Große Räume im Zentrum der offenen Ganztagsschule, viel Glas, zahlreiche Arbeitsplätze und Regale auf knapp 200 Quadratmetern – und über allem hängt ein rotes Banner mit der Aufschrift »Achtung! Lesen gefährdet die Dummheit«: Viele der mehr als 750 Schülerinnen und Schüler besuchen regelmäßig die 2011 eröffnete Schulbibliothek der Hans-Brüggemann-Schule in Bordesholm. Die Bibliothek öffnet während des Schulbetriebs durchgehend bis in den Nachmittag ihre Türen. Neben einem großen Sachbuchbestand zu unterrichtsrelevanten Themen und weiterführenden Online-Angeboten hält die Bibliothek auch aktuelle Kinder- und Jugendbücher, Zeitschriften und vieles mehr bereit. Alle Schülerinnen und Schüler besitzen einen kostenlosen Leseausweis, der auch in der benachbarten Gemeindebücherei gilt. Man versteht sich nicht als Konkurrenz, sondern als gegenseitige Ergänzung und Kooperationspartner: Wer in der Schulbibliothek nicht fündig wird, kann das Angebot der Gemeindebücherei nutzen.
Damit ist die Bücherei der Hans-Brüggemann-Schule ein echtes Vorzeigebeispiel in der Schulbibliothekslandschaft in Schleswig-Holstein und beweist: Schulbibliotheken sind längst nicht mehr nur Medienzentren und Unterrichtsorte außerhalb des Klassenzimmers, sondern verstehen sich immer mehr als lebendige Erlebnisräume mitten im Schulleben, Partnerinnen in der Leseförderung und zentrale Treffpunkte für Schülerinnen und Schüler. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Schulkultur. Trotz dieser Bedeutung haben Schulbibliotheken nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern in ganz Deutschland vielerorts einen großen Entwicklungsbedarf und unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ausstattung. Die Bandbreite ist dabei groß: Sie reicht von gut ausgebauten Schulbibliotheken mit hauptamtlichem Personal über Schulbibliotheken, die von Lehrkräften aufgebaut und betreut werden, bis hin zu Schulbibliotheken, die von Schülerinnen und Schülern sowie Ehrenamtlichen mit Herz und Hand betrieben werden.
Um herausragende Schulbibliotheksarbeit besser sichtbar zu machen und zur Nachahmung anzuregen, haben das Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, die Büchereizentrale Schleswig-Holstein (BZSH) sowie das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen (IQSH) erstmals ein Qualitätssiegel für Schulbibliotheken entwickelt. Um den unterschiedlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, wird das Siegel in drei Kategorien vergeben, die sich nach dem Umfang der personalbesetzten Zeiten richten – denn am Umfang der Betreuung und Vermittlung der Bestände lässt sich die Leistungsstärke einer Schulbibliothek ablesen.
Ziel ist es, Leuchttürme und Vorbilder in der Schulbibliotheksarbeit zu finden und auszuzeichnen. Das Qualitätssiegel versteht sich explizit auch als Würdigung des Engagements in Schulbibliotheken. Gleichzeitig gilt: Das Qualitätssiegel soll nicht nur einzelne gelungene Beispiele hervorheben, sondern zielt in die Breite. Erfüllen viele Bibliotheken die Standards, werden auch viele Qualitätssiegel vergeben.
Qualitätssiegel als Auszeichnung für die Schule
Die Qualitätsprüfung erfolgt auf Grundlage eines Kriterienkatalogs, der sich an nationalen und internationalen Standards orientiert. Damit stellt das Qualitätssiegel eine Auszeichnung für die Schulen dar, die auch über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung hat. Neben Bestand, Einrichtung und Service sind für eine gute Schulbibliothek auch eine klare Aufgabendefinition, Einbindung ins Schulleben und in den Unterricht sowie weitere Kriterien ausschlaggebend. Das Siegel wird für die Dauer von drei Jahren verliehen und kann anschließend erneuert werden. Schulbibliotheken in Schleswig-Holstein können sich ab sofort für eine Teilnahme an dem Zertifizierungsverfahren bewerben. Die ersten Qualitätssiegel werden 2025 vergeben.
Die Förderung durch das Land Schleswig-Holstein ermöglicht, das Thema Schulbibliotheken in den Blick zu nehmen. »Bibliotheks- und Schulgesetz betonen gleichermaßen die besondere Bedeutung der Schulbibliotheken. Sie sind Medienzentren, Lernumgebung und Auszeit innerhalb der Schule. Die Öffentlichen Bibliotheken flankieren als Lernorte außerhalb der Schule. Beide sind Mittel- und Anziehungspunkte für Kinder und Jugendliche und fördern Lese-, Recherche-, Medien- und Informationskompetenzen. Mit dem Qualitätssiegel werden nun Leuchttürme und Vorbilder guter Schulbibliotheksarbeit identifiziert, standardisiert, sichtbar gemacht und anerkannt“, freut sich Brigit Janzen, zuständig für Kulturelle Bildung in der Abteilung Kultur des Ministeriums, anlässlich der Vorstellung des neuen Qualitätssiegels in der Schulbibliothek der Hans-Brüggemann-Schule in Bordesholm. Sie sieht das Siegel als einen weiteren Baustein für die Umsetzung der »Rahmenvereinbarung zur Bildungspartnerschaft von Bibliotheken und Schulen«, die das Ministerium mit der Büchereizentrale Schleswig-Holstein und dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen 2021 abgeschlossen hat.
»Mit dem Qualitätssiegel werden erstmals Standards für Schulbibliotheken definiert, die eine Vergleichbarkeit und Bewertung ermöglichen. Damit ist das Qualitätssiegel ein erster Schritt auf einem Weg hin zu einer Berücksichtigung von Schulbibliotheken in den Förderstrukturen des Bibliothekssystems Schleswig-Holstein«, so Oke Simons, Direktor der Büchereizentrale Schleswig-Holstein.
»Schulbibliotheken stehen für Lesefreude und Neugierde, beides Grundlage gelingender Bildung und für beides kommt es auf die Lehrkräfte an. Mit der Auszeichnung wollen wir dazu anregen, über gelungene Beispiele ins Gespräch zu kommen, voneinander zu lernen und so auf neue Ideen zu kommen«, erklärt Gesa Ramm, Direktorin des IQSH. Sie freut sich, dass mit dem landesweiten Qualitätssiegel endlich hervorragende Praxis ausgezeichnet und gewürdigt wird.
Langfristige Kooperationen angestrebt
Schulbibliotheken gibt es in fast 80 Prozent der Schulen in Schleswig-Holstein, aber über die Ausstattung und die Qualität der Arbeit war bisher sehr wenig bekannt. Die jetzt erschienene neue Auswertung einer Befragung von Schulen in Schleswig-Holstein hat unter anderem die Kooperation zwischen Schulbibliotheken und Öffentlichen Bibliotheken in Schleswig-Holstein untersucht. Die Befragung hat gezeigt, dass eine Zusammenarbeit mit Öffentlichen Bibliotheken vielerorts gewünscht ist, derzeit aber noch zu selten praktiziert wird. Daraus abgeleitet ergibt sich, dass Schulbibliotheken qualitativ gefördert und quantitativ besser ausgestattet sein müssten, um als Partnerinnen auf Augenhöhe der Öffentlichen Bibliotheken wahrgenommen zu werden.
Für Öffentliche Bibliotheken ergebe sich die Chance, die Schüler und Schülerinnen zusätzlich in der Lebenswelt Schule zu erreichen. Gemeinsam mit den Schulbibliotheken kann die Bandbreite an Angeboten der Leseförderung und Informationskompetenzvermittlung deutlich ausgebaut werden. Voraussetzung für künftige Kooperationen ist eine gute personelle Ausstattung sowohl in Schulbibliotheken als auch Öffentlichen Bibliotheken, um die zeitlichen und personellen Ressourcen für den Aufbau von langfristigen Kooperationen zu schaffen. Das Qualitätssiegel für Schulbibliotheken in Schleswig-Holstein soll auch dazu beitragen, den Weg für die gelingende Bildungspartnerschaft von Schulen und Bibliotheken im Land weiter zu stärken.
Aus der 2021 zwischen dem Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein und der Büchereizentrale Schleswig-Holstein geschlossenen Rahmenvereinbarung zur Bildungspartnerschaft von Bibliotheken und Schulen sind in Kooperation mit dem IQSH ein Basiskurs für schulbibliothekarisches Fachpersonal inklusive weiterführendem Aufbau-Programm sowie das Web-Portal für Schulbibliotheken in Schleswig-Holstein hervorgegangen. Das Qualitätssiegel bildet den nächsten Baustein dieser Zusammenarbeit.