Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler ist am Samstag, 1. Februar, im Alter von 81 Jahren verstorben. Von 2004 bis 2010 war er Deutschlands Staatsoberhaupt. Amtsnachfolger Frank-Walter Steinmeier würdigte ihn als »Glücksfall für unser Land« – ein Glücksfall war er auch für Bibliotheken.
In seiner sechsjährigen Amtszeit, aber auch noch lange nach seinem überraschenden Rücktritt im Jahr 2010 setzte sich Köhler immer wieder mit großem Engagement für Bibliotheken ein. Besonders in Erinnerung geblieben ist seine Rede zur Wiedereröffnung des Stammgebäudes der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar am 24. Oktober 2007. Dort sagte er: »Die deutschen Bibliotheken – und zwar alle, von der hochspezialisierten Forschungsbibliothek bis zur kleinen Stadtteilbibliothek – sind ein unverzichtbares Fundament in unserer Wissens- und Informationsgesellschaft. Die Öffentlichen Bibliotheken sind weder ein Luxus, auf den wir verzichten könnten, noch eine Last, die wir aus der Vergangenheit mitschleppen. Sie sind ein Pfund, mit dem wir wuchern müssen.«
Köhler verwendete dabei auch die später vielfach zitierte Formulierung, dass Bibliotheken »auf die politische Tagesordnung« gehören – gerade für Thüringen hatte das weitreichende Konsequenzen. Der damalige Vorsitzende des Thüringer Bibliotheksverbands, Frank Simon-Ritz, erinnert sich: »Die Worte des Bundespräsidenten trafen in Thüringen insofern auf offene Ohren, als dass der Thüringer Bibliotheksverband bereits im Frühjahr 2006 mit seiner Initiative für ein Thüringer Bibliotheksgesetz an die Öffentlichkeit getreten war. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich als damaliger Vorsitzender des Thüringer Bibliotheksverbands nach der Rede von Köhler mit der damaligen Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Christine Lieberknecht, und dem damaligen kulturpolitischen Sprecher der CDU, Jörg Schwäblein, zusammenstand und dass Frau Lieberknecht in diesem Moment sagte: ›Wir machen das jetzt mit dem Bibliotheksgesetz für Thüringen‹.«
Und so kam es dann auch. Am 4. Juli 2008 – weniger als ein Jahr nach der »Bibliotheksrede« des Bundespräsidenten – hat der Thüringer Landtag das erste Bibliotheksgesetz auf Länderebene in Deutschland verabschiedet. Frank Simon-Ritz erklärt dazu: »Seitdem haben fünf weitere Bundesländer ähnliche Gesetze verabschiedet und in drei Bundesländern gibt es umfassendere ›Kulturgesetze‹, in denen die Bibliotheken ausdrücklich erwähnt werden. Dem Appell des damaligen Bundespräsidenten Köhler, dass Bibliotheken ›auf die politische Tagesordnung‹ gehören, war also nachhaltiger Erfolg beschieden.«
Den Verlauf der Wiederaufbau- und Restaurierungsarbeiten in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek verfolgte Köhler aufmerksam. Immer wieder nahm er an Veranstaltungen zur Förderung und Unterstützung der Aufbauarbeiten teil und hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Bibliotheken hervor. So hielt er beispielsweise am 23. Oktober 2015 den Festvortrag zum Abschluss des Projekts »Pro Helvetica in Weimar«, mit dem 1 329 brandgeschädigte Weimarer Bücher mit Bezug zur Schweiz in schweizerischen Werkstätten restauriert werden konnten – nachzulesen auch in BuB: Januarheft 2016, Seite 48 bis 50.
Doch das Staatsoberhaupt interessierte sich nicht nur für die Leuchttürme und die ganz herausragenden Bibliotheksprojekte in Deutschland. Sein Engagement und seine Solidarität galt auch den zahlreichen kleineren Einrichtungen hierzulande, die ohne großes Aufsehen ganz zentrale Aufgaben in der Gemeinschaft erfüllen, wie Leseförderung und Ausbau der Informations- und Medienkompetenz. So kam Köhler im Rahmen seines Antrittsbesuchs in Nordrhein-Westfalen am 27. Februar 2008 in die Stadtbibliothek Brilon. Eine große Ehre und eine große Herausforderung für das kleine Bibliotheksteam. Doch die gerade mal sieben Bibliotheksmitarbeiter präsentierten dem hohen Gast souverän die Briloner Vorzeige-Einrichtung.
Für seine großen Verdienste um die Bibliotheken wurde Horst Köhler im Jahr 2011 mit der Karl-Preusker-Medaille ausgezeichnet.