UNESCO-Welterbe und UNESCO-Weltdokumentenerbe sind internationale Übereinkommen zum Schutz von Kulturgut. Deren Durchsetzung ist schon unter gewöhnlichen Umständen schwierig. Gerade bei kriegerischen Auseinandersetzungen wie dem russischen Überfall auf die Ukraine zeigt sich jedoch, dass für einen effizienten Schutz weit mehr notwendig ist als schriftliche Verträge. Aus diesem Grund wurde die der UNESCO zugeordnete Organisation Blue Shield International ins Leben gerufen. Sie hat die besondere Aufgabe, Kulturgut vor Kriegen, bewaffneten Konflikten und Katastrophen zu bewahren. Blue Shield Deutschland ist das deutsche Nationalkomitee von Blue Shield International. Deren Vertreter/-innen beschreiben im Folgenden wie Blue Shield Deutschland ganz konkret Kulturgut in der Ukraine schützt.
»All libraries in Mariupol, Wolnowacha, Horliwka, (…) are destroyed, because these cities are completly destroyed«, berichtete Oksana Bruy, Präsidentin des ukrainischen Bibliotheksverbandes und Direktorin der Wissenschaftlichen und Technischen Bibliothek des Igor Sokorsky Kyiv Polytechnic Institute, anlässlich des digitalen Austausches des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv) mit dem Ukrainischen Bibliotheksverband und dem Goethe-Institut am 11. Mai 2022. Im Rahmen dieses Austausches berichtete Bruy nicht nur von den Zerstörungen und Beschädigungen von Bibliotheken durch das russische Angriffsgeschehen seit dem 24. Februar 2022 und von ersten Todesopfern aus dem bibliothekarischen Berufsfeld bei der Zerstörung eines Bahnhofs in Kramatorsk, sondern führte auch aus, was in den kommenden Monaten für alle, die im Ukrainekrieg Kultureinrichtungen unterstützen und das Geschehen überblicken wollten, prägend sein sollte und noch immer ist: »Unfortunately, a lot of libraries are destroyed (…). Now we have not many information – only about 30 cases – but we continue to collect the information (…)«.
Neben der Schwierigkeit, dass Berichte meist von den Konfliktparteien stammen und damit nicht unabhängig sind, kommt hinzu, dass Informationen zum Teil nicht ausreichend vorliegen und kleinere Städte, selbst bei bedeutendem Kulturgut, nicht zwangsläufig im Fokus der Medien stehen. Zudem können diese Informationen nur schwer überprüft werden und verbreiten sich in Medien und Internet oft ohne genauere Quelle. Ein bekanntes Beispiel dieser Komplexität der Bewertung der Informationen ist das am 21. Mai 2022 von verschiedenen Politikern, darunter dem ehemaligen schwedischen Premierminister Carl Bildt und der britischen Botschafterin in der Ukraine, Melinda Simmons, in den sozialen Netzwerken verbreitete Foto brennender Bücher mit dem Kommentar, Russland vernichte in den eroberten Gebieten vorsätzlich ukrainische Geschichtswerke, um die Landesidentität zu zerstören. Der Bericht schlug in den Medien auf ein großes Echo und noch heute (Stand: 20. Oktober 2022) wird Simmons Tweet mit dem in den Medien geteilten Bild in der deutschsprachigen Wikipedia im Abschnitt zum 21. Jahrhundert im Artikel »Bücherverbrennung« als Beleg angeführt.