ENSULIB-Konferenz in Berlin: »Grüne« Bibliothek steht weltweit im Fokus

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Großes Interesse an der ENSULIB-Konferenz. Foto: Catharina Tschishkow

Am 16. und 17. August fand im Vorfeld des diesjährigen IFLA-Weltkongresses in Berlin eine Satellitenkonferenz[1] von ENSULIB[2] – der Environment, Sustainability and Libraries Special Interest Group der IFLA – statt, deren Fokus auf ökologischer Nachhaltigkeit und der gesellschaftlichen Rolle der Bibliotheken liegt. Die Philologische Bibliothek der Freien Universität (FU) war Gastgeber der Konferenz. Sie wurde organisiert von einem Studierendenteam der Fachhochschule Potsdam unter Leitung von Stephan Büttner in Kooperation mit einem kleinen Berliner Team um Petra Hauke und Klaus Ulrich Werner.

Zur Einführung sprach Harri Sahavirta, der Vorsitzende von ENSULIB, über das Thema der Konferenz: »Collaborative Strategies for Successful Green Libraries: Buildings, Management, Programs and Services«, wobei er deutlich machte, dass eine »grüne« Bibliothek eben nicht nur aus einem grünen Gebäude besteht, sondern dass jede Bibliothek – abhängig von den vor Ort gegebenen Umständen – auch dann grün und nachhaltig agieren können sollte, wenn kein geeignetes Gebäude existiert.

Er drückte seine Verwunderung darüber aus, dass Bibliotheken, die doch eigentlich den Nachhaltigkeitsaspekt schon immanent haben, nicht noch mehr dafür tun, diesen Positiv-Faktor auszubauen, sowohl inhaltlich als auch in der Außendarstellung. Es wäre für Bibliotheken nötig, nicht nur einen Check des eigenen Umweltmanagements durchzuführen, sondern auch eine aktivere Rolle dabei einzunehmen, das Bewusstsein für einen nachhaltigen Lebensstil in die Bevölkerung zu tragen, ein Ort der gesellschaftlichen Transformation zu werden. Und da, wo Bibliotheken, dies alles schon leisten, sollten sie auch mehr darüber berichten, um andere Bibliotheken und Bildungseinrichtungen zu ermutigen, handelnde Netzwerke zu bilden et cetera.

New Professionals in den Startlöchern

Naturgemäß bei einer Satellitenkonferenz der IFLA gab es viele interessante Vorträge aus aller Welt. Auffällig hierbei war, dass die Beiträge zum größten Teil aus Graduierungsarbeiten an Universitäten und Hochschulen entstanden sind. Dies zeigt, dass die junge Generation der Bibliotheks- und Informationswissenschaftler weltweit offensichtlich sehr interessiert ist am Thema und erfreulicherweise zukunftsweisende Impulse gibt. So gab Nathalice Cardoso (Brasilien) Empfehlungen für Umweltmanagement (nicht nur) in brasilianischen Bibliotheken. Arnold Mwanzu (Kenia) stellte eine Untersuchung zum Stand der Umsetzung von Umweltfreundlichkeit in kenianischen Wissenschaftlichen Bibliotheken und deren Auswirkung auf die Nutzerzufriedenheit vor. Katharina Leyrer (Deutschland) präsentierte die Ergebnisse ihrer Masterarbeit, in der sie eine vergleichende Analyse der Projekte, die für den IFLA Green Library Award 2016 eingereicht wurden, durchführte. Ebenfalls aus einer Idee zu einer Masterarbeit ist ein Projekt entstanden, welches von Tim Schumann präsentiert wurde und den diesjährigen IFLA Green Library Award erhalten hat.

IFLA Green Library Award

Der vom Verlag De Gruyter Saur gesponserte IFLA Green Library Award[3] wird seit 2016 von ENSULIB ausgeschrieben und von einem internationalen Gutachtergremium aus Bibliothekaren, Studierenden und Architekten bewertet. 2016 hat ein Gemeinschaftsprojekt zum Aufbau einer ökologischen Bibliothek an der Schule »El pequeño Sol« in San Cristóbal de las Casas (Mexiko) zum ersten Mal diese Auszeichnung erhalten.[4] Hier wurden nach einer Crowdfunding-Initiative gemeinsam von Kindern, Eltern und Lehrern Recyclingmaterialien gesammelt, aufbereitet und mithilfe von Lehm und einigen zusätzlichen Baumaterialien eine neue Bibliothek errichtet.

Beim diesjährigen Wettbewerb[5] wurde die Stadtbibliothek Bad Oldesloe mit ihrem Projekt »Ernte deine Stadt – Harvest Your City: Three Years of Green and Sustainable Library Commitment in the Stadtbibliothek Bad Oldesloe« als Gewinner prämiert.[6]

Nachhaltigkeit in der Praxis

Abgerundet wurde das vielfältige Programm der ENSULIB-Konferenz durch einige Bibliotheksführungen, die in sehr verschiedener Weise nachhaltige Aspekte aufweisen: eine Führung durch die Philologische Bibliothek der FU, die als Vorzeigeprojekt für Energieeffizienz steht. Die zweite Bibliotheksführung durch die »Grüne Bibliothek der Nachbarschaft«, einer kleinen Stadtteilbibliothek in Berlin-Mitte, zeigte sehr anschaulich, wie eine gelungene aktive Rolle von Bibliotheken in der Nachbarschaft aussehen kann. Hier gibt es Medienausleihe zu einem grünen Schwerpunkt, Projekte zur Lese- und Sprachförderung, aber auch ganz praktische ökologische Angebote wie Nähkurse, in denen zum Beispiel Kleidung repariert werden kann, und gemeinsames Gärtnern in Kooperation mit dem anliegenden Gemeinschaftsgarten, eine LeihSämerei und vieles mehr.

Damit hat sich die Bibliothek, die vor nicht allzu langer Zeit noch von der Schließung bedroht war, seitdem zu einem ganzheitlich agierenden Bildungsort entwickelt, der Theorie und Praxis miteinander verbindet.

Eine Bibliotheksbesichtigung anderer Art fand direkt vor dem FU-Gebäude statt. Dort war eine öffentliche Straßenbibliothek aufgestellt – eine BücherboXX, die unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten von Jugendlichen in der Berufsausbildung durch Umbau einer alten Telefonzelle errichtet wurde. Die BücherboXXen[7] sind bereits weit verbreitet in Europa und werden von Ehrenamtlichen betreut.

Nachklang

Durch die ENSULIB-Tagung haben sich einige deutsche Teilnehmer zusammengefunden, die das Thema ökologische Nachhaltigkeit und Bibliotheken auch in Deutschland weiter voranbringen wollen. Wer Interesse hat, daran teilzunehmen, kann sich gern an die Autorin wenden.

Alle Vortragsfolien der Konferenz sind zum Nachlesen verfügbar.[8] Eine Publikation der eingereichten Beiträge zur Konferenz und den Beiträgen zum IFLA Green Library Award ist für 2018 im Verlag De Gruyter Saur geplant.

Andrea Kaufmann, Leiterin der Firmenbibliothek zu ökologischen Themen der ALAB GmbH / 2.11.2017

 

Die Autorin

Andrea Kaufmann hat 2014 den Magisterstudiengang Bibliothekswissenschaft und Musikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin abgeschlossen. Sie leitet seit 2008 die Firmenbibliothek zu ökologischen Themen der ALAB GmbH. Sie war seit 2014 Lehrbeauftragte am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der HU Berlin und hat als freie Lektorin einige bibliothekswissenschaftliche Publikationen herausgegeben. Sie bemüht sich derzeit um den Aufbau eines Kompetenzzentrums für ökologische Nachhaltigkeit in Bibliotheken. – Kontakt: andrea.kaufmann@posteo.de

 

 

[1.] http://ensulib.fh-potsdam.de/; alle Internetquellen wurden zuletzt am 2.11.2017 aufgerufen

[2.] https://www.ifla.org/environment-sustainability-and-libraries

[3.] https://www.ifla.org/node/10159

[4.] https://www.ifla.org/node/10478

[5.] https://www.ifla.org/node/11523?og=479

[6.] Ausführlich wird das Projekt dargestellt in: Jens A. Geißler, Tim Schumann: Bohnen, Bohrer, Samenbomben. In: Konrad Umlauf, Klaus Ulrich Werner, Andrea Kaufmann [Hrsg.]: Strategien für die Bibliothek als Ort. Berlin [u.a.]: De Gruyter Saur, 2017, S. 151–159

[7.] http://buecherboxx.com/

[8.] http://ensulib.fh-potsdam.de/program/

 

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