Braune treue Augen, langes weiches Fell und eine knallig pinke Schleife im Haar. Seit dem Jahr 2015 beschäftigt die Kinderbibliothek der Stadt Offenbach eine recht außergewöhnliche Kollegin im Bereich der Lese- und Sprachförderung. Bonny, eine siebenjährige Hundedame, unterstützt das Bibliotheksteam mit dem Projekt »Leseförderung auf 4 Pfoten«.
Aus den bibliothekspädagogischen Angeboten der Kinderbibliothek ragt das Projekt »Leseförderung auf 4 Pfoten« besonders hervor, da die Konzeption einmalig für die deutsche Bibliothekslandschaft ist. Das Projekt stößt daher in Schulen, bei Eltern, der Presse und in der Fachwelt auf sehr großes Interesse. Zahlreiche Beiträge in Zeitungen, im Rundfunk und Fernsehen berichteten über das Projekt. Als besondere Auszeichnung erhielt die »Leseförderung auf 4 Pfoten« 2016 den Hessischen Leseförderpreis.
Die Leseförderung im praktischen Einsatz
Das Programm findet im geschützten Rahmen einer Einzelförderung entweder in dem eigens dafür eingerichteten Raum der Kinderbibliothek oder einer geeigneten Räumlichkeit der Schule statt. Begleitet wird das Kind während der Leseförderung von mir in meiner Eigenschaft als Bonnys »Frauchen« sowie Leiterin und Gründerin des Projektes »Leseförderung auf 4 Pfoten«. Die Kinder sind zu Anfang der Lesestunde natürlich auch sehr daran interessiert, so viel wie möglich über Bonny zu erfahren. Ich fungiere daher auch als eine Art »Sprachrohr« zwischen Kind und Hündin.
Es werden Fragen rund um das Thema Hund beantwortet und bei dieser Gelegenheit wird auch über die Verhaltensregeln während der Leseförderung mit Bonny gesprochen. Gestartet wird meist mit einem kurzen Spiel. Dieses kleine »Warm-up« hilft sowohl dem Kind als auch der Hündin, sich spielerisch kennenzulernen. Das Kind liest Bonny anschließend ausgewählte und auf seine Fähigkeiten abgestimmte Geschichten vor, während die Hündin ruhig neben dem Kind liegt und zuhört. Im Laufe des lauten Vorlesens werden die Kinder nicht kritisiert oder unterbrochen. Kleine Fehler beim Lesen sind in diesem Moment nicht relevant. Das Ziel ist, im Lesefluss zu bleiben und keine Angst davor zu haben, Fehler zu machen.
Neben aufeinander aufbauender und altersgerechter Literatur gehören dann weitere vertiefende Spiele mit Bonny zum Programm, so wird das Textverständnis noch einmal spielerisch geübt. Dabei geht es darum, das eben Gelesene mit inhaltlichen Fragen zu überprüfen und aufzuarbeiten. Hier hilft Bonny, die Fragen durch erlernte Tricks zum Beispiel zu erwürfeln, zu apportieren, zu ziehen oder Ähnliches. Momentan sind circa 45, überwiegend von mir selbst konzipierte Spiele im Sortiment, die je nach Wunsch und ganz individuell eingesetzt werden können.
Das Besondere an der Arbeit mit Bonny ist der aktive Einsatz des Hundes sowie der Bezug zur Bibliothek. Genau das hebt das Konzept der »Leseförderung auf 4 Pfoten« von ähnlichen Projekten in der Leseförderung mit Hund ab. Die Kinder lernen die Bibliothek durch die »Leseförderung auf 4 Pfoten« in einem aktiven und ganz persönlichen Rahmen kennen und verknüpfen durch die positiven und teils auch emotionalen Erfahrungen eine nachhaltige Verbindung zur Hündin und der Bibliothek. Hierbei entstanden sogar, noch über das Projekt hinaus, kleine Brieffreundschaften zwischen den jungen Lesern und Bonny.
Qualifikationen – Grundlagen
Grundlage dieser neuen Art der Leseförderung mit Hund ist eine qualifizierte Ausbildung des Mensch/Hund-Teams. Basis für die weitergehende Ausbildung von Bonny und mir war daher zunächst das von Kimberly Ann Grobholz im Jahr 2008 ins Leben gerufene ehrenamtliche Projekt »Lesehund«. Meine Projektvorstellung war jedoch neben der passiven Einsatzmöglichkeit auch der aktive Einsatz des Hundes in der Leseförderung sowohl im Bereich Bibliothek als auch im Bereich Schule. Das Projekt »Leseförderung auf 4 Pfoten« der Kinderbibliothek Offenbach ist daher eher in der hundegestützten Pädagogik angesiedelt. Hierfür absolvierten wir beide bei »Schnauzenwelt geht in die Schule« in Riedstadt/Hessen eine zertifizierte, einjährige Schulhund-Team-Ausbildung im Bereich »hundegestützte Pädagogik in der Schule« mit theoretischer und praktischer Abschlussprüfung.
Diese Art der Ausbildung ist für potenzielle Mensch/Hund-Teams unverzichtbar und vor Einsatz des Hundes dringend zu empfehlen. Man unterschätzt sehr schnell, wie anstrengend die Arbeit für den Hund sein kann und muss sein Verhalten gut einordnen und verstehen können. Durch die Ausbildung besteht die Möglichkeit, sich mit vielen Pädagoginnen und Pädagogen zu vernetzen, um Förderinhalte mit geschultem Personal zu besprechen. Ich bin außerdem der Selbstverpflichtung des Schulhundwebs beigetreten. Die Selbstverpflichtung ist zurzeit das einzige bundesweit geltende Gütekriterium, dem sich »Hupäschlerinnen« (Hundegestützte Pädagogik in der Schule) anschließen können, um einen qualifizierten Einsatz von Hunden in der Schule nachzuweisen.
Bei allem Erfolg sind dem Projekt jedoch klare Grenzen gesetzt: Ein Termin mit Bonny ist keine Alternative für eine eventuell notwendige logopädische Therapie, eine Ergotherapie oder psychologische Unterstützung.
Stressvermeidung bei Hund und Kind während des Einsatzes sollte nicht nur aus Sicherheitsgründen höchste Priorität haben, sondern dient auch dazu, ein Vertrauensverhältnis zwischen Hund, Kind und Hundeführer/-in aufzubauen. In erster Linie soll sowohl der Spaß am Lesen für das Kind als auch die Motivation der »tierischen Nachhilfe« gefördert und unterstützt werden.