»Wir recherchieren überall wo es möglich ist, im Internet, in Bibliotheken, in Universitäten«

Ein Interview mit Armin Maiwald, dem Miterfinder der »Sendung mit der Maus«, über die Maus, gründliche Recherche und die Atmosphäre von Bibliotheken.
»Hüpf«, eines der ganz seltenen Worte, das die Maus aus der »Sendung mit der Maus« je gesprochen hat: In dem 37-sekündigen Clip ist die Maus in einer Bibliothek und versucht an das Buch mit der Aufschrift »Maus« heranzukommen. Quelle: WDR

Armin Maiwald ist Buchautor, Erfinder, Fernsehproduzent, Journalist, Moderator, Regisseur sowie Sprecher und bezeichnet sich selber als »Eierlegende Wollmilchsau«. Er hat vor 50 Jahren die »Sendung mit der Maus« mit erfunden, die noch heute nicht nur Kinder, sondern auch immer mehr Erwachsene begeistert. Vor etwa 30 Jahren kannten viele Kinder auch die Sendungen »Hallo Spencer«, dessen Regieassistent er war, sowie »Robbi Tobbi und das Fliewatüüt« bei der er die Regie führte. Über die letzten Jahre archivierte Maiwald seine Beiträge zur Sendung mit der Maus in der »Bibliothek der Sachgeschichten«. Derzeit ist der Kölner einer der Quizexperten in der Sendung »Frag doch mal die Maus«. Am 23. Januar ist Maiwald 82 Jahre alt geworden. BuB-Herausgeber Dirk Wissen hat mit dem Autor gesprochen.

BuB: Herr Maiwald, stimmt es, dass die Maus auch ein Nilpferd hätte sein können?

Armin Maiwald: Ja, das stimmt, diese Überlegung gab es anfangs. Sowohl die Maus als auch das Nilpferd sind beides Figuren aus dem Buch »Achtundzwanzig Lachgeschichten« von Ursula Wölfel. Eine der Geschichten ist »Die Maus im Laden« und die andere Geschichte heißt »Die Geschichte vom Nilpferd und dem Fotografen«. Die Redaktion ließ beide Geschichten von unterschiedlichen Grafikern als Bilderfolgen zeichnen, die dann abgefilmt wurden und im Programm liefen.

 

Hatten Sie damals das Buch von Ursula Wölfel in einer Bibliothek entdeckt?

Nein, wir brauchten kaum in Bibliotheken zu gehen, weil die Verlage uns von sich aus viele Bücher zugesendet hatten. Die Verlage hatten bereits damals versucht, nicht nur über die Buchmessen sehr viel Aufmerksamkeit für ihre neuen Werke zu erhalten. Unsere Redaktion war dann auch immer voll mit den Zusendungen und die Schreibtische waren dementsprechend voller Bücher.

 

Hätte die Maus denn nicht auch ein »Schlaufuchs« oder eine Eule sein können?

Ein schlauer Fuchs oder eine schlaue Eule sollte es genau nicht sein, denn die Maus sollte von Beginn an keine Lehrerfunktion erhalten. Wir wollten ja auch nie den Unterricht ersetzten oder imitieren, das wäre wie Eulen nach Athen tragen. Und wir wollen bis heute auch keine Schule der Nation sein. Uns war bewusst, dass wir in einem Unterhaltungsmedium arbeiten und es gab damals bereits genug sprechende Comic-Figuren, weshalb unsere Maus keinesfalls sprechen sollte. Und das hat sie bis heute nicht getan, außer mit einem einzigen Wort: »Hallo«. Das ist das einzige Wort, das sie in den letzten 50 Jahren je gesprochen hat.

 

Das stimmt nicht ganz. Da korrigiere ich Sie lehrerhaft, denn sie sagt beispielsweise in dem Clip, in dem Sie vor einer Bücherwand steht und ihr »Maus-Buch« holen möchte, plötzlich das Wort »Hüpf«.

Das war mir nicht bewusst. Aber wenn Sie etwas sagt, dann nur solche einzelnen kleinen Worte. Aber sie spricht nicht wie Micky Maus oder wie die Mäuse aus »Tom und Jerry« und »Speedy Gonzales«. Alle Zeichentrickfiguren, die es damals bereits gab, haben gesprochen und viele hatten oft eine piepsige Kindersprache. All das wollten wir unter gar keinen Umständen. Deswegen haben später auch weder der Elefant noch die Ente geredet. Der Elefant prustet und die Ente quakt höchstens mal, aber sie sagen nie ganze Sätze.

 

Von der Sprache dieser Tiere zu den Sprachen dieser Welt: Am Anfang der Sendung findet die Begrüßung immer auch in einer anderen Sprache statt …

Genau, andere Sprachen waren unserer Redaktion von Beginn an wichtig. Damals, als wir die ersten Sendungen produzierten, kamen die ersten Gastarbeiter nach Deutschland. Das waren vor allem Italiener, Portugiesen, Spanier und Menschen aus dem damaligen Jugoslawien, weshalb es bei einer der ersten Begrüßungen hieß: »Das war serbokroatisch!«. Unsere Redaktion dachte, wenn die Gastarbeiter ihre Kinder mitbringen, die unsere Sprache noch nicht sprechen, dann wollen wir ihnen wenigstens ein paar Stichworte geben, worum es bei den Filmbeiträgen geht, die sie sehen werden. Und mittlerweile gibt es in allen Sprachen dieser Welt, von Kisuaheli bis Chinesisch und Kölsch sowie Dialekten, diese Begrüßung.

 

Bereits seit 50 Jahren gibt es jetzt die »Sendung mit der Maus«: Was war aus Ihrer Sicht der größte Wandel in diesen vergangenen 50 Jahren?

Unsere ersten Filme waren für die damalige Zeit wahnsinnig kurz geschnitten. Es hieß, dass das alles zu schnell sei, was wir da machten und über die Köpfe der Kinder hinweg gehe. Und es wurde kritisiert, dass wir die Dinge nicht benennen, weil wir damals alles ohne Kommentar gesendet haben. Das wurde uns von vielen Leuten vorgeworfen, auch von denen, die uns heute so sehr loben, wie beispielsweise den Pädagogen. In der zweiten Staffel haben wir deshalb alles etwas langsamer gemacht und in den Beiträgen auch Stichworte gegeben. Das waren anfangs nur Stichworte, bis wir 1972 erstmals einen ganzen Satz sagten, der lautete: »Hier soll eine Autobahn gebaut werden.« Das war der allererste Satz, der jemals in den Sachgeschichten gesprochen worden ist. Und das waren damals die schlimmsten und langweiligsten Filme, die ich heute noch meinen Auszubildenden vorführe und ihnen erkläre, dass man sich von den Kritikern nicht ins Bockshorn jagen lassen sollte. Heute sind also die Filme schneller und manche alten Beiträge haben wir upgecycelt, indem wir sie nochmal neu gedreht haben, die nicht so lange Szenen haben, wie beispielsweise Verfolgungsjagden im Tatort-Krimi.

 

In Bibliotheken haben sich über die Jahre die Auskunftsfragen gewandelt, bestimmt haben sich auch die Fragen an die Maus verändert?

Ja, natürlich haben sich auch die Fragen an die Maus gewandelt. Heute gibt es Fragen, die vor 30, 40 oder 50 Jahren noch gar nicht möglich waren: »Was passiert, wenn ich bei meiner Computertastatur den Buchstaben ›A‹ drücke?« Oder: »Woher weiß mein Handy, dass ich mich gerade auf der Domplatte in Köln befinde?«. Solche Fragen kommen natürlich erst mit neuer Technologie auf. Aber von Beginn an waren die Sachgeschichten bereits auf das alltägliche Leben der Kinder bezogen. Und heute findet das Alltagsleben eben in einer anderen Umgebung statt, es gibt beispielsweise zu Hause den Computer und viele haben ein Handy. Die neuen Themen beruhen oft auf technischen Fragestellungen und sind damit oft schwieriger zu beantworten, als es damals der Fall war. Die Recherchezeit ist dadurch sehr viel länger geworden, und bis wir mal einen Experten gefunden hatten, der uns erklären konnte, was auf einer Platine eines Computers passiert, wenn jemand das ›A‹ drückt oder die Computermaus klickt und was dabei in Millisekunden Digitales passiert, benötigte viel Zeit. Das ist alles viel komplizierter geworden. Sowohl in der Vorbereitung und der Recherche als auch am Ende in der Darstellung beim Dreh.

 

Für Ihre Recherche nutzen Sie sicherlich auch Bibliotheken?

Wir recherchieren überall wo es möglich ist, im Internet, in Bibliotheken, in Universitäten und wir fragen vor allem Fachleute. Wobei der Weg zu den Gesprächen mit den Fachleuten so ist, dass eine schnelle Überblicksrecherche zum Thema im Internet erfolgt, um herauszufinden, wer sich explizit mit etwas auskennt. Da war früher ein Fachbuch, das wir uns aus der Universitätsbibliothek Köln oder einer der Fachbibliotheken raussuchten, entscheidender. Aber es geht uns erst mal darum, zu einem bestimmten Menschen zu kommen, der uns eine bestimmte Frage beantworten kann. So gab es mal eine Geschichte zur Frage eines Kindes, das wissen wollte, woher eine Kopfschmerztablette weiß, dass sie in den Kopf soll, obwohl sie vorher in den Magen geht.

Dafür habe ich ein halbes Medizinstudium absolviert und die Recherche hat über ein halbes Jahr gedauert. Zudem hat mir dann ein Professor das Thema mit vielen Büchern und Fremdwörtern erklärt. Ich verstand nix. Doch dann hat er einen Zettel genommen und begann aufzumalen: die Speiseröhre, den Magen, die Wege mit den Blutbahnen zum Kopf und wo dann was alles passiert. Erst dieser Zettel mit seiner Handzeichnung hat mir ermöglicht, ein Drehbuch zu schreiben und den Film drehen zu können. So wurde dieser Zettel zu meiner Quelle.

Lesen Sie weiter: Das vollständige Interview mit Armin Maiwald ist in BuB 01/2022 erschienen.

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