Von Melina Rossmann und Hannah Vehreschild
Der Verein »Allerweltshaus Köln« setzt sich als Ort der Begegnung seit vielen Jahren für Austausch, Vielfalt und Teilhabe ein. Doch wie gelingt das in Zeiten der Pandemie? Was für Wege gibt es, sich zu engagieren – und was, wenn ich selbst einen Verein gründen möchte? Das Allerweltshaus berichtet über die Voraussetzungen und die größten Herausforderungen.
Persönlicher Austausch und Teilhabe: Auf den ersten Blick verhinderten die Pandemie-Maßnahmen und Kontaktbeschränkungen die Ziele des Allerweltshauses Köln. Doch damit wollte man sich nicht geschlagen geben. Schließlich hat die globale Krise die Bedeutung entwicklungspolitischer Bildungsarbeit eindrücklich vorgeführt. Genau für diesen Bereich ist Julia Paffenholz als Vorstandsmitglied beim Allerweltshaus Köln verantwortlich. Die Pandemie hat ihre Arbeit von jetzt auf gleich völlig verändert, doch die Notlage haben sie und ihr Team zu einer Chance gemacht und neue Formate entwickelt. Weiterbildungen, Beratungen, Seminare: Was bisher vor allem analog ablief, ist nun ins Virtuelle umgezogen. »Die Zeitersparnis gegenüber einer Live-Umsetzung ist auf jeden Fall ein Vorteil für uns«, sagt Paffenholz. »Wir erreichen nun auch Zielgruppen außerhalb von Köln und begegnen in unseren Online-Veranstaltungen spannenden Ansprechpartnern, die mir sonst vielleicht nie begegnet wären.«
Das Allerweltshaus Köln denkt schon lange länderübergreifend und bringt Kulturen näher zusammen. Der Schwerpunkt liegt auf dem globalen und interkulturellen Lernen sowie der Menschenrechtsbildung. Dabei orientiert sich die entwicklungspolitische Bildungsarbeit an den Werten der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), um die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln zu befähigen.
Viele der Angebote leben von der Interaktion. »Auch wenn es nicht möglich war, an neue Kooperationspartner heranzutreten und Angebote auf die gewohnte Art zu platzieren, nutzten einige Schulen die Chance, das Allerweltshaus in Projekte miteinzubeziehen«, erzählt Paffenholz. »Wir haben seit Januar das neue Thema Biodiversität im Programm, das gerade besonders nachgefragt wird – und sich trotz Pandemie gut umsetzen lässt.« Das Allerweltshaus führt Hochbeet-Aktionen mit mehreren Schulen durch. Bei diesen Hochbeet-Erstbepflanzungen gibt es auch theoretischen Input für die Schülerinnen und Schüler rund um das Thema Biodiversität. So wird das Klassenzimmer nach draußen verlegt.
Ein Tipp von Julia Paffenholz zur Entwicklung von neuen Angeboten und Projekten: Weniger ist mehr. »Wir waren früher sehr nachfrageorientiert. Das ist arbeits- und zeitintensiv. Jetzt setzen wir mehr auf die Formate, die sich bereits bewährt habe, entwickeln sie weiter und ergänzen neue Themen. Wir professionalisieren diese einzelnen Module und passen sie flexibel an die Nachfrage an.« Man muss sich also nicht immer wieder neu erfinden. Anregungen, Ideen und gute Materialien finde man bei Germanwatch oder dem Südwind Verein für Entwicklungspolitik und globale Gerechtigkeit.
Auch wenn ihre Arbeit beim Allerweltshaus gerade anders aussieht als sonst, Julia Paffenholz nimmt auch Positives aus dieser Zeit mit: »Wir sind deutschlandweit enger zusammengerückt in der Eine-Welt-Szene. Durch die digitalen Formate entfallen viele Kosten und es gibt tolle technische Möglichkeiten für die Umsetzung von Angeboten. Das war eine interessante Erfahrung, die auf jeden Fall ein Plus ist.«
Und was steht aktuell beim Allerwelthaus an? »Wir haben seit März 2021 eine Multiplikator*innen-Ausbildung für unsere Referent*innen konzipiert, die komplett digital stattfindet. Die Ausbildung setzt sich aus mehreren inhaltlichen Schulungen sowie Multischulungen mit pädagogischem Schwerpunkt zusammen. Themen sind zum Beispiel Biodiversität, Klimagerechtigkeit und Menschenrechte. Wir hoffen, dann bald mit den vielen neuen Referent*innen durchstarten zu können.«
Das Allerweltshaus Köln
Das Allerweltshaus Köln tritt für soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Verantwortung für die nachkommenden Generationen ein. Der Verein wurde 1987 von sieben Gründungsmitgliedern ins Leben gerufen – zwei sind noch heute Mitglied. Zu diesem Zeitpunkt gab es staatliche Gelder und Maßnahmen für die Integration von Gastarbeiter*innen, jedoch nicht für die Geflüchteten, so Julia Paffenholz. Der Auslöser war also, wie bei vielen Eine-Welt-Vereinen, die Solidarität zu der stetig wachsenden Anzahl an besonders lateinamerikanischen sowie afrikanischen Geflüchteten. Für diese Zielgruppe sollten Gelder akquiriert werden sowie eine Infrastruktur und ein Raum zum Austausch geschaffen werden.
Auch das Allerwelthaus stand im Laufe der Vereinsgeschichte vor großen Herausforderungen: Die Gründung selbst sieht Frau Paffenholz als die kleinste Schwierigkeit. Der bürokratische Aufwand ist jedoch hoch. Und die Vorstandsmitglieder haften bei fahrlässigem Verhalten mit ihrem Privatvermögen. Das schreckt viele Menschen ab. Oftmals besäßen besonders junge Leute wenig Bereitschaft für so viel Kontinuität und seien distanzierter, sich zu verpflichten oder festzulegen, sagt Paffenholz. Dazu gehören die Teilnahme an Sitzungen und eine Menge formaljuristische Bürokratie. Paffenholz betont: »Ehrenamtliches Engagement bei jungen Leuten zu erreichen, finden wir als Allerweltshaus nicht schwer – aber von diesen welche in den Vorstand zu bekommen, ist fast unmöglich.« Auch die Diversität fehlt aus diesen Gründen häufig: Die eigentliche Zielgruppe des Vereins sei ebenfalls schwer für eine Mitgliedschaft zu begeistern, mitunter seien Sprachbarrieren ein Problem.
Besonders in der Entstehungsphase muss sich ein Verein auch finanziellen Herausforderungen stellen. Da Vereine sich vorrangig über – oder Mitgliedsbeiträge und Spenden finanzieren, sind (Förder-)Mitglieder unerlässlich. Das Allerweltshaus verfügt derzeit über 60 Fördermitglieder – die gespendeten Beiträge variieren in der Höhe stark und sind damit schwierig zu kalkulieren. Die Geschäftsführung und der Vereinsalltag seien, so Paffenholz, schwer zu finanzieren: »Obwohl wir ein paar Kampagnen gestartet haben, ist die finanzielle Basis eines Vereins wirklich schwierig. (...) Institutionelle Förderung für die ganz normalen Tätigkeiten eines Vereins gibt es keine.« Bezüglich der Projektfinanzierung sieht sie weniger Probleme. Hier können vielfach Fördermittel beantragt werden. Auch rät sie dazu, Kampagnen zu starten und regelmäßig Anträge bei Institutionen einzureichen.
Und was sollte man mitbringen, um Vorstandsmitglied eines Vereins zu sein? Natürlich spielt Engagement und Begeisterung für das Thema eine große Rolle, dennoch wird einiges mehr benötigt. Als Vorstandsmitglied sind für Paffenholz weniger das inhaltliche Engagement, sondern die Organisationsfähigkeit relevant. Der Anteil an administrativen Aufgaben sei hoch. »Diese Verantwortung zu übernehmen ist etwas für Menschen, die das Thema wichtig finden, aber nicht nur auf den Inhalt Lust haben – sondern gern organisieren.« Abschließend haben wir Julia Paffenholz gefragt, was sie neuen Vereinsgründer*innen noch mit auf den Weg geben möchte. »Ich würde mir eine Gruppe Menschen suchen, die das Ziel alle gleichstark erreichen wollen«, rät sie. Der Verein sollte von Beginn an nicht vorrangig von einer Person organisiert werden. Die Verantwortung sollte demnach bereits bei der Gründung von keiner Einzelperson getragen werden. »Es sollte auf mehrere Schultern verteilt werden, um zu schauen, ob es tragfähig ist.«