Wie versiert sind Schüler in Berufseinstiegsklassen im Umgang mit Medien? Diese Frage stellte sich eine Projektgruppe des Studiengangs »Informationsmanagement berufsbegleitend« der Hochschule Hannover im Sommersemester 2024. Im Auftrag der Dozentin Anke Wittich entwickelte die Projektgruppe ein Bewegungsspiel, das die Informationskompetenz dieser Zielgruppe fördern und ihnen den Umgang mit verschiedenen Medien vermitteln soll. Vorbild war der Medienkompetenzrahmen NRW, aber auch Spielspaß und die leichte Nachnutzbarkeit für andere Interessierte standen bei der Entwicklung im Fokus.
Schüler in Berufseinstiegsklassen haben bisher keinen Schulabschluss. Die Berufseinstiegsklassen dienen dazu, Allgemeinwissen sowie Schlüsselqualifikationen zu vermitteln, sodass der Hauptschulabschluss nachgeholt und/oder eine Ausbildung begonnen werden kann. In diesem Zuge sollen auch Medien- sowie Informationskompetenzen vermittelt werden. Aufgrund des unterschiedlichen Förderbedarfs innerhalb der Klassen wurden die Erwartungen an die Spieler im unteren Mittelfeld angesetzt.1, 2
Die Ereigniskarten gliedern sich in vier Kategorien mit jeweils eigenen Icons, Regeln und Spielmechaniken. Zentral sind die Karten der Kategorie »Real oder Fake«, die daher näher erläutert werden soll.
Die Karten »Real oder Fake« beinhalten jeweils einen witzigen Fakt oder eine Information aus dem Bereich der Medien-/Informationskompetenz. Diese sind entweder wahr (»real«) oder erfunden (»fake«). Der Vorleser nimmt sich die beiden Wurfsäckchen, liest die Karte vor und wirft dann beide Säckchen weg. Die beiden Spieler links und rechts vom Vorleser müssen schnell entscheiden, ob sie die Information bzw. den Fakt für real oder fake halten und das entsprechende Wurfsäckchen als Erster einsammeln. Wer richtig antwortet, bekommt einen News-Chip vom Verlierer.
Daneben gibt es noch die Ereigniskarten-Kategorien »Schere-Stein-Papier« als Mini-Game, »Wortgefecht«, die als Assoziationskette zu Begriffen aus dem Bereich Medien- und Informationskompetenz fungieren sowie »Platztausch«, die den Spielverlauf auflockern und die Reihenfolge der Spieler ändern, damit nicht immer die gleichen Personen gegeneinander antreten. »Newsmania« ist beendet, wenn der erste Spieler sein Tablet komplett mit News-Chips gefüllt oder alle News-Chips verloren hat.
»Fangmania« benutzt die Ereigniskarten der Kategorien »Real oder Fake«, »Schere-Stein-Papier« und »Wortgefecht«. Die Spieler teilen sich in zwei Gruppen auf: die »Follower« fangen hier die »Likes«. Jeder Like zieht vor dem Weglaufen eine Ereigniskarte, die vom Follower nach Fangen des Likes gelöst werden muss. Löst der Follower die Aufgabe, wird der Like ebenfalls zum Follower. Löst der Follower die Aufgabe nicht, darf der Like eine neue Ereigniskarte vom Stapel ziehen und erneut weglaufen. Das Spiel endet, wenn alle Likes zu Followern geworden sind.
Das Feedback in einem erneuten Test mit den FaMIs der Multimedia Berufsbildenden Schulen Hannover war positiv. In einer anschließenden Bewertung des Spiels von einem Lehrer einer Berufseinstiegsklasse kam jedoch die Rückmeldung, dass das Sprachniveau für die Zielgruppe zu hoch angesetzt war. Nach einer erneuten zeitintensiven Überarbeitung sämtlicher Inhalte begannen die Erstellungen einer »Premium-Variante« des Spiels sowie einer Bildschirmpräsentation. Diese kamen im Juni 2024 im »Freiraum« auf der 112. BiblioCon in Hamburg zum Einsatz.3 Die Projektgruppe erhielt dort in drei Testspielen mit jeweils fünf Spielern positives Feedback. Es gab jedoch auch Kritik, da in der Anleitung auf das Gendern verzichtet wurde. Diese Entscheidung wurde bewusst getroffen, um die Anleitung für die Zielgruppe verständlicher zu machen. Ein entsprechender Hinweis wurde eingepflegt und ist nun am Ende der Anleitung zu finden.
Insgesamt sind die Studierenden mit dem Spiel sehr zufrieden. Es weist eine gute Balance zwischen Vermittlung von Informationskompetenz und Spielspaß auf und ist damit nicht »zu pädagogisch«. Über die Ereigniskarten kommen Spieler in den Austausch, ob der Inhalt der Karte der Wahrheit entspricht oder nicht: So fördern sie auch nach dem Spiel kritisches Denken und den Aufbau von Informationskompetenz.
Da für die Zielgruppe »Berufseinstiegsklassen« in Bibliotheken bisher so gut wie keine Angebote zu finden sind, hofft die Projektgruppe, mit ihrem Spiel einen großen Schritt in diese Richtung gemacht zu haben. Institutionen und andere Interessierte finden die Spielmaterialien und Anleitungen zur Nachnutzung mit einer Creative Commons-Lizenz unter https://zenodo.org/records/12608249.
1 Bildungsportal Niedersachsen: Übersicht über die Berufseinstiegsschule. https://www.nibis.de/berufseinstiegsschule_2381
2 Das Angebot existiert auch in den anderen Bundesländern, dort allerdings unter anderem Namen. Vgl. https://lmy.de/xZeLp
3 Denise Boruszewski, Tina Jahnert, Rhian Krische, Eva Christina Wirsing, Sarah Völker: Spiel für Berufseinstiegsklassen - ein Projekt der BIBs Hannover. urn:nbn:de:0290-opus4-192521