So geht Eingruppierung jetzt

Grundlagenwerk für die Eingruppierung in Bibliotheken: Konrad Umlauf bespricht den ersten Teil der Neufassung der »Arbeitsvorgänge in Bibliotheken«.
Grundlagenwerk für die Eingruppierung in Bibliotheken: Die »Arbeitsvorgänge in Bibliotheken« für die Öffentlichen Bibliotheken. Titelfoto: ai11/www.shutterstock.com

 

Arbeitsvorgänge in Bibliotheken / herausgegeben vom Berufsverband Information Bibliothek in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bibliotheksverband. Reutlingen; Berlin: BIB. Bd. 1. Öffentliche Bibliotheken im Geltungsbereich des TVöD-VKA (AVÖB). 2020. 160 Seiten. ISBN 978-3-00-066947-7 (Softbound), ISBN 978-3-00-066948-4 (Ringbindung) – EUR 29,95

1978 erschien erstmals eine Handreichung1, die die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsordnungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags mit konkret beschriebenen Arbeitsvorgängen in Bibliotheken verknüpfte, wenn auch nur in Wissenschaftlichen Bibliotheken. 1999 und 2000 folgten, jetzt unter der Regie des Deutschen Bibliotheksinstituts und unter Einbeziehung der bibliothekarischen Berufsverbände, Neufassungen sowohl für Öffentliche2 wie für Wissenschaftliche3 Bibliotheken (AVÖB-1999, AVWB-2000). Sie folgten dem bewährten Muster, in einer Tabelle Arbeitsvorgänge in Bibliotheken konkret zu benennen, zum Beispiel Einstellarbeiten und Regalkontrolle, und ihnen die Tätigkeitsmerkmale, wie sie in den Vergütungsordnungen aufgelistet sind, zuzuordnen. Aus zwei Gründen waren wiederum Neufassungen erforderlich.

Geändertes Tarifrecht

Erstens vereinbarten die Tarifpartner mit Geltung ab 1. Januar 2020 für den Bereich der Länder und mit Geltung ab 1. Januar 2017 für den Bereich der Kommunen neue Entgeltordnungen anstelle der früheren Vergütungsordnungen, aber mit gleicher Funktion. Die Hierarchie der Tarifgruppen in den neuen Entgeltordnungen ist nicht identisch mit der Hierarchie in den früheren Vergütungsordnungen, sodass eine einfache Zuordnung nicht möglich ist.

Auch wurden die einzelnen Tätigkeitsmerkmale etlicher Entgeltgruppen (zum Beispiel eine Tätigkeit, die gründliche Fachkenntnisse erfordert) teilweise geändert, wenn auch oft nur in scheinbaren Nuancen, die aber bei unveränderter Tätigkeit eines Bibliotheksmitarbeiters in manchen Fällen zu einer höheren Eingruppierung führten. Für den Bereich der Kommunen und der Länder ist ein einschneidender Unterschied zu den früheren Vergütungsordnungen, dass nun die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale, die für die allgemeine Verwaltung gelten, auch auf Tätigkeiten in Bibliotheken angewendet werden. Einen Bezug zu bibliothekarischen Spezifika, beispielsweise Bestandsgrößen oder Ausleihzahlen, gibt es nicht mehr. Umso dringlicher werden die neuen Handreichungen benötigt, da die Formulierungen der Tätigkeitsmerkmale entsprechend abstrakt sind, wenn beispielsweise von einer Tätigkeit die Rede ist, die sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung heraushebt.

Zweitens haben sich in vielen Fällen die Arbeitsvorgänge in den Bibliotheken selbst verändert, teils durch Technikeinsatz, teils sind Aufgaben neu entstanden, die in 1999 und 2000 noch jenseits des Horizonts lagen, oder Aufgaben haben sich ausdifferenziert. Beispielsweise führte AVÖB-1999 den Arbeitsvorgang Kontaktarbeit auf, während AVÖB-2020 zwischen Kontaktarbeit mit Bildungseinrichtungen und der allgemeineren Kontaktarbeit, Netzwerkarbeit unterscheidet.

Aufbau des Werkes

Wie die älteren AVÖB und AVWB besteht AVÖB-2020 im Wesentlichen aus zwei Teilen. In einem langen Textkapitel wird erklärt, wie Eingruppierung im öffentlichen Dienst funktioniert. Im Tabellenteil wird in je einer Zeile der Arbeitsvorgang genannt, erläutert, nach seinen Anforderungen beschrieben und einem Tätigkeitsmerkmal, wo vorhanden zusätzlich einer Fallgruppe, zugeordnet. In der letzten Spalte steht als Ziffer die entsprechende Entgeltgruppe – oder mehrere Entgeltgruppen, wenn sich diese Entgeltgruppen nicht in der Qualität des Tätigkeitsmerkmals unterscheiden, sondern im zeitlichen Umfang, in dem das betreffende Tätigkeitsmerkmal am Arbeitsplatz vorhanden sein muss. Fußnoten erklären dann derlei Details.

In ihrem Vorwort spricht die Bundesvorsitzende des Berufsverbands Information Bibliothek (BIB) der Arbeitsgruppe, insbesondere der Kommission für Eingruppierungsberatung, und den hinzugezogenen Experten ihren Dank aus – selbstverständlich –, kündigt einen Teil 2 an – das wäre AVWB-202x – und hebt hervor, dass anders als bei den früheren AVÖB und AVWB diesmal der Deutsche Bibliotheksverband, also die Arbeitgeberseite als Kooperationspartner beteiligt ist. Für den Bundesvorstand des Deutschen Bibliotheksverbands schreibt Petra Büning in ihrem Vorwort, dass es sich hier nicht um einen Rechtskommentar zur Anwendung der Entgeltordnung handele – damit verkleinert sie das Gewicht der vorliegenden Publikation unnötig.

Rüstzeug für gute Stellenbeschreibungen

Der Textteil gibt gut lesbar eine klare Darstellung der erforderlichen Sachverhalte wie Tätigkeitsmerkmal, Höhergruppierungsantrag und so weiter und gibt handlungsorientiert dem Leser das Rüstzeug an die Hand, um gute Stellenbeschreibungen zu erstellen. Sehr berechtigt sind zwei gut erklärte Hinweise: Arbeitsvorgänge dürfen nicht zu allzu zerfaserten Tätigkeiten aufgespalten werden (Atomisierungsverbot, Seite 25) und Leitungsfunktionen sind als ein Arbeitsvorgang darzustellen (S. 51), denn besonders bei Leitungsfunktionen kann die Zerlegung in untergeordnete Arbeitsvorgänge zu einer Abgruppierung führen. Vorzüglich ist der Hinweis, dass eine Arbeitsplatzbeschreibung maximal fünf bis sieben Arbeitsvorgänge (S. 31) umfassen soll. Als Beispiele für Formulare für Arbeitsplatzbeschreibungen sind die aus Essen und Villingen-Schwenningen enthalten – seltsamerweise nicht der Vordruck der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt). Im Literaturverzeichnis vermisst der Rezensent die einschlägigen Handreichungen der KGSt zur Eingruppierung.

Wiederholt betont der Textteil, dass die Bewertung von Arbeitsvorgängen subjektiv sein könne, dass also ein und derselbe Arbeitsvorgang in der einen Kommune einem niedrigeren oder höheren Tätigkeitsmerkmal als in einer anderen Kommune zugeordnet werden könne. Versteht sich AVÖB-2020 nur als unverbindliche Meinungsäußerung? Die bibliothekarischen Verbände sollten stattdessen alles daransetzen, AVÖB-2020 zu einem von Kommunalverwaltungen und Arbeitsgerichten respektierten Standard zu machen.

Arbeitsvorgänge

Der Tabellenteil führt 172 Arbeitsvorgänge auf. Sie sind ähnlich wie in AVÖB-1999 gruppiert, zum Beispiel Bestandsaufbau oder Öffentlichkeitsarbeit. Im Einzelnen sind etliche Arbeitsvorgänge aber etwas anders formuliert als in AVÖB-1999. Beispielsweise unterscheiden die AVÖB-1999 bei der bibliografischen Erfassung, ob Sonderregeln für bestimmte Medienarten angewendet werden oder nicht. Diese Unterscheidung ist nach Umstellung auf RDA gegenstandslos, weil die RDA Katalogisierungsregeln für alle Medienarten enthalten. AVÖB-2020 unterscheiden an dieser Stelle verschiedene Anforderungsniveaus und mithin verschiedene Entgeltgruppen nach dem Kriterium einteilige beziehungsweise mehrteilige Monografien. Damit sind Anforderungen, wie sie sich aus den RDA ergeben, angemessen abgebildet.

Der gewandelten Praxis entsprechend sind Arbeitsvorgänge im Bereich Bibliothekspädagogik differenziert abgebildet, darunter Sprachförderung: Durchführung mit größerem bzw. geringem Aufwand, wobei die Erläuterungen klarstellen, worin der Unterschied besteht, nämlich in der Eigenleistung, womit von einem Schema abgewichen wird. Auch Arbeitsvorgänge im Bereich digitaler Dienste werden differenziert aufgeblättert, zum Beispiel E-Learning-Angebote: Durchführung und Vermittlung. Bereitstellung und Betreuung eines Makerspace wird klugerweise als eigener Arbeitsvorgang aufgeführt. Interkulturelle Bibliotheksarbeit – ein weites Feld – wird hier berechtigterweise nicht als ein Arbeitsvorgang behandelt, sondern es werden eine Reihe von Arbeitsvorgängen auf diesem Feld unterschieden. Insgesamt ist die Liste der Arbeitsvorgänge auf der Höhe der Praxis.

Einleitend heißt es im Textteil, dass Tätigkeiten, die auch in Bibliotheken vorkämen, aber in der Regel nicht von bibliothekarischen Fachkräften wahrgenommen würden, nicht aufgeführt seien. Die Formulierung ist unscharf, denn der Tabellenteil führt etliche bibliotheksunspezifische Arbeitsvorgänge auf, zum Beispiel operatives Controlling oder Bearbeitung allgemeiner Verwaltungsangelegenheiten. So handhabte es auch AVÖB-1999.

Ausstattung

Hilfreich ist ein Glossar, das – wohl für die Zielgruppe der Mitarbeiter in Personalämtern – Termini wie Approval Plan oder Interessenkreise erklärt. Das Register erschließt klug den Tabellenteil, indem auch Begriffe aus den Erläuterungen der Arbeitsvorgänge im Register erscheinen.

AVÖB-2020 erscheint sowohl als Softcover wie als Ringbuch. Jetzt kommt es darauf an, dass landauf, landab Bibliotheksmitarbeiter ihre Stellenbeschreibungen auf die Arbeitsvorgänge, wie sie in AVÖB-2020 gelistet sind, umstellen und prüfen, ob ihre Eingruppierung angemessen ist.

[1] Arbeitsvorgänge in wissenschaftlichen Bibliotheken (1978): Beiträge zur Praxis der Beschreibung und Bewertung von bibliothekarischen Arbeitsplätzen nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) / hrsg. von Eberhard Sauppe und Hinrich Vollers. Hannover-Waldhausen: Nordwestverlag (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Bibliotheksschule Hannover; Bd. 3. DFW, Dokumentation, Information: Beiheft)

[2] Arbeitsvorgänge in Öffentlichen Bibliotheken (AVÖB) (1999). Erarbeitet von einer Expertengruppe … Von Renate Gundel u.a. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut

[3] Arbeitsvorgänge in wissenschaftlichen Bibliotheken (AVWB) (2000). Herausgegeben von einer gemeinsamen Expertengruppe des Deutschen Bibliotheksinstituts… Erarbeitet von Barbara Jedwabski u.a. Berlin: Ehemaliges Deutsches Bibliotheksinstitut

Prof. Dr. Konrad Umlauf, Universitätsprofessor im Ruhestand, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft, Privat: Rehhofsteige 8, 97996 Niederstetten; konrad.umlauf@rz.hu-berlin.de

Interessantes Thema?

Teilen Sie diesen Artikel mit Kolleginnen und Kollegen:

Nach oben