EG zu beachten.
Die TdL vollzieht jetzt für die Bibliothekseingruppierung also denselben Schritt wie die »Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA)« für die Bibliotheken in Gemeinden, Landkreisen und so weiter zum 1. Januar 2017 (vgl. BuB 68(2016)7, S. 376-381) – nur: Die Ausgangsvoraussetzung in Form der vorhergegangenen EGO ist eine andere. Für unter den TV-L fallende Bibliotheksbeschäftigte bringt diese Umstellung folgende Verbesserungen mit sich:
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Einführung der Ausbildungsebenen wie bei VKA und Bund: dreijährige »Berufsausbildung« in EG 5 – was eine gewisse Absicherung der FaMIs bedeutet – und »Hochschulbildung« in EG 9b;
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Die bislang übertarifliche EG 8 wird zur EG 9a, außerdem ist für Bibliotheken neu eine tarifliche EG 8, die – ebenso wie die EG 6 – nun geringere Anforderungen enthält;
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In der EG 4 gibt es mit »Viertel gründliche Fachkenntnisse« und in der EG 9b mit »gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen« jeweils neue zweite Fallgruppen;
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Ersetzung der überholten, an Bestandszahlen und Unterstellungsverhältnissen orientierten TM in EG 10 (tariflich, nur ÖB, wie übertariflich) durch allgemeinere sogenannte »unbestimmte Rechtsbegriffe«;
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Erweiterung der Eingruppierung auf EG 11 und 12.
Allerdings
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wird es im TV-L keine EG 9c geben und in dessen Teil I weiterhin keine EG 7, und es
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werden in der EG 9b die sogenannten »Sonstigen« abgeschafft (»sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben«) – unklar ist hierbei, wie verbreitet im Bibliothekswesen diese Eingruppierung eventuell für Quereinsteiger ist und inwieweit sich dieser Wegfall durch die neue Fallgruppe 2 der EG 9b kompensieren lässt.
Wer sich die Mühe macht, in der beigefügten Tabelle »Eingruppierung von Bibliotheksbeschäftigten im TV-L: Vergleich 2019 – 2020« die bisherigen Eingruppierungen mit den neuen genau zu vergleichen, wird einiges an Höhergruppierungsmöglichkeiten entdecken.
Was dieser Artikel nicht leisten kann: darzustellen, welche konkreten Bibliothekstätigkeiten welche TM erfüllen. Dazu wird auf die in den nächsten Wochen erscheinende Neuauflage der »Arbeitsvorgänge in Bibliotheken« des Berufsverbands Information Bibliothek (BIB) verwiesen. Leider haben allerdings die Erfahrungen mit der – mit Ausnahme der EG 7 und 9c sowie der »Sonstigen« nunmehr identischen – EGO der VKA seit 2017 gezeigt, dass die Bandbreite bei der Interpretation »unbestimmter Rechtsbegriffe« seitens der personalbearbeitenden Stellen bundesweit sehr groß ist, wogegen nur eine Klage der betroffenen Beschäftigten helfen könnte … Trotzdem erscheint der seit 1993 geforderte Weg, die Eingruppierung in Bibliotheken auf diese Begriffe umzustellen, nach wie vor richtig: Zum einen hat sich inzwischen gezeigt, welch drastischen Bedeutungsverlust die früher üblichen Eingruppierungskriterien in der heutigen Bibliotheksarbeit erfahren haben, und zum anderen gilt unverändert, dass es für eine solch kleine Berufsgruppe aussichtsreicher ist, mit Millionen von Verwaltungsangestellten »mitzuschwimmen« als für sich allein kämpfen zu müssen.
Auch bei der jetzigen Änderung der EGO zum TV-L wird dasselbe Verfahren wie schon bei allen EGO-Änderungen angewandt: Wer der Auffassung ist, dass sich für sie/ihn durch die neue EGO eine Höhergruppierung ergibt, muss zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2020 einen Antrag stellen, danach geht es nicht mehr (Paragraf 29d TVÜ-Länder). Dieser wirkt auf den 1. Januar zurück. Und es gelten auch hier die schon üblichen Regelungen:
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Nach dem 1. Januar 2020 eingetretene Änderungen der Stufenzuordnung in der bisherigen Entgeltgruppe bleiben dabei unberücksichtigt;
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Ruht das Arbeitsverhältnis am 1. Januar 2020, beginnt die Frist von einem Jahr mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit.
Zu beachten ist beim TV-L allerdings: Die TdL ist der einzige große Arbeitgeber, bei dem es auch weiterhin keine »stufengleiche Höhergruppierung« gibt. Eine Unterscheidung nach Höhergruppierungen »aufgrund der neuen EGO« und solchen »wegen Aufgabenveränderung oder Stellenwechsel« erübrigt sich also. Sämtliche Höhergruppierungen erfolgen nach dem etwas komplizierten Verfahren des Paragraf 17 Absatz 4 TV-L mit »Garantiebeträgen«, die allerdings massiv erhöht wurden. Eine Darstellung dieses Verfahrens folgt im nächsten BuB.
Bei den hessischen Tarifverträgen TV-H, TV-G-U und TV-TU Darmstadt ist dieselbe Änderung für Bibliotheksbeschäftigte geplant wie beim TV-L. Da hier aber die Verhandlungen bei BuB-Redaktionsschluss noch andauerten, wird auch hierüber im nächsten Heft berichtet.
Noch eine abschließende Anmerkung: Der Bund war mit seiner EGO zum 1. Januar 2014 einmal der Vorreiter bei Verbesserungen für Bibliotheksbeschäftigte[1]; seine EGO gilt auch bei vielen Wissenschaftsorganisationen und in hessischen Bibliotheken. Nach den Entwicklungen der letzten Jahre ist diese aber inzwischen, zumindest in den EG 4-9b, zum Schlusslicht geworden (vgl. die beigefügte Vergleichstabelle für die drei großen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes). Hier müsste bei der im Herbst 2020 anstehenden Tarifrunde nun dringend nachgebessert werden.
[1.] In diesem Zusammenhang ein Hinweis: Die schon mehrfach auf Bibliothekartag/Bibliothekskongress vorgestellten »Bewertungskriterien« sind inzwischen endlich auch im Internet
Quellenhinweis: Auf der Homepage der TdL (www.tdl-online.de) sind unter dem Menüpunkt »TV-L« bei den obersten beiden Links (TV-L und »Anlage A: Entgeltordnung«) derzeit Fassungen zu finden, in denen sowohl die seit 1.Januar 2019 gültigen wie die künftigen Änderungen nachzulesen sind. Dasselbe gilt unter dem Menüpunkt »TVÜ-Länder« für den »Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts«, der die Regelungen für die neuen Überleitungen (2019 bis 2021) enthält.
Weitere Informationen zur aktuellen Tarifentwicklung, insbesondere zu Höhergruppierungsanträgen im Bereich des TV-L und zur Sondersituation in Hessen, finden Sie in der Dezemberausgabe 2018 von BuB.