[Berufsfeld.rebooted]

Die Bibliothekarische Verbände investieren in Marketing und Kommunikation für das Berufsfeld »Bibliothek«. Eine Kommission »Personalgewinnung« wurde gegründet.
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Wie zukunftsfähig Bibliotheken sind, hängt nicht nur davon ab, wie durchdacht ihre Strategien sind. Entscheidend für den Erfolg solcher Strategien ist vor allem, ob eine Bibliothek in der Lage ist, kompetente Menschen für ihre Ideen zu gewinnen, ihnen gute Bedingungen zu bieten und sie zu aktiven Teilen ihrer Organisation zu machen. Obwohl diese Aufgabe ohnehin herausfordernd ist, wird sie durch Personalmangel noch deutlich erschwert. Auch zwischen Bibliotheken selbst gibt es mitunter deswegen Konkurrenz um qualifiziertes Personal. Trotzdem kämpfen viele Bibliotheken mit ähnlichen Problemen im Kontext von Image, gutem Marketing und einer modernen Außendarstellung. Gemeinsames Auftreten kann die Position aller Bibliotheken auf dem Arbeitsmarkt stärken. Um das zu ermöglichen, braucht es ein klares Selbstverständnis – gewissermaßen eine Arbeitsgrundlage, auf deren Basis dann zum Beispiel Kampagnen, Berufsbeschreibungen oder Stellenanzeigen formuliert werden können. Um eine solche Arbeitsgrundlage zu schaffen, wurde vor ein paar Jahren beim Dachverband »Bibliothek & Information Deutschland« (BID) die AG Personalgewinnung gegründet. Mitglieder aus Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken, Theorie und Praxis, Neu- und Quereinsteiger/-innen genauso wie erfahrene Führungskräfte waren vertreten und die AG wurde durch ständige Gäste sowie durch Expertinnen und Experten ergänzt. In einem transparenten Prozess gemeinsam mit der Community in Bibliotheken wurde 2020 und 2021 an einem Selbstverständnis für Bibliotheken als Arbeitgeberinnen gearbeitet. Zum Zeitpunkt dieses Artikels ist die AG Personalgewinnung am Ziel angekommen: Es wurde aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert, klare Botschaften wurden formuliert und konkrete Schritte in die Wege geleitet, um Bibliotheken am Arbeitsmarkt zu stärken.

Eine AG-Arbeit in Schritten

Ein guter Zeitpunkt, um zu reflektieren, was bisher passiert ist und wohin das geführt hat. Mehrere Perspektiven waren nötig, um eine ganzheitliche Grundlage für Personalgewinnung in Bibliotheken zu schaffen. Mehrere Schritte wurden erarbeitet, um das zu erreichen. Erstens, ein Workshop zur Identität mit verschiedenen Gästen. Zweitens, eine offene Diskussion dieser Ergebnisse mit der Community. Drittens, ein Workshop mit Externen sowie ein Interview mit Stakeholdern von Bibliotheken für die Außenperspektive. Viertens, eine weitere Feedback-Schleife mit der Community. Und fünftens ging es darum, konkrete praktische Ansätze zu finden, auch hier zusammen mit der Community.

 

Schritt 1: Workshop Identität

Zu Anfang stand ein Workshop in Nürnberg, in dem über den Kern des Berufsfeldes Bibliothek diskutiert wurde. Dabei wurden verschiedene Blickwinkel berücksichtigt: Anwesend waren Verbandsvertreter/-innen, Professor/-innen, Berufsanfänger/-innen, Personalmanager/-innen, Quereinsteiger/-innen und das auch aus verschiedenen Bibliothekstypen. In zwei Tagen wurden grundlegende Fragen zu Sinn, Aufgaben und Personal in Bibliotheken beantwortet und mit Kernaussagen versehen. Diese Kernaussagen konnten von da an eine Grundlage für den weiteren Prozess bilden. Sie wurden mehrfach öffentlich diskutiert und sind in ihrer finalen Version Basis für die praktische Arbeit. Über den Workshop wurde ausführlicher in einem Artikel in BuB berichtet.

 

Schritt 2: #vBIB20

Wichtig war es, die Ergebnisse des Workshops über die ursprüngliche Gruppe hinaus offen und breit zu diskutieren. Nur in einem transparenten Prozess gemeinsam mit der großen Community in Bibliotheken kann eine nachhaltige Veränderung stattfinden. Trotz der Corona-Pandemie wurden die Ergebnisse dank der Onlinekonferenz #vBIB20 geteilt. Dabei wurden sowohl die Kernaussagen und Ideen aus Nürnberg vorgestellt als auch Rückmeldungen und Kritik aus dem Publikum eingefangen. Mit diesen Reflektionen konnten die Kernaussagen, jetzt mit Optimierung und Rückhalt aus der Community, auch aus Perspektiven außerhalb der Bibliothek beleuchtet werden. Die gesamte Aufzeichnung des Vortrags ist für alle Interessierten verfügbar.

 

Schritt 3a: Interview mit Stakeholdern und
Schritt3b: Workshop Externe 

Nach der guten Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern der Community bei der #vBIB20 war das Einholen von externen Sichten der logische nächste Schritt. Dazu wurde ein ausführliches Stakeholder-Interview geführt. Mit Roland Kischkel als Kanzler der Universität Wuppertal und Frank Mentrup, dem Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe, standen Experten zur Verfügung, die die öffentliche Wirkung und Sichtbarkeit von Bibliotheken gut einschätzen können. Sie eröffneten mit ihrer Sicht neben vielen anderen Aspekten auch die Dringlichkeit, die Legitimation und Autorität von bibliothekarischen Einrichtungen zu stärken. Ihre Außensicht lieferte im Hinblick auf alle Kernaussagen Bestätigung der bisherigen Überlegungen, aber auch wertvolle Kritik an der gegenwärtigen Situation hinsichtlich des Personalmangels, um nur eines zu nennen. Den Bibliotheksauftrag aus den Trägerinstitutionen abzuleiten, ist dabei auch ein unabdingbarer Schritt, der nie aus den Augen verloren werden sollte. Das Interview wurde entsprechend ausgewertet und wichtige Impulse der Öffentlichkeit vorgestellt.

In diese Phase der Kommissionsarbeit fällt auch der zweite Workshop aus dem Herbst 2021: der Externen-Workshop. Die Kommission befragte unter anderem Kolleginnen und Kollegen sowie Menschen, die nicht im Bibliotheksdienst tätig sind, wie abermals Roland Kischkel, Wolfgang Stille vom »Hessian Center for Artificial Intelligence« (hessen.AI), Felix Behm als Vertreter des Ausbildungsmarketings, Ute Marquardt (Hauptamt Erbach) und zwei junge Schüler/-innen, die Erfahrungen im Freiwilligen Sozialen Jahr in Bibliotheken gemacht hatten. Auch sie wurden mit den Kernbotschaften konfrontiert und zunächst um allgemeine Rückmeldungen gebeten. In einem zweiten Schritt wurden diese um praktische Handlungsempfehlungen ergänzt, angepasst an die jeweilige Zielgruppe, von denen es mehr gibt, als man denken würde. Der dritte Schritt war die Personallage: Wie ist die Ausgangssituation, wie gewinnen wir Personal, welches brauchen wir überhaupt? In einem vierten Schritt wurde darüber diskutiert, wie dies alles umgesetzt und das Image von Bibliotheken verbessert werden kann, nämlich in Form von Marketingmaßnahmen, aber auch durch ein Verständnis von Bibliotheken als Teil eines Bildungsnetzwerks. Die Teilnehmenden lobten dabei den Vorstoß der AG Personalgewinnung: Dass sich hier ein ganzes Berufsfeld auf den Weg mache, sei etwas Großes, die Kernbotschaften mit den Handlungsempfehlungen seien die richtige Herangehensweise, es müsse nun »nur« noch losgehen.

 

Schritt 4: Bibliothekar*tag 2021

Diese Veranstaltung lag mit ihrem Datum im späten Frühjahr 2021 quasi zwischen dem Interview mit den Stakeholdern und dem Workshop mit den Externen.

Während der gesamten Arbeitsphase der AG Personalgewinnung war es immanent, die gesamte Community zu informieren, sie nicht nur mit den Kernbotschaften bekannt zu machen, sondern aktiv in den Prozess zu integrieren. Das geschah auf dem virtuellen Bibliothekar*tag 2021 in einem Workshop, der zunächst mit einer Präsentation unter dem Titel »Bibliothekar*in sein ist eine Haltung: [Berufsfeld.rebooting…]« begann. Die darin erwähnten Themenkomplexe wurden danach in verschiedenen Break-out-Rooms bearbeitet. Im ersten Raum wurde allgemeines Feedback eingeholt und Fragen zu den Kernaussagen diskutiert. Raum Zwei trug den Namen »War of Talents – Was bieten Bibliotheken«. Hier ging es unter anderem darum, wie ein Imagewandel erreicht werden kann, wie die Attraktivität des Berufsfeldes besser kommuniziert wird, und darum, wie wir das Recruiting und das Marketing verbessern können.

»Gekommen, um zu bleiben! Kompetente Menschen halten!« – darum ging es im nächsten Raum. Im vierten Gespräch wurde beispielhaft eine Anzeige der Frankfurter Entsorgungsgesellschaft daraufhin analysiert, was Bibliotheken von deren Personalsuche lernen können.

Die Arbeit der AG Personalgewinnung und die bis zu diesem Zeitpunkt erreichten Ergebnisse wurden in einem Artikel von Luis Moßburger, Frauke Schade und Sophia Manns-Süßbrich zusammengefasst.

 

Schritt 5: Bibliothekskongress 2022

Es war klar: Praxis muss jetzt folgen. Was aber sagt die Community dazu? Stimmen die Kolleginnen und Kollegen der AG zu, sind sie bereit und/oder ist es ihnen möglich, die Handlungsempfehlungen in die tägliche Arbeit in den Bibliotheken zu integrieren? Alle waren gefragt, beim Bibliothekskongress in Leipzig während einer hybriden Veranstaltung in einer partizipativen Diskussion ihre Meinung zu äußern. Über 400 Kolleginnen und Kollegen, die Hälfte davon online, diskutierten die vorgestellten Aktionspläne, die helfen sollen, besser ins »Machen« zu kommen. Das ist zuallererst das »Positionieren«: Die Bedeutung von Bibliotheken sollte vor allem den Bibliothekarinnen und Bibliothekaren klar sein. Ihr positives Selbstverständnis und ihre Begeisterung für den Job sind die Grundlage für alle weiteren Schritte. Dazu gehört auch das Sichtbarmachen für die gesamtgesellschaftliche Öffentlichkeit. Hier schließt sich schon der zweite Aktionsplan an: »Kooperieren«. Bibliotheken erzeugen Austausch nicht nur von Wissen, sie sind Multiplikatorinnen und strukturell immer in Netzwerke eingebunden, ob Kommune, Forschungseinrichtung, Schule oder Universität. Das kann nicht genug gestärkt werden. Und schließlich die Zukunft: Bibliotheken leiden unter Fachkräftemangel, dem nur durch gutes »Akquirieren« zu begegnen ist. Dieses Thema soll und muss einen starken Fokus erhalten: Wir sind auch in der Zukunft nur so gut, wie die potenziellen Kolleginnen und Kollegen, auf die wir heute zugehen, und sei es im Gespräch im Treppenhaus mit dem Nachbarskind. Diese drei Aktionspläne wurden mit praktischen Beispielen unterfüttert und über sie wurde im Anschluss auch positiv abgestimmt.

Mit der Vorstellung der Aktionspläne für eine gelingende Personalgewinnung hat die Arbeitsgruppe offiziell ihre Arbeit beendet. Aber war das alles? Würden es die Kolleginnen und Kollegen schaffen, über ihr tägliches Pensum hinaus auch noch diese Themen im Blick zu behalten? Kann man sie dabei irgendwie unterstützen?

Wie geht es weiter?

Die vorliegenden Kernbotschaften aus dem Identitätsentwicklungsprozess wurden als Basis erarbeitet, wertvolles Feedback Berufsexterner eingeholt. Nun gilt es, auf dieser Basis eine griffige und zielgruppengerechte Kommunikationsstrategie zu erarbeiten und die Botschaft »wir haben einen tollen Beruf« laut in die Welt der Berufsinteressierten hinein zu rufen.

 

Wie aus einer AG eine Kommission wurde

Die AG Personalgewinnung empfahl dem Vorstand des Dachverbandes BID, die bisher absehbaren erforderlichen Maßnahmen nachhaltiger und langfristiger zu verfolgen und umzusetzen, als dies durch eine überwiegend ehrenamtlich arbeitende Arbeitsgruppe möglich wäre. Die Entscheidung der drei bibliothekarischen Verbände dbv, VDB und BIB ist als Ergebnis bisher einzigartig: der Institutionenverband dbv und die beiden Personalverbände VDB und BIB finanzieren für die Dauer von drei Jahren eine halbe Stelle »Marketing und Kommunikation« zur Erarbeitung einer Kommunikationsstrategie für unser Berufsfeld. Im Rahmen des Projektes »Personalgewinnung Berufsfeld Bibliothek und Information« wird ein Marketingkonzept entwickelt, welches das Ziel hat, Interessierte für eine Ausbildung, ein Studium oder einen Quereinstieg in das Berufsfeld Bibliothek zu gewinnen.

Die bisher geleistete Arbeit in der Arbeitsgruppe soll ebenso nachhaltig fortgeführt werden, indem – ebenso bisher einmalig – eine gemeinsame Kommission der drei Verbände dbv, VDB und BIB gegründet wird: die Kommission Personalgewinnung.

Sie begleitet strategisch die Stelleninhaberin bei der Kampagnenplanung. Die Kommission setzt sich weiterhin mit Fragen der Personalgewinnung und Wahrnehmung des Berufsbildes in der Öffentlichkeit auseinander und fördert den Austausch von Ideen und Maßnahmen auch in der Fachcommunity. Die Ideen-Bandbreite umfasst Tipps und Tricks für gelungene Stellenausschreibungen, alternative Wege des Recruitings bis hin zu nachnutzbarem Werbematerial für Bibliotheken und dem Monitoring und Aktualisierung von Berufsinformationen auf verschiedenen Plattformen.

Die gemeinsame Fachkommission ist innerhalb der Verbände für Fragen zur Verbesserung der Chancen, adäquates Personal einstellen zu können, ansprechbar und unterstützt entsprechende Aktivitäten im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie vertritt die Thematik »Personalgewinnung« in der (Berufs-)Öffentlichkeit, zum Beispiel durch Weiterbildungsangebote, Vorträge und Diskussionen auf Fachtagungen, durch Anregung und Organisation von Fortbildungsveranstaltungen, Workshops, Gesprächsrunden sowie Veröffentlichung von Beiträgen in der Fachliteratur. Sie bündelt die relevanten Informationen zur Personalgewinnung in Bibliotheken.

Kommissionsmitglieder sind Ute Engelkenmeier, Sabine Gehrlein, Sophia Manns-Süßbrich, Nora Neuhaus de Laurel, Frauke Schade und Lucia Werder.

 

Alle sind gefragt

Nun mögen Sie diese Zeilen lesen und denken, ja, ok, es gibt die Kommission und alles wird sich richten!? Das geht nur mit Ihnen! Gemeinsam sind Bibliotheken stark, gemeinsam kann unsere Fachcommunity an unserem Bild in der Öffentlichkeit arbeiten, gemeinsam können wir für unser Berufsfeld nicht nur schwärmen, sondern auch mit Herzblut werben.

Ideen gibt es viele, auch finden auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Gremien Gespräche, Austausch, Workshops statt, wie wir dem Fachkräftemangel begegnen können. Jetzt liegt es an uns allen, es praktisch anzugehen.

Dr. Ute Engelkenmeier leitet den Geschäftsbereich Service und Information (Benutzung) an der Universitätsbibliothek Dortmund. Sie ist Vorsitzende des Bundesvorstands des Berufsverbands Information Bibliothek (BIB). https://orcid.org/0000-0003-3785-8652

 

Sophia Manns-Süßbrich (Foto:  Katharina Hahn) studierte Ostslavistik, Anglistik sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in Leipzig, London und Odessa und promovierte zum Thema »›Unreliable narration‹ in der russischen Literatur: F. M. Dostoevskijs ›Zapiski iz podpol’ja‹ und V. V. Erofeevs ›Moskva-Petuški‹ im Vergleich«. An der Humboldt-Universität zu Berlin erwarb sie den Abschluss als Master of Arts – Information and Library Science. Die Autorin ist als Fachreferentin für Anglistik, Amerikanistik und Slavistik an der Universitätsbibliothek Leipzig tätig und dort auch für die Volontärsausbildung und Fortbildung zuständig. Sie leitet zurzeit die Kommission für berufliche Qualifikation des Vereins Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VDB) und ist Mitglied im Vorstand der ABDOS (Arbeitsgemeinschaft der Bibliotheken und Dokumentationsstellen der Ost-, Ostmittel- und Südosteuropaforschung).

 

Luis Moßburger studiert(e) Bibliotheks- und Informationsmanagement bzw. -wissenschaft sowie Medieninformatik in Regensburg, München und Berlin. An der Universitätsbibliothek Regensburg arbeitete er in der Abteilung IT- und Publikationsdienste. Seine aktuellen Schwerpunkte sind Product Management, Softwareentwicklung und User Experience.

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