Die Zahl der Deutschen, die mobil ins Netz gehen, steigt rapide an – ebenso die Zahl der Anwendungen. Nur: Welche der unzähligen Trends sollte man im Auge behalten?
Die amerikanische Firma Linden Labs ist bekannt für ihr virtuelles Parallel-Universum »Second Life«. Dort schlüpft man in einen digitalen Charakter, ändert sein Aussehen, richtet sich eine Wohnung ein und trifft sich mit anderen solcher Avataren. In den letzten Jahren ist es allerdings still geworden um das einst bejubelte Projekt. Linden Labs hat nun einen neuen Coup hervorgebracht: »Versu« (www.versu.com), eine interaktive Erzähl-Plattform. Interessierte Nutzer laden sich eine App auf ihr iPad und suchen sich eine Erzählung aus. Dann entscheiden sie sich für eine der darin vorkommenden Figuren. Das Buch wird jetzt erst geschrieben. An entscheidenden Stellen kann der Nutzer die Aktionen seines Charakters mitbestimmen. Der Roman verändert sich. Dahinter steckt eine künstliche Intelligenz, die den Figuren gewisse Freiheiten lässt. Man kann dasselbe Buch mehrmals aus verschiedenen Perspektiven lesen – und das Buch verändert sich jedes Mal. Künftig soll man seinen Charakter sogar vorab erschaffen, sodass er seinen Eigenschaften entsprechend handelt. Man haucht ihm sozusagen Leben ein, und dieses Leben gestaltet das Buch mit.
Das Beispiel zeigt, wie künftig Medien verschmelzen: Versu ist eine App, bei der Literatur, Spiel und mobiles Internet konvergieren. Mobile Geräte, insbesondere Smartphones und Tablet-PCs, haben den Medienkonsum verändert. Dabei steht ihr Boom in Deutschland womöglich erst noch bevor. Laut der sogenannten ARD/ZDF-Onlinestudie nutzten in Deutschland 2012 erst 23 Prozent der Befragten das Internet mit mobilen Geräten und davon nur sechs Prozent mit einem Tablet-PC. Laut Institut für Demoskopie Allensbach würden sich aber gerne rund knapp acht Millionen Deutsche in den kommenden zwei Jahren ein Smartphone wünschen.
In den USA ist die Nutzung dieser Geräte bereits verbreiteter. Das Marktforschungsunternehmen Nielsen hat dort im Februar 2013 den mobilen Konsum untersucht. 94 Prozent haben ein Mobiltelefon, davon mehr als die Hälfte ein Smartphone. 82 Prozent der Smartphone-Nutzer surfen im Netz, 62 Prozent nutzen regelmäßig Apps: am meisten Social Media-, Spiel-, Audio-, Video-, Navigations- und Produktivitäts-Apps. Obwohl es selbst in den USA für den Einsatz von Tablets und Smartphones in Bibliotheken bislang noch wenig konsistente Konzepte gibt, sind sich Experten sicher, dass die Beschäftigung mit diesen Geräten für Bibliothekare obligatorisch ist. »Bibliotheken haben eine besondere Rolle, wenn es darum geht, wie man effizient Informationen in der mobilen Welt beschafft und gleichzeitig intellektuelles Eigentum respektiert«, sagt Joe Murphy, ehemals Bibliothekar an der Yale Universität und heute Technologie-Berater für Bibliotheken. »Wir Bibliothekare müssen mobil bewandert sein und diese Fähigkeiten an jene weitergeben, für die wir da sind«.
Tablets – eine Technologie für sich
Doch es ist nicht einfach, den Überblick zu bewahren. Das Angebot an mobilen Geräten wächst und wächst. Im Tablet-Bereich gibt es neben dem Vorreiter iPad unter anderem Kindle Fire, Samsung Galaxy, Google Nexus und Microsoft Surface. Zwischen Tablet und Smartphone etablieren sich Geräte wie iPad Mini, die beide Vorteile vereinen. Sie haben größere Bildschirme als Smartphones, sind aber nicht so groß, dass man sie nicht mitführen kann. Apple arbeitet unterdessen angeblich an einer smarten Uhr mit Smartphone oder Tablet-Funktionen.
Jedenfalls purzeln jährlich die Preise der aktuellen Geräte, und es kommen neue Geräte oder neue Versionen der alten hinzu. Es gibt hunderttausende von Apps, die für das jeweilige Betriebssystem programmiert wurden und die Sensorik des Geräts ausnutzen, etwa die integrierten Kameras, Mikrofone, GPS oder Kompass. Die Bildschirmauflösung der Tablets verbessert sich von Jahr zu Jahr. Das Retina Display von Apple und das hochauflösende Display von Nexus haben Maßstäbe gesetzt. Videos werden in Top-Qualität gezeigt. Eine entsprechende Streaming-Intelligenz sorgt dafür, dass Videos nicht mehr wie früher ruckeln oder stehen bleiben, wenn die Verbindung zum Internet schwankt. Die Video-Player passen automatisch die Qualität der Videos während des Abspielens an und gleichen so Verbindungsschwankungen aus. Videos sowie Video-Ferngespräche über FaceTime oder Skype werden mit der vierten Generation der mobilen Telekommunikation (4G), etwa dem Long Term Evolution (LTE), und somit höheren Datenübertragungsraten wahrscheinlich noch attraktiver für mobile Nutzer werden.
Tablets haben sich längst von dem Image, nur ein kompakterer Laptop zu sein, verabschiedet. Tablets sind eine Technologie für sich. Die meisten Apps integrieren soziale Netzwerke und machen es leicht, etwas aus dem App mit ein- bis zweimaligem Antippen des Touchscreen im eigenen Netzwerk mitzuteilen – seien es die Leistungen in einem Computerspiel, ein Artikel aus einer digitalen Zeitung, ein Zitat aus einem E-Book oder ein frisch aufgenommenes und bearbeitetes Foto.
Mit Tablets und Smartphones verschmelzen zudem zunehmend Freizeit, Arbeit und Lernen. Sehr populär sind auf Tablets und Smartphones etwa die Produktivitäts-Apps: Mit »Evernote« lassen sich Notizen machen, im Internet gefundene Informationen zum Späterlesen speichern. Man kann auf dieses persönliche digitale Archiv von all seinen Geräten aus jederzeit zugreifen. Mit Apps wie »Cheddar« lassen sich Aufgaben planen, mit »Dropbox« oder »Mega« verfügen Nutzer über eine Festplatte in der Cloud. Man hat zwar seine Dateien auf einer lokalen Festplatte, doch sobald man sie ändert, werden die Dateien synchronisiert. Wenn man dann seinen Zweitrechner oder sein mobiles Gerät nutzt, hat man auch dort immer die aktuellen Dateien.
Einige Hochschulen nutzen Apps wie »Edmodo« für die Seminarplanung. Das App gibt es für Smartphones und als Desktop-Version. Lehrer können in »Edmodo« eine Gruppe für ihr Seminar erstellen, Dateien – zum Beispiel Texte – ablegen, mit Studierenden diskutieren, Terminpläne, Aufgaben und Umfragen einrichten. Andere Universitäten nutzen iBooks Author, um eigene Textbücher für das iPad zu erstellen. In diese Bücher lassen sich Videos integrieren, die innerhalb des Buches abgespielt werden – ebenso lassen sich Bildergalerien und dreidimensionale Grafiken einbauen. Das »Learning Studio« der Abilene Christian University etwa hat mit iBooks Author eine Art Jahresbericht über das erste Jahr seiner Existenz entwickelt. Es ist als »Learning Studio: Year One Report« kostenlos im iBook Store erhältlich und zeigt eindrucksvoll, wie solche Bücher aussehen können: neben Videos mit einem Rundgang durch das Gebäude.
Vorreiter in Sachen iPad-Publishing ist indes die amerikanische Technologie-Zeitschrift »Wired«. Sie zeigt ebenfalls gelegentlich dreidimensionale, drehbare Grafiken, um Technik zu erklären, integriert Videos und Audio. Selbst die Werbeanzeigen in der Zeitschrift bestehen oft aus Bewegtbildern oder laden zu Interaktionen ein.
In den USA ist es längst üblich, dass Schülerinnen und Schüler statt vieler Bücher nur ein Tablet mit in den Unterricht nehmen. Christine Quinn, die in New York als Kandidatin für die Bürgermeisterwahl antreten wird, hat ein Millionen-Programm angekündigt, um jedem Schüler ein Tablet zu ermöglichen. Deutsche Bildungsverlage versuchen ebenfalls, E-Books für den Schulunterricht anzubieten. Mit der verlagsübergreifenden Initiative »Digitale Schulbücher« legen die Verlage elektronische Versionen ihrer Bücher mit einigen Zusatzfunktionen vor – doch die Apps dafür befanden sich zuletzt noch im Test-Modus. Das Land Niedersachsen führt im Rahmen der Umsetzung des »Konzepts Medienkompetenz – Meilensteine für Niedersachsen« in Kooperation mit dem Verein n-21 ein landesweites Projekt zum »Mobilen Lernen mit Tablet-Computern« durch. Das Projekt soll die Eignung von Tablets für das mobile Lernen und deren Wirksamkeit zur Verbesserung der Unterrichtsqualität untersuchen. Auch in diesem Bereich fehlen noch Erfahrungen.
»Die Nutzung von mobilen Geräten ist im Bildungsbereich eher prototypisch. Es fehlt an Standards und evidenten didaktischen Modellen«, sagt Klaus Bredl vom Institut für Medien und Bildungstechnologie der Universität Augsburg. »Die zukünftige Entwicklung ist nicht vorhersehbar. Es fehlt an geeigneten Templates und geeigneten Szenarien für die Anwendung mobilen Lernens. Wer mobile Technologien einsetzen möchte – egal ob im Bildungs- oder Bibliotheksbereich, muss Freude am Experimentieren haben.«
Schnelle Antwort per Code
Die einfachste Form, mobile Nutzer anzusprechen, ist nach wie vor die mobile Webseite. Inzwischen hat sich für die mobilen Geräte ein sogenanntes responsives Webdesign etabliert. Lange Zeit war die Devise, eine Webseite für Desktops und eine für mobile Geräte zu schaffen – die Mobilansicht ist dann eine sehr redundante Seite ohne grafischen Schnickschnack: einfache Text-, Bild- und Menü-Elemente. Für Smartphone- und Tablet-Nutzer wirken solche Layouts inzwischen veraltet. Bei Online-Magazinen wie zum Beispiel »Spiegel Online« oder »Stern.de« gibt es je ein Layout für das jeweilige Gerät – die Webserver erkennen, welche Geräte auf die Seite zugreifen und liefern das entsprechende Design.
Das responsive Design hingegen ist adaptiv. Es ist so gestaltet, dass es auf allen Geräten nutzbar ist. So werden zum Beispiel auf breiten Bildschirmen drei Spalten gezeigt, die auf dem Smartphone zu einer dünnen Spalte schrumpfen. Beispiele für diese Art von Design finden sich im Internet: mediaqueri.es. Diese Trends haben zur Folge, dass Nutzer von mobilen Webseiten inzwischen die gleichen Inhalte erwarten wie von Desktop-Versionen.
Doch mobile Geräte haben gegenüber dem Desktop zwei wesentliche Vorteile: Man kann sie überallhin mitnehmen, und sie kommunizieren mittels Sensorik mit der Umwelt. Ein Beispiel dafür ist der QR-Code (von »Quick Response« oder »schnelle Antwort«). Dabei handelt es sich um eine Grafik mit kleinen weißen und schwarzen Punkten, die in vielen Zeitschriften und auf Werbeanzeigen zu finden ist. Die Smartphone-Kamera wird zu einem Scanner. Hält man die Kamera auf den QR-Code, wird der in diesen Punkten enthaltene Code vom mobilen Gerät übersetzt. Meist handelt es sich um eine Webseiten-Adresse, gelegentlich um eine Telefonnummer, elektronische Visitenkarten oder einfach nur zusätzliche Informationen.
Im Internet gibt es kostenlose Generatoren, die QR-Codes herstellen, etwa www.qrcode-generator.de oder qr-code-generator.de. Auf solchen Seiten kann man bestimmte Aktionen in den Code einbauen, wie zum Beispiel eine Webseite aufrufen, eine E-Mail verschicken oder einen Anruf tätigen. Die Codes lassen sich ausdrucken und auf Publikationen verwenden. Eine amerikanische Bibliothek hat einen QR-Code an die Ausgangstür gehängt mit dem Hinweis, »Ihre Bibliothek endet nicht hier im Gebäude«. Der Code verweist auf die Webseite und das dortige E-Book-Angebot.
QR-Codes sind attraktiv, weil sie auf den ersten Blick ein kostengünstiges Werkzeug sind, um Smartphone-Nutzer anzusprechen. Doch das ist nicht ganz richtig. »Es gibt keine freie Technik, denn es gibt immer versteckte Kosten«, sagt Joe Murphy. »Die QR-Codes erfordern viel Arbeitszeit, die allerdings jeder ohne großes Know-how bewerkstelligen kann.« Bisher nutzen Bibliotheken QR-Codes häufig, um den Standort eines Mediums vom Katalog auf das Mobiltelefon zu bekommen oder um bei Zeitschriften und Büchern auf die jeweilige elektronische Variante zu verweisen. Denkbar wären QR-Codes an Büchern, die mit einer Datenbank verknüpft sind, in der Rezensionen und Bewertungen abgelegt sind. Die deutsche Firma LiveQR bietet zum Beispiel QR-Codes mit einem Content-Management-System an, wo die Daten zum Code abgelegt und abgerufen werden können. Insbesondere Museen nutzen solche oder ähnliche Angebote, um bei Ausstellungsstücken zusätzliche Informationen anzubieten.
Für QR-Codes gibt es viele Ideen: Die Supermarktkette Tesco hat zum Beispiel in koreanischen U-Bahnen virtuelle Geschäfte installiert. Dort stehen keine Produkte im Regal. Das Regal ist lediglich ein Wandplakat, auf dem die Produkte in Lebensgröße abgebildet sind – inklusive QR-Code. Mit dem Smartphone scannt man die Codes ein, und das Produkt wird nach Hause geliefert. Die Café-Kette Starbucks testete im vergangenen Jahr in den USA ein Bezahlsystem mit QR-Codes. Die Kunden mussten dafür lediglich auf dem Display ihres Smartphones einen Code anzeigen. Der wird an der Kasse gescannt – der Zahlbetrag wird vom persönlichen Starbucks-Konto abgebucht. Die Musikplattform Spotify bietet sogar an, eine bestimmte Song-Zusammenstellung als Grußkarte mit QR-Code zu versenden. Der Empfänger kann den Code scannen und die Playlist anhören.
Trotz dieser innovativen Ansätze wird in der Marketingbranche darüber diskutiert, ob QR-Codes ihren Zenit schon wieder überschritten haben. Laut den Marktforschern von Nielsen kennen 22 Millionen Deutsche das Prinzip QR-Code, ein Drittel davon hat 2012 mit eigenen oder fremden Smartphones einen Code gescannt, überwiegend von Werbeanzeigen. Die Menschen wollten vor allem gezielte Produktinformationen. »Nur die Hälfte der Haushalte, welche die gescannten Informationen interessant fanden, empfanden sie auch als hilfreich«, heißt es in der Nielsen-Studie.
QR-Code wird wahrscheinlich von einer anderen Technologie abgelöst, der sogenannten Near Field Communication (NFC), auf Deutsch »Nahfeldkommunikation«, eine Funktechnik, die einen schnellen Datenaustausch zwischen Funkchips ermöglicht, sobald sie sich bis auf wenige Zentimeter einander annähern. NFC-Chips können Daten senden und empfangen. Sie sollen vor allem den Bezahlvorgang in Geschäften vereinfachen. Die Kunden müssen dafür ihr Smartphone kurz über ein Terminal halten, um die Transaktion abzuwickeln.
In Deutschland nutzen einige Verkehrsverbünde und die deutsche Deutsche Bahn NFC als Bezahlungsmethode. NFC-kompatibel ist seit 2011 auch der neue Personalausweis, obwohl es dafür bislang wenig Lesegeräte gibt. Kreditkartenanbieter wie Visa und MasterCard geben künftig ihre Karten mit integriertem NFC-Chip aus. Hyundai und BMW arbeiten sogar daran, Autoschlüssel durch NFC-fähige Smartphones zu ersetzen. In dem Projekt »NFC now« wird NFC sogar mit Sensorik verknüpft (www.nfcnow.de/sensor). Die Chips kann man benutzen, um sein Haus auszustatten: Man hält dann sein Smartphone über einen Chip, um zu erfahren, ob der Keller zu feucht, der Lärm zu laut oder die Kühltruhe zu warm ist.
Eng verknüpft mit sozialen Medien
Ein weiterer Trend in den mobilen Service-Angeboten ist die Einbindung von sogenannten ortsabhängigen Diensten. Die Apps nutzen GPS und den integrierten Kompass zur Orientierung. Eine typische Anwendung ist zum Beispiel »Star Walk«, ein populäres Astronomie-App. Per GPS ermittelt es den gegenwärtigen Standort, per internem Kompass die Blickrichtung. Man hält das Tablet gen Himmel und sieht darauf den aktuellen Sternenhimmel eingeblendet – und zwar transparent, sodass man die Sterne leicht findet.
Die finnische Universitätsbibliothek Oulu University Library arbeitet seit einigen Jahren an einer »SmartLibrary«. Damit werden in der Bibliothek sogenannte Landmarken gesetzt – der Bibliothekar setzt diese, indem er mit dem Smartphone an eine bestimmte Stelle geht. So kann er die ganze Bibliothek mit Landmarken versehen, die späteren Besucher können dann mit derselben App bei Fragen einfach an die Landmarken verwiesen werden. Der Vorteil ist, dass das System keine Hardware oder Funkchips benötigt.
Apps wie »Foursquare« bieten Karten mit personalisierten Empfehlungen für die Umgebung, in der man sich gerade befindet, seien es Restaurants, Geschäfte oder auch Bibliotheken. Betritt man mit der aktivierten Foursquare-App einen dieser Orte, checkt man gleichzeitig virtuell dort ein und erhält von dem Geschäft je nach Zahl der Check-Ins als Belohnung ein Geschenk oder einen Rabatt. Die App zeigt an, welche Freunde sich gerade in der Nähe befinden – sofern sie das App nutzen. Man kann mit ihnen in Verbindung treten und Nachrichten austauschen. Außerdem kann man seine Erfahrungen in dem Geschäft auf Twitter und Facebook mitteilen. Der Dienst »Yelp« bietet ähnliche Funktionen – doch beide Apps sind in Deutschland erst noch im Kommen.
Doch diese Beispiele zeigen einmal mehr, wie eng Tablets mit sozialen Medien verknüpft sind. Soziale Medien leben von kurzen Meldungen, Fotos und Status-Updates – und genau dafür sind Smartphones und Tablets geschaffen, da längere Texte mit der Touch-Tastatur mühsam zu bewerkstelligen sind. Folglich setzen viele Unternehmen auf soziale Empfehlungs-Apps, die wie Spotify in der Musik individuelle Empfehlungen geben, die ein Algorithmus ausspuckt – er berücksichtigt das eigene Hörverhalten und das von Leuten, die einen ähnlichen Geschmack haben. Diese Personalisierung wird auch zunehmend bei der Internetsuche eingesetzt. »Das Problem ist, dass uns unsere traditionelle Vorstellung von Datenschutz und die klassische Verleihpraxis die Hände binden«, sagt Jason Griffey, der die Abteilung »Library Information Technology« der Universität Tennessee at Chattanooga leitet. »Es ist schwierig, die Daten für soziale Buchempfehlungen zu nutzen. Falls Bibliothekare einen Weg finden, mit den Daten zu arbeiten, die sie haben, und diese mit den Daten aus andere Bibliotheken zu verknüpfen und zu anonymisieren, hätten sie sehr hilfreiche Werkzeuge.«
Noch weiter in der Zukunft dürfte die Nutzung von Augmented Reality liegen. Augmented Reality vermischt reale und virtuelle Welt. Dabei wird mit der Kamera ein Live-Bild auf dem Bildschirm gezeigt und mit Informationen überblendet. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT arbeitet zum Beispiel an dem Lernspiele-System TOTEM. Ein Spiel, das dabei entstand, nennt sich TidyCity. Damit kann ein Spielführer – ein Lehrer zum Beispiel – seine Schüler mit Smartphones durch eine Stadt schicken, um »aufzuräumen«. Der Lehrer versetzt vorab virtuell in der Stadt Objekte, verschiebt etwa ein Denkmal von seinem ursprünglichen Platz auf einen im Nachbarviertel. Die Schüler müssen mithilfe ihres Smartphones die fehlerhaften Objekte in der Stadt einsammeln und überlegen, wo sie hingehören. Sie gehen dann an die richtige Stelle und versuchen sie dort abzustellen – alles natürlich virtuell. Allerdings ist das Spiel wegen der GPS-Nutzung nicht in Gebäuden möglich. Insbesondere in der Architektur gibt es zahlreiche Pilotprojekte zu Augmented Reality, etwa um Bauwerke schon vor dem Bau am Bauort im Tablet einzublenden. Die Planer können einen Bau komplett begehen.
Nicht zuletzt dürfte die bald erhältliche Google-Brille für einen Augmented Reality-Boom sorgen, da man über diese Brille dann direkt die reale und virtuelle Welt vor Augen haben wird. Man sieht durch die Brille die reale Welt, bekommt dazu Informationen eingeblendet, zum Beispiel Navigationshinweise. Per Sprachbefehl kann man Fotos und Videos aufnehmen. Die Google-Brille wird möglicherweise in zehn bis zwanzig Jahren durch Kontaktlinsen ersetzt – dann wird die intelligente Assistenz jederzeit unsichtbar um uns herum sein. Sehr wahrscheinlich kann man später mit so einer Brille auf der Nase ein Buch in die Hände nehmen und einfach »kaufen« oder »leihen« rufen – und schon kann man es mitnehmen.
Boris Hänßler, Jahrgang 1973, studierte Komparatistik in Bonn und Coimbra und arbeitet seit 2006 als freier Journalist in Bonn. Er schreibt über Informationstechnik und Forschung für Medien wie »Technology Review«, »brand eins«, »NZZ am Sonntag« oder »Zeit Online«. Seit Januar 2012 bloggt er über Roboter, künstliche Intelligenz und Internettrends bei SciLogs.de vom Verlag Spektrum der Wissenschaften.