Wie ChatGPT Bibliotheken verändert

Wie können Sprachmodelle wie ChatGPT in Bibliotheken eingesetzt werden? Ein Erfahrungsbericht mit praktischen Anleitungen.
Abbildung 1: Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz können die Mitarbeitenden in Bibliotheken unterstützen. Fotomontage: Daniela Wittke
Abbildung 1: Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz können die Mitarbeitenden in Bibliotheken unterstützen. Fotomontage: Daniela Wittke

 

Wer in den letzten Monaten mit einem offenen Blick durch die Welt gegangen ist, wird auch in der Bibliothekswelt auf den Trend der Künstlichen Intelligenz gestoßen sein. An ChatGPT (steht für Generative Pre-trained Transformer) von OpenAI kommt man in diesem Zusammenhang nicht vorbei. Dabei handelt es sich um einen Chatbot, der mittels textbasierter Nachrichten mit dem Nutzer kommuniziert und bei den Antworten Künstliche Intelligenz einsetzt. Am 30. November 2022 wurde die Anwendung für die Öffentlichkeit frei zugänglich und erreichte innerhalb von fünf Tagen eine Million Nutzer. Verständlich also, dass inzwischen auch Fortbildungen für Bibliotheksmitarbeitende angeboten werden. Doch wie kann man ChatGPT eigentlich konkret in Bibliotheken einsetzen?

Am 8. Mai 2023 habe ich zu einer ersten Online-Fortbildung zum Thema »ChatGPT in Bibliotheken: Einführung und Einsatzmöglichkeiten« eingeladen. Die Möglichkeiten dieser Anwendung sind unbegrenzt und bieten endlose Optionen, um die eigene Arbeit zu optimieren, automatisieren und Zeit zu sparen. Unterstützt wurde ich beim ersten Online-Seminar zum Thema ChatGPT von Diplom-Informatiker Andreas Hacklinger.

ChatGPT als Bedrohung wichtiger Tätigkeiten in den Bibliotheken?

Interessant waren vor allem die Diskussionen und Meinungen der Teilnehmenden aus unterschiedlichsten Bibliotheken. Es waren Bibliotheksmitarbeitende aus ÖB, WB, aber auch aus Schulbibliotheken anwesend und es kam unter anderem die Frage auf, ob ChatGPT auch als Bedrohung wichtiger Tätigkeiten in der Bibliothek angesehen werden könne, zum Beispiel die Recherche nach Informationen. Warum solle man eine Bibliothek aufsuchen, wenn man 24/7 die gleichen oder sogar bessere Antworten von der Maschine erhalte? Wie wird die Bibliothek der Zukunft gesehen und welche Aufgaben kommen im Umgang mit ChatGPT für Bibliotheken auf? 

Es ist unausweichlich, dass Künstliche Intelligenz einen großen Einfluss auf die Arbeit in Bibliotheken haben wird. Schließlich stehen Bibliotheken auch weiterhin in der Verantwortung, Informationen aufzubereiten und bereitzustellen. Eine Anpassung und Wahrnehmung dieser Tätigkeit ist allerdings wichtig, um der Lebensrealität der Nutzer zu entsprechen. Denn einfache Informationen werden immer weniger in Bibliotheken recherchiert. Chatbots wie ChatGPT sorgen nun dafür, dass auch umfangreiche Recherchen kaum mehr notwendig sind, um ganze Abhandlungen zu verfassen oder komplexe Zusammenhänge darzustellen.



Daher muss sich der Fokus der Bibliotheken immer weiter in Richtungen wie Medienkompetenz und Medienpädagogik bewegen, um relevant zu bleiben. Bibliotheken können ein Ort sein, an dem man Informationen erhält, aber ebenso auch den richtigen Umgang mit Medien erlernt. Wo man lernt, warum Datenschutz wichtig ist und wie man sorgsam prüfen kann, wem man seine Daten anvertrauen kann und welche. Ein Ort, an dem man etwas über Fake News lernt und dass man nicht jeder Quelle Glauben schenken sollte. Menschen in Bibliotheken sind Medienprofis und stehen nun vor der Herausforderung, sich auch als solche in der öffentlichen Wahrnehmung zu positionieren.  

 

Bildungsgleichheit und soziale Teilhabe durch Bibliotheken

Ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger, ist die Arbeit der Bibliotheken in Bezug auf Bildungsgleichheit. Denn gerade durch die weiter voranschreitende Digitalisierung wird soziale Teilhabe für einige Menschen erschwert. Laut Statistischem Bundesamt waren 2022 in Deutschland sechs Prozent der Bevölkerung sogenannte Offliner – sie haben noch nie das Internet genutzt (Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 15. April 2023). 

Dies kann unterschiedliche Gründe haben, für einige Personen wird aber auch der finanzielle Aspekt eine Rolle spielen. Es gibt weiterhin Menschen in Deutschland, die sich schlichtweg keinen eigenen Internetanschluss leisten, geschweige denn die notwendigen digitalen Geräte finanzieren können. Weder für sich selbst noch für ihre Kinder. In Zeiten von Online-Unterricht, -Shopping, Streaming und neuen beruflichen Möglichkeiten durch die Nutzung von KI sorgt dies für soziale Ungleichheiten. Umso wichtiger ist es daher, dass Bibliotheken weiterhin die Nutzung dieser Angebote bereitstellen, dabei unterstützen und sich über vorhandene Trends informieren und fortbilden. Dazu gehört eben auch das große Thema der Künstlichen Intelligenz und ihr Potenzial für die Medien- und Informationsbranche.

 

Ablehnung und Unverständnis auf Leitungsebene

Vor diesem Hintergrund ist es besonders überraschend, dass es Bibliotheksleitungen gibt, die eine Fortbildung zum Thema ChatGPT auf Anfrage ihrer Mitarbeitenden abgelehnt haben, mit der Begründung, dass sie es nicht für relevant erachten. Erschreckend, da dies dem Klischee der Bibliotheken entspricht: veraltet und innovationsablehnend. Es ist an der Zeit, dass Bibliotheken zeigen, dass sie Innovationen fördern und unterstützen, auch wenn es in der Praxis oft schwierig ist. Denn der immer schneller voranschreitende digitale Wandel wird auch weitere Aspekte des beruflichen und privaten Lebens einnehmen und ändern – ungeachtet der Bibliotheken. Das Einzige, das über den Fortbestand der Bibliotheken entscheiden wird, ist der eigene Antrieb zu Veränderungen und die Implementierung von Innovationen und neuen Angeboten in bestehende Strukturen.



Chancen für den beruflichen Alltag in Bibliotheken

In vielen Branchen ist die Nutzung von ChatGPT bereits nicht mehr wegzudenken, denn der Chatbot bietet als textbasierte Anwendung eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten. Auch für Bibliotheken ist dies interessant, ist ständiger Fachkräftemangel und die damit verbundenen Herausforderungen doch immer wieder Thema. ChatGPT kann dabei als unterstützende Kraft dienen. Künstliche Intelligenz kann zwar nicht als Ersatz für menschliche Intelligenz angesehen werden, aber als eine Ergänzung, die es uns ermöglicht, unsere Potenziale besser auszuschöpfen. 

 
»Der Fokus der Bibliotheken muss sich immer weiter in Richtungen wie Medien­kompetenz und Medienpädagogik bewegen, um relevant zu bleiben.«

 

Konkret kann man den Einsatz von ChatGPT mit sogenannten Prompts steuern. Prompts sind die Texteingaben, die an den KI-Generator gesendet werden, um eine Antwort oder Fortsetzung des Textes zu erhalten.

Dos und Don‘ts bei ChatGPT-Prompts

ChatGPT ist nur dann hilfreich, wenn der Anwender weiß, was er tut. Die Qualität des Prompts entscheidet darüber, ob ChatGPT eine hilfreiche Antwort gibt oder enttäuscht. Deshalb sollten bei der Eingabe der Prompts einige Dinge beachtet werden.


Dos:

  • Anweisungen müssen klar und eindeutig formuliert werden, um bessere Ergebnisse zu erzielen.
  • Ausreichend Informationen und Kontext sorgen dafür, dass die KI das Thema oder die Fragestellung besser versteht.
  • Prompts können iterativ verbessert werden und weiterführende Fragen eigenen sich, um die gewünschten Antworten zu erhalten.


Don’ts:

  • Mehrdeutige oder vage Anweisungen können zu ungenauen Antworten führen.
  • Negative oder schädliche Inhalte, die Gesetze und Ethik verletzen, sind nicht erlaubt.
  • Persönliche Daten oder sensible Informationen sollten nicht in Prompts geteilt werden.

Einsatzmöglichkeiten in Bibliotheken mit konkreten Prompts

ChatGPT kann Texte generieren und übersetzen, aber auch Programmiercode oder Tabellen schreiben. Wenn man sich einmal überlegt, welche Texte man regelmäßig schreibt und wie viele Informationen man zusammenstellt, hat man eine ungefähre Ahnung, wie ChatGPT die Arbeit erleichtern kann. Folgende Einsatzmöglichkeiten bieten sich unter anderem an, inklusive ChatGPT-Prompts für die direkte Umsetzung. (Hinweis: Bei den Prompts sollte der [Text in Klammern] durch die individuellen Informationen ausgetauscht oder im Anschluss erläutert werden. Siehe Beispiel in Abbildung 2.)

 

Pressemitteilungen

»Ich arbeite in der Bibliothek [Name der Bibliothek]. Ich muss eine Pressemitteilung für [Art des Ereignisses] erstellen. Kannst du mir dabei helfen, einen überzeugende Pressemitteilung zu verfassen, die die [einzigartige Merkmale/Vorteile] unseres Angebots hervorhebt?«

 

Social Media

»Wir sind [Name der Bibliothek]. Kannst du [Anzahl] Inhaltsideen für [Spezifische Social Media Plattform] vorschlagen, die sich auf [Thema] beziehen und die [Zielgruppe] ansprechen können? Bitte beschreibe außerdem jede Idee kurz und gib an, wie sie umgesetzt werden kann.«

 

Übersetzungen

»Übersetze bitte diesen Text von [Quellsprache] in [Zielsprache]: [Text für die Übersetzung]«

 

Kundensupport

»Wie kann ich in einer E-Mail effektiv auf die Beschwerde eines Kunden reagieren? Die Beschwerde des Kunden lautet: [Beschwerde/Nachricht des Kunden]«

 

Buchempfehlungen

»Ich mochte den Schreibstil von [Autor] in [Buchtitel]. Kannst du mir ein [Genre] Buch mit einem ähnlichen Schreibstil empfehlen?«

 

Buchzusammenfassungen

»Erstelle eine Zusammenfassung [Länge] für [Buchtitel] von [Autorenname] und hebe die wichtigsten Themen hervor, die in dem Buch behandelt werden.«

 

Stellenausschreibung

»Wie können wir unsere Stellenausschreibung inklusiver und einladender für Bewerber mit unterschiedlichem Hintergrund gestalten? Bitte gib uns Tipps und Formulierungsvorschläge für eine inklusivere Stellenbeschreibung für eine [Stellenbezeichnung] Position bei [Name der Bibliothek].«

 

Katalogisierung

»Nimm die Rolle eines Bibliothekars an. Erstelle eine Liste von Schlagwörtern für das Buch [Buchtitel] von [Buchautor], basierend auf dem Inhalt und den behandelten Themen.«

Künstliche Intelligenz und textbasierte Anwendungen wie ChatGPT haben bereits Einfluss auf unser Leben und unser berufliches Umfeld. Ob wir wollen oder nicht. 

Weitere Einsatzmöglichkeiten können Veranstaltungsorganisation, Erstellung einer Marketingstrategie, Schreiben von E-Mails und Artikeln oder die Generierung von Ideen sein. Im Grunde ist die Implementierung von ChatGPT in die eigene Arbeitsroutine sehr individuell und an die Bedürfnisse und Fähigkeiten des einzelnen geknüpft. Die Texte von ChatGPT sollten dabei nie ohne Kontrolle oder Abwandlungen eins zu eins übernommen werden, da auch eine KI nicht fehlerfrei ist und der eigene Schreibstil bewahrt werden sollte. Zur Inspiration und Arbeitserleichterung ist die Anwendung aber in jedem Fall zu empfehlen.

Weitere Ideen für die Verwendung von ChatGPT enthält das ChatGPT Prompt Bundle für Bibliotheken. Darin enthalten sind die Prompts für sämtliche Einsätze in Bibliotheksbereich, unter anderem Marketing, Leitungsaufgaben und Bibliotheksangebote. Weitere Infos hier: 
https://bibliotheken-online.com/chatgpt

Zukunft von ChatGPT

Seit der ersten Veröffentlichung hat sich ChatGPT bereits umfassend geändert. Immer wieder gibt es neue Updates. Während die erste Version komplett kostenlos war, gibt es inzwischen zusätzlich verschiedene Bezahlvarianten und auch eine API für die eigene Integration. Damit ist es zum Beispiel möglich, einen bibliothekarischen Chatbot auf der eigenen Bibliothekswebsite zu erstellen, der auf Künstliche Intelligenz zurückgreift. Dieser könnte dazu genutzt werden, um einfache Fragen von Nutzern zu beantworten und die Arbeitslast der Mitarbeitenden zu verringern.

Seit Mai 2023 ist ChatGPT nach einem umfangreichen Update außerdem in der Lage, Antworten nicht nur aus bestehenden Informationen zu geben, sondern in Verbindung mit Plug-Ins auf Internetquellen zuzugreifen. So können aktuelle Trends, Nachrichten und Ereignisse in Echtzeit wiedergegeben werden. Dies ist allerdings nur mit einem zahlungspflichtigen Plus-Account möglich (Stand Mai 2023).

Chance oder Risiko?

Auf die Kritik zu ChatGPT wurde in diesem Artikel bisher bewusst nicht eingegangen, da diese Kritiken oft mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. So sind datenschutzrechtliche Aspekte immer wieder Thema, werden aber in Updates regelmäßig aufgegriffen. Ob Studierende noch geistige Eigenleistungen erbringen, oder lieber auf KI-Tools zurückgreifen, wird sich zeigen. Ebenso, ob in Bibliotheken bald nur noch Bücher stehen, die von KI geschrieben sind. Oder welche Berufe aussterben und welche neu geschaffen werden. Durch den rasanten Fortschritt Künstlicher Intelligenz und damit verbundenen Anwendungen können mögliche Auswirkungen noch nicht ausreichend eingeschätzt und geprüft werden. Fest steht aber: Künstliche Intelligenz und textbasierte Anwendungen wie ChatGPT haben bereits Einfluss auf unser Leben und unser berufliches Umfeld. Ob wir wollen, oder nicht. Es liegt allein in unserer Hand, ob wir dieses Potenzial nutzen.

Daniela Wittke ist ausgebildete FaMI mit Erfahrungen in Öffentlichen Bibliotheken. Seit 2016 vertieft sie ihre Kenntnisse im Marketing, zunächst als Trainee einer Online Marketing Agentur in Berlin und verschiedenen Startups. Inzwischen verbindet sie ihre beiden Leidenschaften zu Bibliotheken und Marketing miteinander und gibt auf »Bibliotheken online« (bibliotheken-online.com) ihr Wissen weiter, um ihren Teil zum Fortbestand von Bibliotheken leisten zu können.

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