Das grüne Wohnzimmer

Eine große Vielfalt von Aktivitäten und Veranstaltungen der Stadtbibliothek Rosenheim trägt zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei.
Hochbeete mit Sitzmöglichkeiten werden bei Veranstaltungen gerne genutzt. Foto: Stadtbibliothek Rosenheim
Hochbeete mit Sitzmöglichkeiten werden bei Veranstaltungen gerne genutzt. Fotos: Stadtbibliothek Rosenheim

 

In Zeiten, in denen Bibliotheken als kulturpolitische Akteure für Themen wie Leseförderung, Demokratiestärkung und Fake-News-Aufklärung gefragt sind, dürfen Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht in den Hintergrund geraten. Bibliotheken können und sollten aktiv zu diesen Themen beitragen, nicht nur durch Informationsbereitstellung, sondern auch durch konkrete Maßnahmen und Projekte. Ein Beispiel dafür ist die Stadtbibliothek Rosenheim mit ihrem Projekt »StadtLeben«, das von 2020 bis 2022 im Rahmen des Programms »hochdrei – Stadtbibliotheken verändern« der Kulturstiftung des Bundes durchgeführt wurde. Nach Ablauf des Projektzeitraums von hochdrei wird der Gedanke des Projekts weitergeführt und ist ein fester Bestandteil der Jahresplanung in der Stadtbibliothek Rosenheim. Durch das Projekt war es dauerhaft möglich, den Platz vor der Stadtbibliothek als hochwertige Ergänzung zum Innenbereich anzubieten. Innerhalb kürzester Zeit hat sich der Platz als konsumfreier Ort, als Experimentierfeld und als Veranstaltungsort mit sehr hoher Aufenthaltsqualität fest etabliert. Der Platz trägt in hohem Maße zur Innenstadtbelebung bei.

Das Projekt »StadtLeben« – Natur mitten in der Stadt

Im Zuge des Projekts »StadtLeben« hat die Stadtbibliothek Rosenheim gemeinsam mit der Technischen Hochschule Rosenheim 24 Hochbeete auf dem Salzstadel platziert. Diese wurden von Studierenden des Fachbereichs Innenarchitektur, Architektur und Design der TH Rosenheim entworfen, wobei besonderer Wert auf die Kombination von Aufbewahrungsboxen, Tischen und Sitzmöglichkeiten gelegt wurde. Gebaut wurden die Hochbeete von der Stadtgärtnerei, die auch für die abwechslungsreiche Bepflanzung und Pflege verantwortlich ist.



Seit Mai 2021 können Bürgerinnen und Bürger Rosenheims hier Gemüse ernten. Ergänzt wird das Angebot durch Workshops zum gemeinsamen Gärtnern und zur Verarbeitung von Gemüse und Kräutern zusammen mit einer ausgebildeten Kräuterpädagogin. So hat sich der ehemals triste Platz zu einem grünen Wohnzimmer mit hoher Aufenthaltsqualität verwandelt. Das konsumfreie Verweilen, Urban Gardening und das vielfältige Veranstaltungsangebot der Stadtbibliothek sowie vieler anderer Akteure haben den Platz attraktiv gemacht.

Über das Projekt hinaus werden die Hochbeete weiterhin von der Stadtgärtnerei und dem Grünflächenamt bepflanzt und gepflegt. Ein Teil der Hochbeete wird jährlich an Rosenheimer Schulen, insbesondere Grundschulen vergeben, die die Beete regelmäßig bepflanzen, pflegen und abernten. Seit Mai 2023 gibt es zudem ein Insektenhotel. Die Bibliothek koordiniert die zahlreichen Veranstaltungen, darunter ein regelmäßiger Kleidertausch, Nachhaltigkeitswoche, Solarpunk, Klimafestival.

Im Rahmen des Projekts wurde von Studierenden der TH Rosenheim auch ein individuelles Büchertauschmodul »book#2go« entwickelt, das in der Konstruktion das Grundraster der Hochbeete gestalterisch aufnimmt. Beleuchtet wird das Modul nachts durch ein Photovoltaikmodul auf dem Dach, umgesetzt von der Fakultät für Ingenieurswissenschaften. Besucherinnen und Besucher auf dem Platz können ihre gut erhaltenen Bücher einstellen und andere wiederum erfreuen sich an einem neuen Buch, ohne es kaufen zu müssen.

Agenda 2030 und der Beitrag der Bibliothek

Die Stadtbibliothek Rosenheim hat sich intensiv mit der Umsetzung der Ziele der Agenda 2030 im eigenen Betrieb beschäftigt: Zu welchen Zielen leistet die Bibliothek bereits jetzt mit welchem Angebot einen Beitrag? Und an welchen Punkten kann sie Nachhaltigkeit in ihrem Angebot weiterentwickeln und in internen Abläufen verbessern?

Bibliotheken leben per se das Prinzip der Nachhaltigkeit: »Leihen statt Kaufen«. Das schont Ressourcen und trägt zu nachhaltigen Konsum- und Produktionsmustern bei. Besonders deutlich wird dies bei der Bibliothek der Dinge.

Ziel 12: Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster

Seit 2019 erweitert die Bibliothek der Dinge das traditionelle Medienangebot der Stadtbibliothek und ermöglicht es Nutzern, Alltagsgegenstände und Werkzeuge auszuleihen, die meist nur selten gebraucht werden. Um nur einige zu nennen: Akkuschrauber, Schlagbohrmaschine, VR-Brille, Nudelmaschine, Schneeschuhe, SUP-Board und Sofortbildkamera. Dies fördert den gemeinschaftlichen Gebrauch und die Wiederverwendung von Gegenständen, reduziert den Ressourcenverbrauch und minimiert Abfall. Es unterstützt die Idee einer Kreislaufwirtschaft und fördert umweltbewusstes Verhalten in der Gemeinschaft.



Neben der Bibliothek der Dinge bietet die Stadtbibliothek Rosenheim auch speziell gestaltete Taschen für den Medientransport und Regenschirme zur Ausleihe an. Auf Papiertüten wird verzichtet. Es gibt ausleihbare Aufladekabel für Kommunikations- und Arbeitsgeräte und eine solarbetriebene Auflade-Station auf dem Salzstadel ist derzeit in Planung. Zudem gibt es Sammelstellen für alte Handys und Korken, aus denen eine regionale Firma Schuhe herstellt.

Im Lesecafé der Stadtbibliothek Rosenheim wird »Fair Trade«-Kaffee angeboten, der in wiederverwendbaren Tassen und Gläsern serviert wird. Diese Praxis ist ein weiterer wichtiger Beitrag zur Förderung einer nachhaltigen Konsumkultur. Die Entscheidung, auf Einwegbecher zu verzichten und stattdessen wiederverwendbare Behälter zu verwenden, reduziert nicht nur Abfall, sondern minimiert auch den Ressourcenverbrauch.

Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz

Die Stadtbibliothek Rosenheim hat sich auch Gedanken zum Thema Nachhaltigkeit im internen Bibliotheksbetrieb gemacht. Sie trägt mit folgenden Maßnahmen bereits jetzt zum Klimaschutz bei:

  • Die komplette Umstellung der Beleuchtung auf LED-Lampen.

  • Konstante Raumtemperaturen stabil bei 20 °C und regelmäßiges Stoßlüften zur Energieeinsparung.

  • Müllvermeidung und konsequente Trennung und Entsorgung bei Recyclingstationen.

  • Die überwiegende Anreise der Mitarbeiter/-innen (circa 80 Prozent der Mitarbeitenden) zur Arbeit mit dem Fahrrad oder zu Fuß, was Emissionen reduziert.



  • Der kostenlose Medienlieferdienst erfolgt durch Ehrenamtliche im Stadtgebiet ausschließlich mit dem Fahrrad.

  • Polstermöbel werden nach Möglichkeit neu bezogen statt entsorgt.

  • Medien werden mindestens zur Hälfte beim örtlichen Buchhandel bezogen, der sie emissionsfrei liefert.

In der Vorkonzeption und Planung sind derzeit:

  • Fassadenbegrünung an der Westfassade der Bibliothek in Zusammenarbeit mit dem Grünflächenamt und der Stadtgärtnerei.

  • Photovoltaikanlage auf die südlich ausgerichteten Dachflächen.

Die Stadtbibliothek Rosenheim zeigt, wie Bibliotheken als Kultur- und Bildungsinstitutionen aktiv zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz beitragen und damit auch als Vorbild nach außen wirken können. Durch Projekte wie »StadtLeben«, die Bibliothek der Dinge und zahlreiche nachhaltige Maßnahmen im Bibliotheksbetrieb wird nicht nur das Umweltbewusstsein gestärkt, sondern auch die Gemeinschaft gefördert und Ressourcen geschont. Die Stadtbibliothek Rosenheim ist ein wichtiger Akteur im Engagement für eine nachhaltige Zukunft.

Marie-Luise Forster, geboren 1997, absolvierte eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien und Informationsdienste in der Stadtbücherei Traunstein. Anschließend studierte sie an der Hochschule der Medien in Stuttgart Informationswissenschaften und schloss ihr Studium im März 2023 erfolgreich mit einem Bachelor ab. Seit Dezember 2023 arbeitet sie in der Stadtbibliothek Rosenheim und ist dort für die Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Stadtbibliothek zuständig.

Birgit Graf stammt aus dem kaufmännischen Bereich und arbeitet seit 2009 in der Stadtbibliothek Rosenheim. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Leseförderung, sie ist Koordinatorin für Vorlesen und Vorlesepatinnen und -paten und bespielt die Ausstellungsflächen der Bibliothek. In diesem Rahmen setzt sie sich intensiv mit den Themen Nachhaltigkeit, zukünftige Entwicklung der Bibliothek und Gesellschaft auseinander. Sie hat eine Passion für Schreiben und Wortakrobatik und ist auch als Poetry Slammerin aktiv.

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