Ein Schaufenster für die Staatsbibliothek zu Berlin

Aus dem Archiv: Die Staatsbibliothek zu Berlin plant auf 1.000 Quadratmetern das Museum »Stabi Kulturwerk«. Die Eröffnung soll im Sommer 2022 stattfinden.
Staatsbibliothek zu Berlin, Unter den Linden
Mit einer Klanginstallation wird die Rotunde den Abschluss des geplanten Museums »Schatzkammer Staatsbibliothek« in Berlin bilden. Foto: Staatsbibliothek zu Berlin

 

In der Staatsbibliothek Unter den Linden wird im Zuge der Generalsanierung des historischen Gebäudes die Einrichtung eines großzügigen, modernen und attraktiven Ausstellungsbereichs vorbereitet. Dieses »Stabi Kulturwerk« genannte Museum wird Besucherinnen und Besucher über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Bibliothek am Beispiel ihrer Bestände informieren. Das Museum wird eine ständige Ausstellung zeigen und bietet darüber hinaus Platz für Sonderausstellungen. Zum Marketingkonzept gehören auch ein gastronomisches Angebot und ein Museumsshop. Begleitend wurde ein Multimediakonzept erarbeitet, das fest installierte Stationen und einen virtuellen Rundgang umfasst. Alle urheberrechtsfreien Exponate sollen via QR-Codes auch digital zugänglich gemacht werden. Mit Hörstationen, taktilen Exponaten und ausgewählte Texten in leichter Sprache kann das Museum barrierefrei im »Zwei-Sinne-Prinzip« erkundet werden.

Die im Erdgeschoss liegenden Räume des »Stabi Kulturwerks« haben eine Gesamtfläche von rund 1.000 m².  Zur Zielgruppe des Museums sollen neben dem wissenschaftlich interessierten Publikum und denen, die ganz allgemein an der Bibliothek interessiert sind, auch Touristen, Familien, Schülerinnen und Schüler gehören. Die Fertigstellung des Museums wird voraussichtlich im Sommer 2022 erfolgen, der Prozess der Bauplanung und Umsetzung sowie der inhaltlich-konzeptionellen Vorbereitung umfasst bereits mehr als zehn Jahre.

Zunächst wurde ein einstufiger, anonymer Einladungswettbewerb für Architekten ausgeschrieben, der die Erarbeitung einer inhaltlichen und didaktischen Konzeption sowie die Gestaltung der Ausstellungsarchitektur umfasste. Zu Beginn des Jahres 2009 entschied eine Jury, der als Sachpreisrichterin auch Barbara Schneider-Kempf, die damalige Generaldirektorin der Staatsbibliothek angehörte, über die eingereichten Unterlagen und wählte einstimmig den Entwurf der Architektin Astrid Bornheim und des Büros dko Architekten für den ersten Preis aus. Die Entscheidung der Jury wurde maßgeblich damit begründet, dass »der Entwurf durch seine bestechend einfache Struktur, die genügend Potenzial zur gemeinsamen Weiterentwicklung des Ausstellungskonzeptes mit den Kuratoren und Wissenschaftlern des Hauses bereithält«, überzeugen würde.

Das Konzept sieht eine Gliederung der Gesamtfläche des Museums in einen Eingangsbereich, eine ständige Ausstellung mit 527 m², einen Bereich für Sonderausstellungen, der 216 m² umfasst, den »Tresor« mit einer Fläche von 48,50 m² und die Rotunde vor, die den Abschluss des Museums bildet.

Die ständige Ausstellung ist in zwei Stränge gegliedert, in denen auf der linken Seite die Zeit- und Sammlungsgeschichte an ausgewählten Exponaten dargestellt wird und – damit korrespondierend – auf der rechten Seite die Geschichte der Bibliothek. Die Präsentation wird durch eine »fotochromatische Wand« ergänzt, die ein dekoratives Element mit Abbildungen bedeutender Repräsentantinnen und Repräsentanten der jeweiligen Epoche bildet, aber zugleich auf die zeitliche Abfolge Bezug nimmt.

Wertvolle Stücke im »Tresor«

In der Ebene unterhalb der Dauerausstellung befindet sich der »Tresor«, in dem besonders wertvolle Stücke aus den vielfältigen Sammlungen der Bibliothek gezeigt werden. In der Eröffnungsausstellung sollen hier unter anderem ein Exemplar der Gutenberg-Bibel, das Kyrie aus der Originalpartitur der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach und Leonhardt Thurneyssers 1575 in Berlin gedrucktes Werk »Dess Menschen Circkel«, dessen Text durch ein Astrolabium mit Planetentafeln veranschaulicht wird, zu sehen sein.

Neben der ständigen Ausstellung liegt der Raum für Sonderausstellungen, der rund  ein Drittel der Ausstellungsfläche einnimmt. Der dafür vorgesehene Bereich kann variabel genutzt werden, denn der Raum ist in zwei Kabinette unterteilbar. Durch mehrere Zugänge – die bei Bedarf auch zu schließen sind – können Besucher vom Sonder- in den Dauerausstellungsbereich wechseln. Den Abschluss des Museums bildet mit der Rotunde ein Raum, in dem in einer Klanginstallation Aussagen prominenter Leserinnen und Leser über die Staatsbibliothek wiedergegeben werden.

Eine erste inhaltliche Konzeption für die ständige Ausstellung des Museums wurde in den Jahren 2009 und 2010 erstellt. Auf dieser Grundlage erfolgte ab 2015 ein arbeitsintensiver Prozess der inhaltlichen Gestaltung. Dazu wurde ein Team von Kuratorinnen und Kuratoren aus den bestandsführenden Abteilungen der Bibliothek gebildet, das durch Restauratorinnen und Beschäftigte aus dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit und der IT-Abteilung verstärkt und unterstützt wird. Diese Arbeitsgruppe, die von dem mit der Ausführungsplanung beauftragten Architekturbüro »buerozentral« fachkundig begleitet wird, wählte rund 300 kulturhistorisch bedeutende Exponate aus, anhand derer die Entwicklung der Institution und ihrer Sammlungen exemplarisch dargestellt werden soll.

Die ständige Ausstellung ist in fünf Zeitabschnitte gegliedert, die unterschiedliche Phasen in der Geschichte der Bibliothek umfassen – von der Gründung durch den »Großen Kurfürsten« Friedrich Wilhelm von Brandenburg  im Jahr 1661, über ihren Ausbau unter Friedrich II., die Übernahme bedeutender Sammlungen im 19. Jahrhundert, kriegsbedingte Verlagerungen und Verluste im Zweiten Weltkrieg, die Teilung der Bibliothek von 1945 bis 1991 und die Zusammenführung der beiden getrennten Teile bis hin zur Entwicklung der Bibliothek in der Gegenwart und ihrer künftigen Ausrichtung. Damit bietet das Museum neben der Rückschau auf die Vergangenheit auch ein attraktives Schaufenster aktueller Projekte und Aktivitäten der Bibliothek. Da viele der laufenden Vorhaben auf den historischen Sammlungen fußen, wird im Museum die dynamische Verbindung zwischen der Geschichte, dem Heute und der künftigen Entwicklung sichtbar gemacht.

Konservatorische Anforderungen

Für eine »Dauerausstellung« stellen die strengen konservatorischen Anforderungen, die angesichts zahlreicher fragiler Objekte unbedingt eingehalten werden müssen, eine besondere Herausforderung dar, denn nur ein kleiner Teil der 300 Ausstellungsstücke ist für eine dauerhafte Präsentation geeignet. Deshalb ist ein Wechsel der Exponate in einem Turnus von circa drei Monaten vorgesehen, wobei die spezifische Verweildauer von diversen Faktoren wie dem Erhaltungszustand und der Lichtempfindlichkeit der Exponate abhängt und von den bestandsführenden Abteilungen in enger Abstimmung mit den Restauratorinnen festgelegt wird. Auch in dieser Beziehung trifft die Bezeichnung Schaufenster zu – die Ausstellung muss ständig »umdekoriert« werden. Im Rahmen der Grundkonzeption werden mehrmals im Jahr neue Exponate zu sehen sein, Besucherinnen und Besucher werden also auf eine sich ständig wandelnde Präsentation treffen.

Begleitend zu den physischen Exponaten wurde gemeinsam mit der Firma LIQUID in Augsburg ein Multimediakonzept erarbeitet, das fest installierte Stationen, an denen wechselnde multimediale Inhalte präsentiert werden, ebenso umfasst wie die Erarbeitung eines virtuellen Rundgangs durch das Museum. Der Rundgang kann über mobile Informationsgeräte, die am Eingang ausleihbar sind, oder über von den Gästen mitgebrachte Mobilgeräte abgerufen werden. Da der Rundgang über die Webseiten der Staatsbibliothek zugänglich sein wird, sind Besuche im »Kulturwerk« auch von zu Hause aus möglich. Zu den Highlights der virtuellen Präsentation gehören eine Animation der 1712 erschienenen Druckgrafiken zum Krönungszug von Friedrich I., der 1701 in Königsberg zum König in Preußen gekrönt wurde, eine virtuelle Darstellung der Ekliptik von Erdgloben am Beispiel eines 1826 im Berliner Traditionsverlag Simon Schropp produzierten Exemplars und ein multimediales »Lebendes Buch«, das auf dem Berliner Exemplar der Gutenberg-Bibel basiert. Mittels einer aufwendigen multimedialen Produktion werden hier Einblicke in die Entstehung, Herstellung und Verbreitung dieses herausragenden Dokuments der Buchgeschichte gegeben.

Eine weitere Besonderheit des Museums sind die direkten Verlinkungen auf die Digitalisate der Ausstellungsstücke via QR-Codes auf den Exponatbeschriftungen. Sämtliche urheberrechtsfreien Exponate, die im Bibliotheksmuseum ausgestellt werden, sollen so auch digital zugänglich gemacht werden. Damit wird ein allgemein bekanntes Handicap von Buchausstellungen – die notwendige Beschränkung auf eine Schauseite in physischen Präsentationen – kompensiert und das Publikum mit besonders attraktiven Schaustücken verlockt, die digitalen Sammlungen der Bibliothek näher kennenzulernen.  

Neben den konzeptionellen Planungen, den baulichen Arbeiten und den Vorbereitungen der Kuratoren und Kuratorinnen müssen ab einem bestimmten Zeitpunkt – rechtzeitig vor der Eröffnung – Überlegungen zum Betriebskonzept angestellt werden. Zunächst wurde hier ein Marketingkonzept entwickelt, das vor allem den Zusammenhang zu den ebenfalls sich in Vorbereitung befindlichen Angeboten Gastronomie und Museumsshop herstellte. Darin heißt es: »Unverzichtbar an den Erfolg des Museums sind die Angebote Gastronomie und Museumsshop gekoppelt. Ein Museumsbesuch setzt sich als Teil der Freizeit- und Bildungsgestaltung aus einem Gesamtpaket zusammen: Im Mittelpunkt steht der eigentliche Museumsbesuch, dieser wird ergänzt durch den Besuch einer Cafeteria und die meisten Besucher und Besucherinnen nehmen gerne noch etwas aus dem Museumsshop mit.« Zum jetzigen Stand der Planungen scheint die gleichzeitige Neueröffnung einer Cafeteria, eines Buchshops und des Museums möglich zu sein.

Der Name des Museums wurde im Hinblick auf die Zielgruppe, die künftig angesprochen werden soll, noch einmal angesehen. Schon im »Code of Ethics for Museums« des International Committee of Museums (ICOM) von 2001 ist die Zielgruppe für Museen klar benannt: »Das Museum hat die wichtige Aufgabe, seine bildungspolitische Funktion weiterzuentwickeln und ein immer breiteres Publikum aus allen Bereichen der Gesellschaft, der örtlichen Gemeinschaft und der Zielgruppe, für die es jeweils eingerichtet ist, anzuziehen.« Der neu gewählte Name »Stabi Kulturwerk« ist werbewirksamer, als es der Arbeitstitel »Bibliotheksmuseum« war.

Besonders aufwendig ist die Vorausplanung für die Geschäftsgänge der vierteljährlichen Wechsel. Da konservatorische Anforderungen für viele Exponate nur eine maximal dreimonatige Verweilzeit in den Vitrinen erlauben, ist künftig viermal jährlich der Wechsel dieser Exponate zu organisieren. Das bedingt neben der entsprechenden Vorbereitung der benötigten Austauschexemplare in der hauseigenen Restaurierungswerkstatt vor allem eine ausgefeilte Logistik und eine immerwährende Überprüfung der Vitrinengestaltung und der entsprechend zu ändernden Exponatbeschriftungen. Allerdings müssen nicht alle Exponate tatsächlich vierteljährlich ausgetauscht werden, in vielen Fällen kann die Ausstellungsdauer durch Umblättern verlängert werden, um die Lichteinwirkung nicht auf eine Seite zu konzentrieren. Bei anderen löst gegebenenfalls ein eventuell preiswert möglicher Ankauf eines zusätzlichen Museumsexemplars das Problem. Vielleicht muss künftig auch in größerem Umfang als es ursprünglich geplant war mit Faksimiles gearbeitet werden.

Führungen und Workshops

Auch der Vermittlungsaspekt muss im Vorhinein bedacht werden. Künftig sollen die Besichtigungsführungen zum Haus Unter den Linden zu einem wesentlichen Teil im Museum stattfinden. Dies hat zum einen den Vorteil, dass dort Anschauungsmaterial für den stets enthaltenen geschichtlichen Abriss vorhanden ist und Schätze aus dem Bestand aufwandslos gezeigt werden können, zum anderen aber, und auch das ist wesentlich, die Störung der Bibliotheksnutzenden in überschaubarem Rahmen gehalten wird, da bei der anschließenden Führung durch die Lesesäle nicht mehr viel erklärt werden muss. Zusätzlich zu den allgemeinen Führungen werden künftig themenspezifische Führungen angeboten, ein interaktiver Bereich macht Formate wie Workshops im Museumsbereich möglich.

Neben diesen selbstverständlichen Vorbereitungen für den Routinebetrieb fallen bei einer Erstinbetriebnahme aber auch Aufgaben an, die man vielleicht vorher nicht im Blick hatte. So waren neben der reinen Personalkalkulation auch schon Gefährdungsbeurteilungen für künftiges Personal zu erstellen, die in den Fokus nehmen, wie das Arbeiten in tageslichtlosen Räumen so zu organisieren ist, dass keine Gesundheitsbeeinträchtigungen auftreten. Auch musste die Erstellung eines Sicherheitskonzepts begleitet werden. Vor dem Hintergrund aktueller Museumsdiebstähle wurde hier zum Beispiel auf den letzten Planungsmetern noch einmal nachgebessert. Für die Anfrage nach Leihgaben für künftige Ausstellungen wurde im Vorfeld ein Facility-Report erstellt, der die Gegebenheiten in den neuen Räumen für die Leihgeber detailliert beschreibt.

Parallel zu den Vorarbeiten für den Betrieb des Museums werden bereits jetzt Ausstellungen für den Sonderausstellungsbereich geplant. Reichen die ersten Anmeldungen schon jetzt bis in das Jahr 2025, so ist eine Planung vor allem für das erste Jahr nach der Eröffnung anspruchsvoll, da die noch laufenden Bauarbeiten mögliche Verzögerungen nach sich ziehen. Das betrifft neben einer großen Ausstellung zum Werk von E. T. A. Hoffmann eine kleinere Präsentation einer Sammlung indigener Schriften, den »Manuscripta Americana«. Dies verlangt von allen Beteiligten höchstmögliche Flexibilität und hat zum jetzigen Stand bereits dazu geführt, dass eine ursprünglich für den Zeitpunkt der Eröffnung geplante Ausstellung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden musste.

Vielleicht können all diese Arbeiten am besten mit einem Bild aus dem Hausbau verdeutlicht werden. Schon im Vorfeld muss die Einrichtung und das tägliche Leben in diesem Haus genau geplant werden, und dies, das macht es schwierig, obwohl das Haus noch eine Baustelle ist. In den verbleibenden Monaten bis zur Eröffnung des Museums ist noch Vieles zu erledigen und zu bedenken. Während in der Restaurierungswerkstatt die Exponate für die Ausstellung vorbereitet und mit den Mediengestaltern von LIQUID die Multimediapräsentationen fertiggestellt werden, sind die von den Kuratierenden verfassten Texte zu redigieren und deren Übertragungen ins Englische und in leichte Sprache zu korrigieren. Parallel werden taktile Exponate produziert, damit das Museum auch barrierefrei im »Zwei-Sinne-Prinzip« erkundet werden kann. Das gesamte anspruchsvolle Arbeitspensum an der Vorbereitung der Eröffnungsausstellung und am Betriebskonzept ist nur dank der Begeisterung und des gemeinsamen Engagements der zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen der Bibliothek zu bewältigen, die alle mit Spannung den großen Moment erwarten, wenn das »Kulturwerk« der Staatsbibliothek endlich seine Türen öffnen wird.

Der Artikel ist erstmals in der Print- und App-Ausgabe von BuB im Dezember 2021 erscheinen. Der Name des geplanten Museums der Staatsbibliothek zu Berlin hat sich nach der Veröffentlichung noch einmal von »Schatzkammer Staatsbibliothek« in »Stabi Kulturwerk« geändert. Auch das voraussichtliche Datum der Fertigstellung des Museums wurde vom ersten Quartal 2022 auf den Sommer 2022 verschoben.

Carola Pohlmann studierte von 1980 bis 1985 Germanistik an der Universität Leipzig. Von 1991 bis 1993 hat sie ein Postgradualstudium der Bibliothekswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin absolviert. Seit 1993 ist sie Leiterin der Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Seit 2016 ist Pohlmann zudem Koordinierende Kuratorin für das Museum der Staatsbibliothek zu Berlin.

Gudrun Nelson-Busch, M. A. und MA LIS, war zwischen 2018 und 2021 die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der Staatsbibliothek zu Berlin und arbeitet jetzt in derselben Bibliothek im wissenschaftlichen Dienst der Benutzungsabteilung und in der Stabsstelle Bau.

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