Mehr Kooperation notwendig!

Ein Appell für die Zusammenarbeit mit Gefangenenbüchereien und die Verbesserung des Medienangebots für Menschen in Haft und Arrest.
Das von Gerhard Peschers entworfene Friedens-Lesezeichen in den sieben IFLA-Sprachen. Foto: Peschers
Das von Gerhard Peschers entworfene Friedens-Lesezeichen in den sieben IFLA-Sprachen. Foto: Peschers

 

Die Arbeit der Gefangenenbüchereien findet häufig abseits der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, aber auch der bibliothekarischen Fachwelt statt. Der Vorsitzende des Fördervereins Gefangenenbüchereien und Experte mit langjähriger Erfahrung in Sachen Medienangebote für Menschen in Haft und Arrest Gerhard Peschers wendet sich deshalb mit folgendem Appell an die Fachöffentlichkeit:

Im UNESCO-Manifest Öffentliche Bibliotheken des bibliothekarischen Weltverbandes IFLA wird das Selbstverständnis der »Öffentlichen Bibliothek« als Garant für den Zugang aller Menschen zu Medien und Informationen klar ausgedrückt und damit die Mitverantwortung Öffentlicher Bibliotheken, spezielle Benutzer­gruppen wie Menschen im Krankenhaus oder Gefängnis durch besondere Materialien und Dienstleistungen zu beteiligen. Wo geschieht dies in der Praxis?

Der Justizvollzug ist seinerseits mit verantwortlich, Menschen in Haft und Arrest durch Bibliotheken Medien zu vermitteln. Menschen in Haft waren zuvor, sind während der Haft und nach ihrer Entlassung Bürger einer Kommune; hier bleibt eine beiderseitige Verantwortung über die abgrenzende Gefängnismauer und Zuständigkeitsdenken hinaus.



Justizvollzug ist Ländersache, Vollzugsanstalten sind in Trägerschaft der Länder. Die Landesverbände der Bibliotheken rege ich an, dieses Thema aufzugreifen und sich der Medienangebote für Menschen in Haft in Kooperation mit dem Ministerium oder Senat der Justiz des Landes anzunehmen – beispielsweise indem landesweite Dienstbesprechun­gen für die Bediensteten von Bibliotheken in den Justizvollzugs- und Jugendarrestanstal­ten angeboten werden und Bibliotheksfachkräfte sich daran beteiligen – zum Beispiel auch durch die Bibliotheksfachstellen der Länder. So ist jüngst im Kulturgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, Paragraf 54, verankert: »Bibliotheken in Justizvollzugseinrichtungen können mit öffent­lichen Bibliotheken kooperieren und dafür auch die Beratungsleistungen der Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken in Anspruch nehmen.«

Benutzerquote von nahezu 100 Prozent

Bundesweit werden Bibliotheken im Jugendarrest von fast allen jungen Menschen im Arrest genutzt, sodass sie mit einer Benutzerquote von nahezu 100 Prozent wohl zu den meistgenutzten Bibliotheken gehören. Dies geschieht latent in geschlossenen Räumen und ist doch bemerkenswert für die Öffentlichkeit. Die für jede Kommune kaum erreichte, problematische Zielgruppe junger Menschen entdeckt im handylosen Arrest vielfach neu das Lesen und die Bedeutung einer Bücherei. So sollte jede kommunale Bibliothek und jeder Landesverband der Bibliotheken an einer Kooperation mit dem Jugendarrest interessiert sein, damit junge Menschen im Arrest anschließend den Weg zur jeweiligen Öffentlichen Bibliothek kennen sowie deren Angebot hoffentlich neu entdecken und nutzen.

Ist es zu viel verlangt, dass die kommunale Bibliothek am Ort oder in der Nähe einer Justizvollzugs- der Jugendarrestanstalt Kontakt mit der jeweiligen Anstalt aufnimmt und pflegt sowie einmal im Jahr eine gemeinsame Autorenlesung oder andere Veranstaltung auf beiden Seiten der Gefängnismauer anbietet? Dazu sei jedenfalls angeregt.



Das wäre der Anfang minimaler Kooperation zwischen Bibliotheken im Justizvollzug und Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft und eine ausbaufähige Basis, sich künftig bei Online-Verbünden zu ergänzen, wenn vollzuglicherseits die sicherheitsrelevanten und organisatorischen Fragen geklärt sind. Die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) Berlin praktiziert dies bereits in Kooperation mit dem Justizsenat und den Justizvollzugs­anstalten.

Die in den IFLA-Richtlinien Gefängnisbibliotheken neu eingeführten Minimalstandards gehen auf die konstruktive Erfahrung in Nordrhein-Westfalen zurück, dass mangels Bibliotheksfachkräften in jeder einzelnen Anstalt (wie in den Niederlanden oder Skandinavien) wenigstens eine Bibliotheksfachkraft für eine Region vorhanden ist.

Anlässlich des Krieges in der Ukraine möchte der Förderverein Gefangenenbüchereien dem Wunsch nach Frieden weltweit Ausdruck geben. Dafür bietet er allen Interessierten beiderseits der Gefängnismauer Grafiken zur eigenen Verwendung an: z.B. durch Aushänge als Fahnen an Gefängnispforten sowie Eingängen von Bibliotheken oder anderen Institutionen, durch das Aushängen von Postern oder Versenden von Postkarten, durch die Ausgabe von Lesezeichen bei der Buchausleihe in Bibliotheken.

Die Banner können hier heruntergeladen werden.

Gerhard Peschers ist Sprecher der AG Gefangenenbüchereien der dbv-Sektion 8, betreut die Fachstelle Bibliotheksarbeit im Justizvollzug Westfalen-Lippe und ist Vorsitzender des Fördervereins Gefangenenbüchereien e.V.

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