Die Verortung von Wissen

Der Forschungsatlas Leipzig ist online – und sucht weiter den Austausch mit Wissenschaftlichen Bibliotheken.
Präsentation des Forschungsatlas auf der Veranstaltung zum Release am 15. Juni 2024. Foto: Budnik, 2024

Welche Forschungsarbeiten gibt es eigentlich, die sich mit der Stadt Leipzig oder einzelnen Quartieren beschäftigen? Was wurde bereits alles zu einzelnen Nachbarschaften der Stadt geforscht und publiziert? Welche Themen zu Leipzig sind für Abschlussarbeiten interessant? Welche Orte und Themen stehen im Fokus des wissenschaftlichen Interesses? Wie können Wissen und Forschungsdaten über Räume, Menschen und Prozesse besser sichtbar und zugänglich gemacht werden?

Diese Fragen standen am Anfang der Idee zur Schaffung einer Plattform, auf der wissenschaftliche Publikationen räumlich verortet werden können. Nach dreijähriger, überwiegend ehrenamtlicher, Arbeit des Vereins Stadt.Raum.Gestalten konnte diese Projektidee inzwischen umgesetzt werden. So ist der »Forschungsatlas Leipzig« am 15. Juni 2024 im Rahmen einer öffentlichen Release-Veranstaltung offiziell an den Start gegangen und nun online erreichbar.

Was ist der Forschungsatlas und was kann er leisten?

Der Forschungsatlas Leipzig ist eine digitale, kartenbasierte Plattform, die wissenschaftliche Publikationen aller Qualifikationsstufen (von Seminararbeiten über Dissertationen bis hin zu Artikeln in Fachzeitschriften oder Beiträgen in Sammelbänden) verzeichnet, die sich mit Leipzig oder einzelnen Teilräumen der Stadt beschäftigen. Die Arbeiten sind entsprechend ihrer Inhalte der Gesamtstadt (zum Beispiel Publikationen zum Vergleich Leipzigs mit anderen Städten) oder einzelnen Stadtteilen zugeordnet (zum Beispiel Veröffentlichungen zu Einzelhandelsentwicklung in der Innenstadt). Darüber hinaus sind die verzeichneten Publikationen thematisch verschlagwortet (zum Beispiel öffentliche Räume oder Nachhaltigkeit) und einem Wissenschaftsgebiet der Regensburger Verbundklassifikation zugeordnet. Weitere bibliografische Angaben wie Autorinnen und Autoren, Erscheinungsjahr und ein Abstract des Textes ermöglichen eine detaillierte Suche. Der Zugriff auf die verzeichneten Publikationen wird über Verlinkungen auf Repositorien oder Kataloge sichergestellt.

Warum braucht es den Atlas?

Der Forschungsatlas Leipzig bietet die Möglichkeit, sowohl inhaltliche als auch räumliche Suchanfragen durchzuführen. Durch diese räumlichen Bezüge werden die Recherchemöglichkeiten erheblich erweitert und die Sichtbarkeit wissenschaftlicher, raumbezogener Forschung erhöht.

Aktuell (Stand Juni 2024) verzeichnet der Forschungsatlas Leipzig über 300 Publikationen von mehr als 100 Autorinnen und Autoren. Ein Blick in den Atlas zeigt schon jetzt, welche Stadtviertel besonders intensiv beforscht wurden und welche Themen dabei im Vordergrund standen. Warum einzelne Quartiere und Forschungsfragen besonders im Fokus wissenschaftlicher Untersuchung stehen, hat sicher vielfältige Gründe. Gewiss ist jedoch, dass der Atlas zukünftig nicht nur Publikationen verzeichnet, sondern auch dazu dienen kann, weitere wissenschaftliche Fragestellungen zu entwickeln.

Im Zuge der bisherigen Recherchen der Arbeiten zu Leipzig und ihres Verzeichnisses auf der Plattform musste die Zustimmung zur Verarbeitung dieser Daten von den Autorinnen und Autoren eingeholt werden. Dies war ein aufwendiger Prozess, der uns jedoch auch die Gelegenheit eröffnete, Feedback zum Projekt aus der Perspektive der Wissenschaftler/-innen einzuholen. Die vielen positiven Rückmeldungen, die uns daraufhin erreichten, waren nicht nur eine Motivation für uns als Projektteam, sondern verdeutlichten auch den Bedarf, wissenschaftliche Forschung einer breiten Öffentlichkeit sichtbar und zugänglich zu machen.

Welche Rolle können Wissenschaftliche Bibliotheken spielen?

Nun kann man sich fragen, warum es eine weitere Datenbank zum Verzeichnis wissenschaftlicher Publikationen braucht. Schon jetzt ist es auch für uns Forschende eine Herausforderung, den Überblick über die vielen Möglichkeiten zur Recherche wissenschaftlicher Texte zu behalten. Wir verstehen die Plattform daher als Ergänzung zu bestehenden Datenbanken, Katalogen und Repositorien Wissenschaftlicher Bibliotheken. Der Forschungsatlas bietet den Mehrwert, dass die räumlichen Bezüge von Forschungsarbeiten hergestellt und visualisiert werden. Über die Schlagwortsuche hinausgehend können Recherchen so nun auch anhand konkreter Orte erfolgen. Die räumliche Dimension wissenschaftlicher Arbeiten wird damit als Recherche-Layer ergänzt.

Wissenschaftliche Bibliotheken als zentrale Akteure zur Bereitstellung und Vermittlung von Informationen können dabei eine entscheidende Rolle spielen. Dies betrifft sowohl die Einbindung des Atlas in bestehende Recherchestrukturen (zum Beispiel durch Verlinkung des Atals auf den Bibliotheksseiten) oder auch die Kommunikation des Angebotes an Bibliotheksverantwortliche insbesondere in Wissenschaftseinrichtungen mit einem stark räumlichen Forschungsbezug. Schließlich ist auch eine Einbindung des Atlas in bestehende Bibliothekssysteme denkbar. Während Publikationen bisher manuell recherchiert und in den Atlas überführt wurden, wären zukünftig Metadatenverknüpfungen zwischen dem Atlas und bestehenden Bibliothekskatalogen und -datenbanken denkbar, um Prozesse zum Verzeichnis von Publikationen stärker zu automatisieren. Die Zusammenarbeit mit Zentral- und Fachbibliotheken sowie Bibliotheksverantwortlichen in den Forschungseinrichtungen ist daher von hoher Bedeutung, um dem Atlas zu einer breiten Anwendung zu verhelfen.

Wie geht es weiter?

Wie jede Plattform wird auch der Erfolg des Forschungsatlas Leipzig wesentlich von seiner Nutzung abhängen. So wird es einerseits darauf ankommen, den Atlas als Recherchetool bei Forschenden, Studierenden oder auch der Zivilgesellschaft bekannt zu machen. Neben einer kontinuierlichen Bewerbung suchen wir weiterhin den Austausch mit Wissenschaftlichen Bibliotheken, um den Atlas in bestehende Strukturen via Schnittstellen zur Literaturrecherche einzubinden. Im Rahmen des Projektes standen wir dazu bereits in Austausch mit Wissenschaftlichen Bibliotheken in Leipzig.

Damit die Forschungsdaten des Atlas‘ zudem als Werkzeug für wissenschaftliche Fragestellungen genutzt werden können, sollen Funktionen für eine weitere Meta-Datenanalyse in späteren Entwicklungsstufen der Plattform ergänzt werden.

Um den Atlas mit weiteren Publikationen zu »füttern«, wird es zukünftig die Möglichkeit geben, Publikationen selbstständig auf dem Atlas verorten und verschlagworten zu können. Bis dahin besteht schon jetzt die Möglichkeit, Forschungsarbeiten zu Leipzig, die im Atlas aufgenommen werden sollen, selbst über ein digitales Formular an forschungsatlas@stadt-raum-gestalten.de zu schicken.

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