Die Bibliothek und das Lachen

Der listenreiche Umberto Eco: Sammler, Erfinder, Eulenspiegel - Ein Porträt des Universalgelehrten, der die Welt der Bücher wie kein anderer ergründete.
Umberto Eco wähernd eines Interviews für Wikinews 2010 in seinem Mailänder Appartement. Foto: Aubrey (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Umberto_Eco_in_his_house.JPG), »Umberto Eco in his house«, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/1.0/legalcode
Umberto Eco während eines Interviews für Wikinews 2010 in seinem Mailänder Appartement. Foto: Aubrey (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Umberto_Eco_in_his_house.JPG), »Umberto Eco in his house«, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/1.0/legalcode

 

Ich gehöre zu jener Generation, die Umberto Eco zunächst als Wissenschaftler, als Lehrer der Zeichen, als Semiotiker kennenlernte. Wie waren wir aber eines Tages im Jahre 1980 erstaunt, als er etwas Unerhörtes tat: Er legte einen Roman vor, ein Vorgang, der Aufsehen erregte: ein Professor, der Romane schreibt, so etwas gab es allenfalls in den USA. Als »Der Name der Rose« nun gar ein Bestseller wurde, regte sich Unmut in der akademischen Welt. Es konnte nicht weit hergeholt sein mit einem Gelehrten, der bei der Masse Erfolg hat, er musste wohl wissenschaftlich ein Luftikus sein. Nachdem die Verfilmung sich als ein zweiter Durchbruch erwies, war sein Platz als Unterhaltungsschriftsteller gesichert, aber seine Position als humanistisch-ironischer Denker und Anreger, als Universalinteressierter und linker Publizist ohne Berührungsängste war eher beschränkt, zumal im deutschen Sprachgebiet – anders als in Italien. Es folgten ja weitere Romane, so »Das Foucaultsche Pendel, das in einer denkwürdigen Sitzung des Literarischen Quartetts von 1990 genüsslich zerrissen wurde, wobei die Kritiker (bis auf Siegrid Löffler) sich als Raubtiere gebärdeten. Einer von ihnen hatte es erst gar nicht gelesen. 

Dennoch dürfte sein Name bis heute als erster und meist einziger genannt werden, wenn man auf unseren Straßen nach einem italienischen Schriftsteller fragt. Und das ist schade, denn Eco verdeckt damit nicht nur Dante, sondern auch die vielen anderen Großen von Calvino und Calasso, Fellini und Ferrante, Morante und Moravia, bis hin zu Ginzburg (Natalia oder Carlo) und Levi (Carlo oder Primo), Savinio und Saviano.1 Verlage wie Wagenbach und Hanser haben mit ihren Übersetzungen diese großartigen literarischen Brücken in der Nachkriegszeit gebaut, die wir gerade heute nutzen sollten. Auch Eco ist Teil dieses deutsch-italienischen Brückenprojekts – zumal er mit einer deutschen Frau verheiratet war (wie eine ganz Reihe von italienischen Autoren und Verlegern). Die Präsenz deutschsprachiger Literatur in Italien ist daher immer sehr hoch gewesen, etwa durch solche Vermittler wie Claudio Magris, der das k. u. k. Erbe unserer Literatur entlang der Kulturgeschichte der Donau und Triests so kenntnisreich durchwandert hat. 



Vergessen wir also nicht dieses reichhaltige Spektrum italienischer Literatur, wenn wir von Eco sprechen. Wenn sein Gesamtwerk lange im Schatten des einen Erfolgs stand, so ist er, der 2016 im Alter von 84 Jahren gestorben ist, gerade in letzter Zeit wieder ins Licht getreten. Wir sind historisch gesehen rückfällig, wenn Faschismus und Verschwörungsphantasien wieder Oberhand gewinnen – und genau dazu hat Eco schon vor Jahren geschrieben in vielen Essays und Polemiken. Zu seiner Zeit ging es gegen den unaufhaltsamen Berlusconi mit seiner Medienmacht, ein Vorspiel nur, wie wir heute sehen, von Vorgängen quer durch die westliche Welt, ganz zu schweigen von Russland.

Verführbar durch die Lüge

Die Lüge hat also wieder Konjunktur weltweit und Eco war ihr immer auf der Spur. Die meisten seiner literarischen Werke erkunden die Wege der Verfälschungen, Fakes und Verschwörungen – etwa »Das Foucaultsche Pendel«, in dem ein Trommelfeuer an esoterischen Sekten, Büchern und Autoren dröhnt, oder »Der Prager Friedhof«, der die bis heute wirksamen teuflischen Fälschungen der »Protokolle der Weisen von Zion« aufs Korn nimmt. Das Falsche, sagte Eco einmal, habe ihn schon immer fasziniert, vor allem aber die Frage, warum die Menschen so verführbar durch die Lüge sind.

Von Falschem voll ist aber nicht zuletzt seine eigene Bibliothek von ca. 35.000 Bänden, die kürzlich auch in den Kinos zu sehen war (»Eine Bibliothek der Welt«, von Davide Ferrario). Der Großteil ging an die Universität von Bologna, an der Eco lange Jahre als Professor für Semiotik lehrte. 1.500 Folianten und Inkunabeln, seine »semiologica curiosa, lunatica, magica e pneumatica«, erbte die staatliche Biblioteca Braidense in Mailand, 1770 von der Kaiserin Maria Theresia gegründet. Eco war ein unermüdlicher Sammler von Büchern. Mysteriöse Buchtitel und seltsam-seltene Gelehrte waren sein Geschäft, so das monströse Werk des legendären Jesuiten Athanasius Kircher, das in seiner Universalität (von Hieroglyphen und China bis zu medientechnischen Apparaturen) sich in der Tat mit Ecos Interessen deckt. In der barocken Fülle von Phantasterei, Eseleien und Versuchen auf dem steinigen Weg zur modernen Wissenschaft stieß Eco oft auf einen Surrealismus, ja eine Postmoderne, wie er sie auch in den endlosen Listen von Dingen, Namen, Rezepten schuf, mit denen seine Werke gefüllt sind. Es blieb nicht aus, dass er auch ein Buch über die Macht der Listen schrieb. Eco ist ein Mensch der Kataloge, die durch Alphabet und Nummer lachhafte Absurditäten produzieren – ein Blick, der den ernsthaften Verreißern des »Foucaultschen Pendels« im deutschen Fernsehen und Feuilleton offensichtlich fehlte. 



In vielen Interviews und Gesprächen, in denen es sich immer wieder um Bücher oder andere Medien dreht, ist das Thema der eigenen oder überhaupt der Bibliothek als geistig-materielles Kulturphänomen zentral. »Haben Sie das alles gelesen«, hieß die oft zu hörende Frage. Antwort: »Ja, natürlich. Die ungelesenen Bücher stehen in meinem Büro in der Universität«.2

Der bibliomane »Homo sapiens«

Ecos öffentliche Wahrnehmung als der bibliomane »Homo sapiens«, die ihn an die Seite seines argentinischen Vorbilds Jorge Luis Borges stellt, ist natürlich in erster Linie seinem Erstling, den er mit 48 Jahren schrieb, geschuldet. »Der Name der Rose«, 1980 erschienen, setzte gleich drei neue Maßstäbe: Der Roman entdeckt das Mittelalter für den Kriminalroman. Im Zentrum des Romans steht eine Bibliothek und der Roman verbindet auf geschickte Weise das gelehrte Wissen mit der Unterhaltung. Zu all diesen Kategorien wird man auch frühere Werke finden. So schrieb die Britin Ellis Peters schon ab den 1970ern eine Reihe über einen mittelalterlichen Mönch als Detektiv und den Mord in einer Bibliothek gab es bei Agatha Christie. Aber Eco bündelt diese Elemente dermaßen, dass sie tonangebend wurden. Der historische Roman, aus dem man lernen kann, der aber auch Spaß macht und zugleich philosophisch konstruiert ist, das war etwas Neues. Nicht zuletzt ist es der postmoderne Einschlag, der dazu führte, das heißt ein zitatreicher Umgang mit populären Traditionen, und die metafiktionale Ebene, die den Schreibprozess selbst kommentiert. Leser sind erfreut, wenn sie bekannte Namen in Verfremdung wiedererkennen, so die der Hauptfiguren Baskerville (nicht der Hund, aber der Detektiv…) und Adson, dessen Name wie ein Echo3 des etwas unwissenden Partners von Sherlock Holmes klingt. Ganz zu schweigen von Jorge de Burgos, dem Feind des Lachens, der einem verhassten Buch Gift einflößt. Burgos ist eine deutliche Anspielung auf den ebenfalls blinden Mitbegründer der Postmoderne, Jorge Luis Borges. Borges war der Büchermensch par excellence und das Schicksal fügte es, wie er oft bemerkte, dass er zur gleichen Zeit, als er Direktor der Argentinischen Nationalbibliothek wurde, erblindete. Alle Bücher der Welt vor Augen und sie nicht mehr lesen zu können! De Burgos ist dermaßen humorlos und übertrieben böse, dass er mit Borges, dem milden und humorvollen Freund der Bücher, gar nichts gemein hat. Aber Borges‘ Phantasie steht auch hinter der Bibliothek des Romans. 

Die Abtei ist einem Labyrinth ähnlich, erst recht die Bibliothek, die dieses Format geradezu auf Raum und Zeit ausdehnt. Borges schrieb bekanntlich eine einzigartige Erzählung über eine solche kosmisch angelegte Büchersammlung unter dem Titel »Die Bibliothek von Babel« (1941). Die Architektur dieser universalen Meta-Bibliothek besteht darin aus Sechsecken und sieht Spiegel und spiralförmige Treppen vor (so als befänden wir uns in der Doppelhelix der DNA4). Die Bibliothek wird sphärisch gesehen und ist in ihrer Größe so unzugänglich wie Gott selbst. Die Bücher entstehen aus zufälligen Kombinationen einer begrenzten Zahl von Buchstaben – Swifts Gulliver war auf seinen Reisen schon auf ein ähnliches Projekt gestoßen – und diese bilden nach und nach die gesamte mögliche Literatur ab. Zwischen unendlichen Kakophonien und Zeichenmüll tauchen plötzlich Zeilen von Shakespeare auf. Der Katalog enthält alles von den Autobiographien der Erzengel bis hin zu den Büchern, die hätten geschrieben werden können, und den falschen Katalogen samt den Nachweisen ihrer Falschheit. Selbst wenn die Gattung Mensch verschwunden sein wird, wird diese Bibliothek in ihrer Einsamkeit weiterleuchten. Denn Bücher, und hier sind wir wieder bei Eco, sind ein unendliches kollektives Gedächtnis und sie stellen die vergebliche Hoffnung des Menschen dar, in irgendeiner Form den eigenen Tod zu überleben. 



Auch das Buch, das so zentral ist für »Der Name der Rose«, Aristoteles‘ angebliches verschollenes Werk über das Lachen, ist diesem Akt gegen die Sterblichkeit verpflichtet, gerade weil es im Kloster zu vielen Morden führt. Sein Hüter de Burgos verteufelt das Lachen, doch ist es dies, was den Menschen von den (meisten) Tieren unterscheidet, und zwar deshalb, so Eco, weil der Mensch sich seiner Sterblichkeit bewusst ist und dieses Bewusstsein durch Lachen zu überwinden sucht. 

Auch über Bibliotheken als uns überlebende geistige Materie sollte man lachen. Und Eco tut dies, indem er eine Liste aufstellt, die man allen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren zur Pflichtlektüre empfehlen sollte: das Modell einer schlechten Bibliothek in 19 Punkten. Darin erfahren wir etwa unter 3), dass Signaturen möglichst unleserlich sein sollen oder unter 8), dass der Bibliothekar den Leser als einen Feind oder gar als potenziellen Dieb betrachten soll. 10): Die Auskunft muss unerreichbar sein und 18), es darf keine Toiletten geben. Die ideale Bibliothek schließlich ist die, die man gar nicht erst betreten kann. Eco nahm sich für seinen Roman viel Zeit, die Bibliothek zum Labyrinth zu machen. Drei Monate konstruierte er sie so, dass am Ende auch die Belüftung gewährleistet war, denn was wäre eine mittelalterliche Geschichte ohne Feuersbrunst? So musste er schließlich noch Mauerschlitze anbringen, um den nötigen Luftzug zu bekommen.5

Sakrales und ungeheuerlich

Den Büchern haftet etwas Sakrales, ja Ungeheures an, und damit sind wir im Mittelalter. Die Klöster Denkwerkstätten, Think Tanks, waren Orte, wo Traditionen überliefert (auch gefälscht und vernichtet) wurden, wo Antikes oder Unheiliges übersetzt wurde und aus den kopierten Büchern Sekten erwuchsen, Häresien und Inquisitionen. Das Buch und die Wahrheit sind leider nur flüchtige Bekannte: ein reiches Terrain für jemanden, der wie Eco von der Lüge fasziniert ist, und zwar, wie er einmal sagte, weil er Semiotiker war. Ihn interessierte die hypnotische Wirkung der Zeichen.

Der Artikel über den italienischen Autor und Universalgelehrten Umberto Eco erscheint im Themenschwerpunkt von BuB 10/2024, in dem sich alles um die Frankfurter Buchmesse mit dem diesjährigen Gastland Italien dreht. In der Ausgabe werfen wir auch einen Blick auf die Situation der Schulbibliotheken und Leseförderung in Italien. Und schließlich ist die Buchmesse auch Anlass, ein häufig vernachlässigtes Genre in den Fokus zu nehmen: Lyrik in der Bibliothek.

BuB 10/2024 erscheint am 14. Oktober 2024.
 

Daher die genannten Romane über Verschwörungsphantasien und Illusionen, zu denen man auch Baudolino rechnen muss. Hier träumt der mittelalterliche christliche Westen von einem geheimen Reich im Osten, das des Priesterkönigs Johannes, der den Christen gegen die Muslime beistehen soll. Doch jeder Traum gebiert Anlässe zum Fälschen, hier in der Form eines Briefes von dem mysteriösen Herrscher, der den Europäern seine Dienste anbietet. Ein phantastisch denkendes Mittelalter tut sich hier auf, das nicht allen Lesern gefallen hat – die Reise zwischen Mentalitäten ist eben anstrengend. Das Mittelalter aber, so schreibt er in der »Nachschrift zum ›Namen der Rose‹« (1983), ist unsere kollektive Kindheit, die unter anderem kommunale Demokratie, Universitäten, Banken und Revolten erfunden hat. 

Wir müssen uns insbesondere mit den zehn verschiedenen Arten von Mittelalter befassen, eine Forderung, zu der ihm der große französische Historiker Jacques Le Goff nur beipflichten konnte.6 Eco fühlte sich zur Zeit der Niederschrift des Romans weit eher als Einwohner des Mittelalters denn als unser Zeitgenosse. Schon seine Dissertation über die Ästhetik bei Thomas von Aquin zeigt diese tiefe Verwurzelung in einem Zeitalter, das ebenso wie das unsere von Krisen, Orientierungsproblemen, Sekten und Verschwörungen geprägt war. Es ist ein plurales Mittelalter, das uns leibhaftig im Roman entgegentritt: mit exzentrischen Mönchen, hohen theologischen Debatten und tiefen politischen Spaltungen, die zeigen, dass das vermeintliche Sinneszentrum, der Glauben und seine Verkörperung durch Papst und Kirche, im Begriff ist, zu einer Illusion zu werden. Der englische Franziskaner William Baskerville, der die Morde aufklären soll, ist weit eher unser eigener Zeitgenosse, der mit Skepsis, Vernunft und Pragmatismus in diese wütende Welt der Irrungen eintritt. Geißelt er nicht Dummheit, politische und religiöse Verwirrung wie sein Erfinder Eco in seinen journalistischen Kolumnen und Essays die Kultur und Politik des zeitgenössischen Italiens? 



Als Semiotiker ist Eco den Idiotien auf der Spur, als Sprachwissenschaftler den Selbsttäuschungen der Menschen, eine vollkommene Sprache zu erfinden, die uns eine paradiesische Utopie vorgaukelt.7 Aber Utopien sind gefährliche Paradiesvögel. Eco hilft uns, immer skeptisch zu bleiben. Seine eigene Biographie, die ihn durch den faschistischen und katholischen Glauben seiner Kindheit hindurch zu einem fundamentalen Humanismus voller Selbstbefragung und Selbstironie führte, spiegelt sein fünfter Roman wider, der hierzulande wenig bekannt ist: »Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana« von 2004. Hier versucht der Protagonist, der sein Gedächtnis verloren hat, es wieder zu rekonstruieren, und zwar indem er die Kiste mit Büchern und Heften durchgeht, die ihn in seiner Kindheit fasziniert haben. Das können Abenteuerromane sein oder Comics, Pamphlete und Werbung – das ganze Spektrum des Semiotikers. Gleichzeitig ist dies ein Roman über einen neurologischen Ausfall und seine Kompensation durch Literatur – eine Form der Bibliotherapie. Das literarische Kunstwerk kann durch seine »Offenheit« Lesende so aktivieren, dass sie Teil des Schöpferischen werden.8

Archäologe und Prophet

Vielleicht fasziniert uns Eco deshalb, weil er die Inkarnation des Buchmenschen ist, der Homo sapiens als Leser, Sammler von Wissen, Entzifferer von Zusammenhängen. Aber er repräsentiert nicht nur eine große vergangene Epoche – von den Keilschrifttafeln und Papyri zur Gutenberg-Galaxie –, sondern er hat auch die Zukunft des Buches und der Medien mitreflektiert: Archäologe und Prophet zugleich. 

Und noch bis in die Hinterzimmer des Jenseits bleibt er den Büchern, diesen Hütern unseres Gedächtnisses, treu. Als ihn einmal ein Theologe zur Rede stellte und fragte, wie er denn Gott nach seinem Tode ins Auge sehen könne mit seinen ironisch-agnostischen Eskapaden – da antwortete Eco: »Machen Sie sich keine Sorgen, Gott und ich, wir haben dieselben Bücher gelesen, wir werden uns schon verstehen!«

 

1  Roberto Saviano, der das organisierte Verbrechen ins Visier nahm und nimmt, wurde nicht zum Italienschwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 2024 eingeladen. Welche Haltung Umberto Eco gegen diese Missachtung (und andere Fehler bei der Einladung) eingenommen hätte? Man lese dazu Savianos Vorwort zu Ecos Schrift »Der ewige Faschismus« (München 2020): »Ich schulde Umberto Eco vieles. Er war es, der öffentlich zu meinem Schutz aufrief in einer Zeit, als ich ganz allein war, verzweifelt und völlig unbekannt. Dar war […] die Geste eines Intellektuellen, der sich nicht scheut, Partei zu ergreifen.« (S 14)

2 Ich kann mir eine Anekdote aus meinem eigenen Bücherleben nicht verkneifen. Eines Tages betrat ein zehnjähriger, bücherferner Freund meiner Tochter unsere Wohnung und rief erstaunt: »Dein Vater hat aber eine große Apotheke!« Womit er auf eine wesentliche Funktion von Bibliotheken hingewiesen hat.

3 Eco, das italienische Wort für Echo? Der Autor klärt uns auf, dass es sich zugleich um ein Akronym handelt: Eco stehe für ex coelis oblatus, vom Himmel geschenkt. So habe ein Beamter seinen Vater benannt, da er ein Findelkind war. Eco war sehr zufrieden mit dieser Bedeutung.

4 Zu Parallelen zwischen unserer biologischen Bibliothek und der vom Menschengeist erfundenen vgl. Elmar Schenkel, »Chimären im Buch des Lebens. Jorge Luis Borges und die Genetik«, in Scheidewege. Zeitschrift für skeptisches Denken 32 (2006). S. 94-105.

5 Eco, Nachschrift zum »Namen der Rose«, München: dtv 1986, S. 37. Wie ich höre, schreibt derzeit der ehemalige Direktor der Leipziger Bibliothek Albertina Ulrich Johannes Schneider an einer Kulturgeschichte der Belüftungen von Bibliotheken. Ecos Fragestellung ist also auch hier wegweisend.

6 Jacques Le Goff, »Umberto Eco et le Moyen Age«, in Au nom du Sens – autour de l’œuvre d’Umberto Eco, sous la direction de Jean Petito et Paolo Fabri. Colloque de Cerisy 1996. Paris : Grasset 2000.

7 Eco, Die Suche nach der vollkommenen Sprache. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München: Beck 1994. 

8 Eco liebte daher James Joyces Ulysses ganz besonders. Ein weiteres einflussreiches Buch von Eco: Das offene Kunstwerk. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1977.

Elmar Schenkel war bis 2019 Professor für Englische Literatur an der Universität Leipzig und ist als Schriftsteller und Maler tätig. Seit 2019 Vorsitzender des Arbeitskreises Vergleichende Mythologie. Zuletzt erschienen: Wahre Geschichten um Nietzsche und Ostwind, Westwind. Begegnungen zwischen Asien und Europa (beide 2023). Foto: Christian Modla

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