Der 8. Bibliothekskongress in Leipzig: BID erwartet mehr als 2.000 Teilnehmende zum größten Branchentreffen des Bibliothekswesens in Deutschland.
Vom 31. Mai bis 2. Juni 2022 findet der 8. Bibliothekskongress in Leipzig statt. Es ist ein besonderer Kongress. Für mich, weil es der erste ist, den ich in meiner Funktion als Präsidentin des bibliothekarischen Dachverbands BID mitgestalte. Für alle, weil es seit Langem wieder ein offenes, analoges Branchentreffen in der Pandemie ist. Und: Wir haben Krieg in Europa. Eine schockierende Tatsache, die die Grundfesten unseres Glaubens an ein friedliches Zusammenleben zerstört hat. Die Überschrift unseres Kongresses #FreiräumeSchaffen ist hochaktuell. Ein Motto, das Bibliotheken bewegt und trägt.
Alle drei Jahre lädt Bibliothek und Information Deutschland (BID) die Fachcommunity zum Bibliothekskongress nach Leipzig ein. Im Congress Center werden in diesem Jahr trotz Pandemie über 2.000 Kolleginnen und Kollegen erwartet. Erstmals findet der Bibliothekskongress pandemiebedingt im Sommer und nicht parallel zur Leipziger Buchmesse, die im März kurzfristig abgesagt wurde, statt. Wir freuen uns auf Vorträge, Diskussionen, Fachsitzungen, Hands-on Labs, das Wiedersehen mit den Kolleginnen und Kollegen – und schönes Sommerwetter in Leipzig. Und: Die Veranstaltungen in Saal 1, Saal 2 und dem Vortragsraum 9 können digital verfolgt werden. Man kann sich für eine ausschließliche virtuelle Teilnahme – mit der entsprechenden Preisanpassung – entscheiden.
Mit dem Motto des Bibliothekskongresses lehnen wir uns bewusst an das Themenjahr 2022 »Leipzig – Freiraum für Bildung« in unserer Gastgeberstadt an. Die Kulturbürgermeisterin von Leipzig, Skadi Jennicke, die zur Eröffnung des Kongresses an der Podiumsdiskussion teilnehmen wird, drückt das so aus: »Das Themenjahr erprobt, wie Kultur mit und nach der Pandemie aussehen kann. Es geht um nichts Geringeres als die Rückeroberung von Freiräumen für Bildung und kulturelle Teilhabe.«
Eine Herausforderung, der sich auch Bibliotheken, Wissenschaftliche wie Öffentliche, stellen. In Zeiten von Corona müssen wir flexibel reagieren. Unsere digitalen Angebote und Services wurden elementar und rasant ausgebaut. Aber unsere Bedeutung als Lern-, Kultur- und Begegnungsort wurde auf eine schwere Probe gestellt. Das Motto #FreiräumeSchaffen verbindet den digitalen mit dem analogen Raum. Wie wir den Freiraum Bibliothek füllen möchten, das muss immer wieder neu ausgelotet werden: im Bestandsmanagement, in den digitalen Services, in unseren Lern- und Veranstaltungsangeboten und nicht zuletzt in der Art und Weise, wie wir das Unternehmen Bibliothek in die Zukunft führen. Das konkrete »was wir wollen« ändert sich stetig. Die Idee einer freien, gleichberechtigten und informierten Gesellschaft bleibt. So ist #FreiräumeSchaffen auch ein Appell an die Innovationskraft unserer Branche.
Volles Programm: Sechs Themen in drei Tagen
Unsere Eröffnungsveranstaltung geht in medias res und nimmt das Thema des Kongresses ins Visier: Was bedeuten Freiräume in bibliothekarischer Zuordnung für die Gesellschaft, die Digitalisierung, die Arbeitswelt, den Raum als solchen? Es diskutieren: Skadi Jennicke (Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur der Stadt Leipzig, Vorsitzende des Fachausschusses Kultur des Deutschen Städtetages), Jens-Peter Gaul (Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz, Vize-Präsident des Deutschen Bibliotheksverbandes), Barbara Lison (IFLA-Präsidentin) und Klaus Tochtermann (Direktor des Leibniz-Informationszentrums Wirtschaft). Die vielen Facetten unseres Mottos haben wir im Programm in sechs Themenkreisen abgebildet. Es geht um (1) Bibliotheken als Freiräume der Demokratie, (2) die Bibliothek als Dienstleisterin und wie sie Handlungsspielräume strategisch nutzen kann, um (3) das Personal als Erfolgsfaktor, darum, (4) Leben, Lernen und Arbeiten Raum zu geben, um (5) den Umgang mit Content, mit Inhalt und Daten und um (6) Digitalität und die Verschränkung von digitaler und analoger Wirklichkeit.
Das Programm wurde von einer erfahrenen 14-köpfigen Programmkommission zusammengestellt. In der Kommission sind die veranstaltenden Verbände und das Ortskomitee vertreten, also der Berufsverband Information Bibliothek (BIB), Bibliothek & Information Deutschland (BID), der Deutsche Bibliotheksverband (dbv), der Verein Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VDB), die K.I.T. Group (unser langjähriger Konferenzveranstalter) und das Ortskomitee. Rund 300 Abstracts aus allen Bibliothekssparten wurden eingereicht, gesichtet und bewertet. Die unterschiedlichen Schwerpunkte von Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken werden auf dem Kongress ebenso abgebildet wie übergreifende Themen. Zum Beispiel beschäftigt alle Bibliotheken die Personalgewinnung und die Personalführung. Ein Vortragsblock »Neue Arbeitsformen – Neue Kultur« gibt Impulse zu New Work, Agiler Führung, sich verändernden Organisations- und Kommunikationsstrukturen. Das Hands-on Lab »[Berufsfeld.rebooting…] – wofür stehen wir?« widmet sich dem Thema der Personalgewinnung und dem Fachkräftemangel in unserer Branche.
Insgesamt können sich die Besucherinnen und Besucher auf rund 160 Vorträge, 30 Hands-on Labs, 14 Podiumsdiskussionen, spannende Vorstellungen im #Freiraum22 und zahlreiche offene Arbeitssitzungen, die Verleihung des Publizistenpreises der Deutschen Bibliotheken und vieles mehr freuen. Das Vortragsgeschehen wird von der Ausstellung der Fachfirmen flankiert. Rund 70 Firmen, wie aStec, Easycheck, ekz, Overdrive oder Schweitzer stellen in Leipzig ihre Dienstleistungen vor. Gute Voraussetzungen also, um sich vor Ort zu informieren, zu verhandeln oder sich einfach mal wieder persönlich zu treffen.
Neu: #Freiraum22 für die Community
Besonders begeistert bin ich von unserem neuen Format #Freiraum22. Hier können Initiativen und Gruppen innovative Projekte und Ideen formlos vorstellen, um sie in der Bibliothekscommunity zu diskutieren. Die Veranstaltungen auf einer prominenten Fläche im Congress Center spiegeln eine große Bandbreite von aktuellen Themen und Fragestellungen aus allen Bibliothekssparten wider. Der »MINTwoch« in Leipzig, eine Book-Sprint-Serie zu IT in Bibliotheken, E-Sports-Wettbewerbe, eine Lehrveranstaltung mit einem digitalen Zwilling, Roboter in der Bibliothek, Themen der Nachhaltigkeit und Bibliotheken als Orte des Selbermachens …, das Programm füllt sich.
Mit dem Angebot reagieren wir auf die Beobachtung, dass es ein wachsendes Interesse an Möglichkeiten zum Austausch gibt und sich das Format des Hands-on Labs einer steigenden Beliebtheit erfreut. Auf Studienreisen in Dänemark und den Niederlanden konnte ich das Konzept »Give the place to the community« kennenlernen und es hat mich inspiriert. Mit #Freiraum22 haben wir ein sehr schönes Format gefunden, das dazu einlädt, sich in Eigenregie zu beteiligen. Die Premiere ist zumindest vielversprechend.
Jede Bibliothek hat sie, die Ideen, die man gerne mal umsetzen möchte, für die aber noch ein Austausch unter Kolleginnen und Kollegen hilfreich wäre. Die spannenden Ideen und Initiativen, für die man gern neue Impulse hätte, um sie weiterzuentwickeln. Aber wie kann man sich »einfach mal so« mit der Bibliotheks-Community austauschen?
Mit dem #Freiraum22 bietet der bibliothekarische Dachverband BID während des 8. Bibliothekskongresses in Leipzig die Möglichkeit dazu. Angeregt durch interaktive Projektvorstellungen stehen der kollegiale Austausch, anregende Gespräche und die Vernetzung im Vordergrund.
Die Bandbreite der Themen reicht aktuell von der Möglichkeit, wichtige Aspekte in ein geplantes Buchprojekt einzubringen, über E-Sports-Wettbewerbe, einen Escape Room zum Thema Informationskompetenzvermittlung, eine Bibliothek der Dinge und Saatgutbibliotheken bis hin zu Green Libraries und dem vernetzten Arbeiten mit einem digitalen Zwilling.
Das ständig wachsende Programm im #Freiraum22 ist über den Programmplaner einsehbar. Aber auch über Twitter wird über neue Veranstaltungen auf dem Profil @bibtag22 laufend informiert. Vergeben werden die Zeitfenster nach dem Motto »First come – first serve«. Es ist noch nicht zu spät, für eine gute Idee …
Internationale Gäste und ein vielfältiges Rahmenprogramm
Der Leipziger Bibliothekskongress ist Europas größte Fachtagung. Auch zahlreiche Gäste aus dem Ausland reisen an. So freue ich mich, vor Ort auch den Creative Guide und Architekten Aat Vos, Träger der Karl-Preusker-Medaille 2021, begrüßen zu können. In der Session »Bibliotheken – clever und smart« diskutiert er mit versierten Kolleginnen und Kollegen über einen »4. Ort Bibliothek«. Ist ein solcher multimedialer Informationsraum, ein vernetzter, sphärischer und bedarfsgerechter virtueller Online-Raum eine machbare Ergänzung für den »3. Ort Bibliothek« oder eine Utopie?
Diskutieren Sie anhand von Thesen und Fragestellungen über mögliche Zukunftsfragen mit. Aus den deutschsprachigen Nachbarländern erwarten wir rund 40 interessierte Kolleginnen und Kollegen. Sie sind sowohl als Teilnehmende als auch als Aktive im Fachprogramm willkommen. Bibliothek & Information International (BII), die ständige Kommission des Dachverbandes BID für den internationalen Fachaustausch, ermöglicht es, Partnerinnen, Partner und Gäste aus dem Ausland einzuladen und unterstützt deren Aufenthalt vor Ort auch finanziell. In diesem Jahr können wir eine Delegation aus unserem Partnerland, der Tschechischen Republik, begrüßen. »Library Next Door« haben sie ihren Stand und unsere Partnerschaft für die kommenden drei Jahre überschrieben. Auch das scheidende Partnerland Niederlande wird personell vertreten sein.
Hoffen wir, dass auf dem nächsten Bibliothekskongress dann auch wieder Kolleginnen und Kollegen aus ferneren Ländern begrüßt werden können. Die Personen aus dem Ausland wurden auf Vorschlag der deutschen Fachverbände eingeladen, um Kontakte zu intensivieren und zu pflegen. In der Veranstaltung »Meet & Greet« stellen sich unsere diesjährigen internationalen Gäste vor. In zwanglosem Austausch besteht die Möglichkeit, sich kennenzulernen. Eine hervorragende Gelegenheit für alle, erste Kontakte zu Personen in Bibliotheken im Ausland zu knüpfen! So werden internationaler Wissensaustausch und nachhaltige kollegiale Partnerschaft gefördert – ein wichtiger Bestandteil des Kongresses.
Auch die lebendige Medienstadt Leipzig können alle Besucherinnen und Besucher des Kongresses besser kennenlernen. Unser Rahmenprogramm, fantastisch organisiert vom Ortskomitee, bietet einen Stadtrundgang, eine Bootsfahrt, einen Besuch des Bundesverwaltungsgerichtes oder des Museums für Druckkunst. Die Fachkolleginnen und -kollegen öffnen ihre Häuser, von der Deutschen Nationalbibliothek über die Stadtbibliothek bis zum Bibliotheksnetz der Universität und Spezialbibliotheken. Auf den Festabend haben wir in Anbetracht der aktuellen Umstände bewusst verzichtet.
Wie geht es weiter?
Für mich persönlich bedeutet Freiraum die Möglichkeit, mein tägliches berufliches Tun immer wieder neu zu überdenken, mich selbst und »meine« Bibliothek immer wieder gedanklich und emotional auf die dynamischen Entwicklungen des Medienmarkts und die sich verändernden gesellschaftlichen Bedürfnisse auszurichten. Als Präsidentin von BID bin ich offen dafür, dass wir uns gemeinsam mit den unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren das Tagungsgefüge unserer Branche anschauen.
Bibliothekskongress, Bibliothekartag, Bibliothekspolitischer Bundeskongress, dazu die Bibliothekstage in einzelnen Bundesländern, #vBIB und andere Branchentreffen: Welche Synergien gibt es hier, die wir vielleicht nutzen können? Für die Zukunft des Bibliothekskongresses sind schon zum jetzigen Zeitpunkt Überlegungen für 2025 notwendig. Der Vertrag mit der Leipziger Buchmesse ist ausgelaufen. Es ist höchste Zeit, für einen Kongress in 2025 Termine bei Kongresszentren abzufragen, falls wir erneut um Pfingsten herum tagen möchten, wie es bei den Bibliothekartagen seit Jahren üblich ist. Mit eben dieser Sondierung haben wir bereits begonnen.
Für 2022 aber gilt: Der 8. Bibliothekskongress ist ein Angebot der veranstaltenden Verbände an die Community. Wir bieten ein vielfältiges Programm, die Möglichkeit zu Begegnung und Austausch. Jetzt ist die bibliothekarische Fachwelt gefragt, unseren Kongress mit Leben zu füllen. Der aktuelle Stand der Anmeldungen zeigt, dass viele kommen werden. Ein zeitgemäßes Cateringkonzept, die Möglichkeit, auch im Freien zu sitzen, werden ein Übriges zur Atmosphäre beitragen. Ich wünsche allen Gästen, Vortragenden und an der Organisation Beteiligten anregende und gehaltvolle Tage in Leipzig. Schaffen Sie sich hierfür die Freiräume, die Sie und Ihre Bibliotheken brauchen!
Dr. Sabine Homilius leitet seit 2004 die Stadtbücherei Frankfurt am Main. Nach dem Studium der Slawistik und Anglistik in Leipzig und Moskau hat sie Mitte der 90er-Jahre die Ausbildung für den höheren Bibliotheksdienst absolviert. Ihre erste berufliche Station war die Universitätsbibliothek Marburg, wo sie als Fachreferentin für neuere Philologien und osteuropäische Geschichte zuständig war. Von 1998 bis 2004 leitete sie das Bibliothekszentrum Geisteswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt und wechselte dann 2004 von der Wissenschaftlichen an die Öffentliche Bibliothek.
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