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Eine neue Sicht auf die wissenschaftliche Bibliothek der Zukunft – Zehn Thesen

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Die wissenschaftlichen Bibliotheken werden in der Zukunft wohl anders aussehen. Klaus Tochtermann fasst in zehn Thesen die wichtigsten Veränderungen zusammen. Foto: arfo - Fotolia.com

Das Thema »Zukunft der Bibliotheken« wird seit vielen Jahren leidenschaftlich und kontrovers in Fachzeitschriften und auf Bibliothekskongressen diskutiert. Aber ist es auch radikal zu Ende gedacht? Professor Klaus Tochtermann, Direktor der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW) mit Standorten in Kiel und Hamburg, stellt zehn Thesen für die Zukunft wissenschaftlicher Bibliotheken auf, die eine neue Sicht auf die Bibliothek der Zukunft haben.

Der Blickwinkel der folgenden zehn Thesen bezieht sich primär auf Informationsinfrastruktureinrichtungen mit überregionaler Bedeutung. Zur Vereinfachung der Les-barkeit wird stets der Begriff »Bibliothek« verwendet. Zudem beziehen sich die Thesen auf Entwicklungsfelder, in denen Bibliotheken zukünftig besondere Anstrengungen unternehmen müssen.

Nicht explizit berücksichtigt werden Entwicklungen, die derzeit ohnehin stattfinden und auf die Bibliotheken nur indirekt Einfluss nehmen können. Hierzu zählen etwa die Zunahme an digitalen und online verfügbaren Publikationen, die Entwicklung mobiler Endgeräte, die Erhöhung der Übertragungsraten im Internet oder die Rechtsgrundlagen zur Datensicherheit und zum Schutze der Privatsphäre. Zudem wird nicht auf Fragestellungen eingegangen, von denen abzusehen ist, dass sie zukünftig methodisch oder technisch gelöst sein werden. Hierzu zählen etwa das Voranschreiten der Open-Access-Bewegung, Informationskompetenz, die digitale Langzeitarchivierung oder die automatische Katalogisierung und Indexierung.

Die zehn Thesen

(1) Der traditionelle Auftrag von Bibliotheken bleibt auch zukünftig erhalten; zeit-gleich werden sich Bibliotheken stärker internationalisieren: Die Existenzgrundlage für Bibliotheken erschließt sich auch zukünftig aus ihrem traditionellen Auftrag: Hierzu gehören zum einen das Sammeln, die Erschließung sowie die Erhaltung wissenschaftlicher und für die Kundengruppen relevanter Fachinformationen und zum anderen die Bereitstellung moderner Services zur effizienten und effektiven Nutzung wissenschaftlicher Fachinformationen. Da die Bewältigung von globalen Herausforderungen zu einem Hauptauftrag für die Forschung, und damit für Kundengruppen von Bibliotheken, geworden ist, werden Bibliotheken dem-entsprechend ihre Anstrengungen zur Internationalisierung weiter verstärken.

 

(2) Eigene Forschung in den Bibliotheken erhöht das Innovationsniveau und die Kundenorientierung: Bibliotheken werden zukünftig nicht nur die Forschung mit wissenschaftlicher Literatur unterstützen, sondern selbst in erheblichem Maße aktiv und gestaltend Forschung betreiben – und dies gleichermaßen auf nationaler und internationaler Ebene. Die Forschung findet in den Disziplinen Angewandte Informatik, speziell Medieninformatik, und Informationswissenschaften statt. Sie ist mit dem Ziel verbunden, in engem Austausch mit den Kundengruppen die eigenen Online-Services stets auf höchstem Innovationsniveau anzubieten. Somit werden Bibliotheken gleichwertige Partner in der Forschungsgemeinschaft und können als Teil derselben und auf gleicher Augenhöhe den stetigen Wandel in der Forschung mit bewältigen. Bibliotheken können daher ihre Dienste zur Literaturvermittlung noch besser auf Kundenbedürfnisse ausrichten.

 

(3) Bibliotheken unterstützen die dezentrale Informationsversorgung maßgeblich: Derzeit sind es Professionals, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Fachinformationen national (vor Ort oder überregional) versorgen. In Zukunft wird die wissenschaftliche Literaturversorgung weniger zentral professional-to-peer stattfinden, sondern hauptsächlich dezentral peer-to-peer. Das heißt, die unmittelbare Versorgung mit online verfügbarer Fachinformation zwischen Forschenden wird eine bedeutende Rolle einnehmen. Bibliotheken werden die benötigten Infrastrukturen bereitstellen und bestehende Informationsknoten im World Wide Web, wie etwa Wikis, Blogs, virtuelle Forschungsumgebungen oder Bereiche in sozialen Netzwerken, stärker in ihre Serviceangebote einbinden, um so diese dezentrale Informationsversorgung maßgeblich zu unterstützen.

 

(4) Content kommt zum Forschenden: Bibliotheken werden die Technologie beherrschen, die neue Paradigmen für die Literaturrecherche ermöglichen. Es werden Algorithmen entwickelt sein, die die Inhalte kontextsensitiv und individualisiert direkt zu den Forschenden transportieren. Schreibprozesse von Forschenden werden semantisch und kontextbezogen analysiert und die passende Literaturauswahl qualitativ vorselektierter Medien erscheint in der Arbeitsumgebung des Schreibenden. Das klassische Bibliotheksparadigma des »information pull«, das heißt, Forschende müssen aktiv nach Literatur suchen, wird durch das Paradigma des »information push« ergänzt, das heißt, Literatur wird proaktiv in die Umgebungen geliefert, in denen sich die Forschenden gerade aufhalten.

 

(5) Veröffentlichungen der Zukunft sind komplex, cross-medial und vernetzt: Viele wissenschaftliche Veröffentlichungen werden zukünftig nicht mehr in Form eines ausdruckbaren Werks vorliegen. Sie zeichnen sich vielmehr dadurch aus, dass sie als Komposition verschiedener, auch unabhängig von der Publikation verwendbarer Medien (zum Beispiel erklärendes Video, beschreibender Text und verwendetes Datenmaterial) vorliegen. Bibliotheken werden zukünftig Dienste anbieten, mit denen cross-mediale, komplexe und nur virtuell als eine Gesamtheit existierende Veröffentlichungen als ein Ganzes katalogisiert, rezipiert und zitiert werden können.

 

(6) Bibliotheken vernetzen Inhalte unabhängig von Disziplin und Herkunft: Bibliotheken werden ihre Sammelprofile im Kern beibehalten, diese allerdings im Kontext der zunehmenden Interdisziplinarität in der Forschung kontinuierlich anpassen müssen. Kataloge der Bibliotheken enthalten Bedeutungszusammenhänge, die es erlauben, beliebige Inhalte aus dem semantischen World Wide Web mit wissenschaftlicher Literatur zu verknüpfen. Beispielsweise werden Suchen nach Literatur zu volkswirtschaftlichen Phänomenen auch Treffer aus benachbarten Wissenschaftsdisziplinen wie Psychologie oder Sozialwissenschaften liefern. Zudem werden so die bestehenden Grenzen zwischen wissenschaftlichen Inhalten und kulturellen Inhalten (zum Beispiel von Museen) beziehungsweise Lerninhalten (zum Beispiel von massive open online courses) überwunden.

 

(7) Bibliotheken setzen auf virale und dezentrale Serviceangebote für die Verbreitung von Literatur: Bibliotheken, die dafür zuständig sind, dass Forschende schnell und einfach an die internationale Fachliteratur zu ihrem Forschungsgebiet herankommen, werden in Zukunft die bedeutende Rolle des qualitätssichernden Informationsvermittlers spielen, der dezentral im Hintergrund agiert. Virale Mechanismen für die Verbreitung von Literatur (zum Beispiel Push-Dienste und Suchmaschinenoptimierung) und dezentrale Serviceangebote (zum Beispiel Plug-Ins für soziale Medien wie Blog-Plattformen) definieren die Werkzeuge der Bibliothek der Zukunft. Die Werkzeuge selbst werden auf qualitativ hochwertigen und für das Semantic Web aufbereiteten Metadaten aufbauen.

 

(8) Bibliotheken bieten publikationsunterstützende Dienste an: Bibliotheken werden nicht mehr ausschließlich die Rolle eines Informationsversorgers einnehmen. Vielmehr bieten sie zusätzlich Dienste an (zum Beispiel Infrastrukturen für Forschungsdaten), die Forschende bei ihren Publikationsprozessen unterstützen. Zudem entwickeln Bibliotheken gemeinsam mit Verlagen neuartige Zugangsmodelle für digitale Inhalte, um auch auf diesem Wege den freien Zugriff auf Fachpublikationen weiter voranzutreiben.

 

(9) Bedeutungszusammenhänge werten Bibliothekskataloge auf: Neue Standards für die Erschließung von Ressourcen berücksichtigen neue Publikationsformen, Informationsumgebungen und -technologien, insbesondere im Hinblick das Semantic Web. Damit wird die heutige Katalogisierung in Bibliotheken durch die Modellierungen von Bedeutungszusammenhängen ersetzt, in denen eine wissenschaftliche Veröffentlichung eine semantische Komposition ihrer Bestandteile ist. Die semantische Repräsentation ermöglicht es Maschinen, zu erkennen dass beispielsweise ein Autor beziehungsweise eine Autorin nicht nur eine syntaktische Abfolge von Zeichen, sondern vielmehr ein Konzept ist, hinter dem eine reale Person steht. Bibliotheksdienste werden diese semantischen Repräsentationen mit weiteren im World Wide Web verfügbaren semantischen Repräsentationen beliebig kombinieren und so komplexe Informationsangebote ermöglichen (zum Beispiel Anbieten von Lebensläufen aus anderen Internetquellen).

 

(10) Bibliotheken besitzen hohe IT-Kompetenz und/oder hohe Medienkompetenz. Während das Kompetenzprofil der Beschäftigten einer Bibliothek heutzutage primär durch bibliothekarische und fachlich-inhaltliche Kompetenzen geprägt ist, wird dieses Kompetenzprofil zukünftig um Medienkompetenz und/oder Kompetenzen aus der Informatik oder den Informationswissenschaften maßgeblich erweitert.

 

Professor Dr. Klaus Tochtermann ist seit 2010 Direktor der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften / Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (ZBW); seit 2010 ist er ebenfalls Universitätsprofessor für Medieninformatik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Aktuelle Arbeitsschwerpunkte: Wissensmanagement, Web 2.0, Semantische Technologien, Science 2.0. Wissenschaftliche Ausbildung: 2002 Habilitation für das Fach »Angewandte Informationsverarbeitung« an der TU Graz; 1985 bis 1991 Studium der Informatik in Kiel und Dortmund; Promotion im Fach Informatik an der Universität Dortmund.

 






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Eine neue Sicht auf die wissenschaftliche Bibliothek der Zukunft – Zehn Thesen

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Die wissenschaftlichen Bibliotheken werden in der Zukunft wohl anders aussehen. Klaus Tochtermann fasst in zehn Thesen die wichtigsten Veränderungen zusammen. Foto: arfo - Fotolia.com

Das Thema »Zukunft der Bibliotheken« wird seit vielen Jahren leidenschaftlich und kontrovers in Fachzeitschriften und auf Bibliothekskongressen diskutiert. Aber ist es auch radikal zu Ende gedacht? Professor Klaus Tochtermann, Direktor der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW) mit Standorten in Kiel und Hamburg, stellt zehn Thesen für die Zukunft wissenschaftlicher Bibliotheken auf, die eine neue Sicht auf die Bibliothek der Zukunft haben.

Der Blickwinkel der folgenden zehn Thesen bezieht sich primär auf Informationsinfrastruktureinrichtungen mit überregionaler Bedeutung. Zur Vereinfachung der Les-barkeit wird stets der Begriff »Bibliothek« verwendet. Zudem beziehen sich die Thesen auf Entwicklungsfelder, in denen Bibliotheken zukünftig besondere Anstrengungen unternehmen müssen.

Nicht explizit berücksichtigt werden Entwicklungen, die derzeit ohnehin stattfinden und auf die Bibliotheken nur indirekt Einfluss nehmen können. Hierzu zählen etwa die Zunahme an digitalen und online verfügbaren Publikationen, die Entwicklung mobiler Endgeräte, die Erhöhung der Übertragungsraten im Internet oder die Rechtsgrundlagen zur Datensicherheit und zum Schutze der Privatsphäre. Zudem wird nicht auf Fragestellungen eingegangen, von denen abzusehen ist, dass sie zukünftig methodisch oder technisch gelöst sein werden. Hierzu zählen etwa das Voranschreiten der Open-Access-Bewegung, Informationskompetenz, die digitale Langzeitarchivierung oder die automatische Katalogisierung und Indexierung.

Die zehn Thesen

(1) Der traditionelle Auftrag von Bibliotheken bleibt auch zukünftig erhalten; zeit-gleich werden sich Bibliotheken stärker internationalisieren: Die Existenzgrundlage für Bibliotheken erschließt sich auch zukünftig aus ihrem traditionellen Auftrag: Hierzu gehören zum einen das Sammeln, die Erschließung sowie die Erhaltung wissenschaftlicher und für die Kundengruppen relevanter Fachinformationen und zum anderen die Bereitstellung moderner Services zur effizienten und effektiven Nutzung wissenschaftlicher Fachinformationen. Da die Bewältigung von globalen Herausforderungen zu einem Hauptauftrag für die Forschung, und damit für Kundengruppen von Bibliotheken, geworden ist, werden Bibliotheken dem-entsprechend ihre Anstrengungen zur Internationalisierung weiter verstärken.

 

(2) Eigene Forschung in den Bibliotheken erhöht das Innovationsniveau und die Kundenorientierung: Bibliotheken werden zukünftig nicht nur die Forschung mit wissenschaftlicher Literatur unterstützen, sondern selbst in erheblichem Maße aktiv und gestaltend Forschung betreiben – und dies gleichermaßen auf nationaler und internationaler Ebene. Die Forschung findet in den Disziplinen Angewandte Informatik, speziell Medieninformatik, und Informationswissenschaften statt. Sie ist mit dem Ziel verbunden, in engem Austausch mit den Kundengruppen die eigenen Online-Services stets auf höchstem Innovationsniveau anzubieten. Somit werden Bibliotheken gleichwertige Partner in der Forschungsgemeinschaft und können als Teil derselben und auf gleicher Augenhöhe den stetigen Wandel in der Forschung mit bewältigen. Bibliotheken können daher ihre Dienste zur Literaturvermittlung noch besser auf Kundenbedürfnisse ausrichten.

 

(3) Bibliotheken unterstützen die dezentrale Informationsversorgung maßgeblich: Derzeit sind es Professionals, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Fachinformationen national (vor Ort oder überregional) versorgen. In Zukunft wird die wissenschaftliche Literaturversorgung weniger zentral professional-to-peer stattfinden, sondern hauptsächlich dezentral peer-to-peer. Das heißt, die unmittelbare Versorgung mit online verfügbarer Fachinformation zwischen Forschenden wird eine bedeutende Rolle einnehmen. Bibliotheken werden die benötigten Infrastrukturen bereitstellen und bestehende Informationsknoten im World Wide Web, wie etwa Wikis, Blogs, virtuelle Forschungsumgebungen oder Bereiche in sozialen Netzwerken, stärker in ihre Serviceangebote einbinden, um so diese dezentrale Informationsversorgung maßgeblich zu unterstützen.

 

(4) Content kommt zum Forschenden: Bibliotheken werden die Technologie beherrschen, die neue Paradigmen für die Literaturrecherche ermöglichen. Es werden Algorithmen entwickelt sein, die die Inhalte kontextsensitiv und individualisiert direkt zu den Forschenden transportieren. Schreibprozesse von Forschenden werden semantisch und kontextbezogen analysiert und die passende Literaturauswahl qualitativ vorselektierter Medien erscheint in der Arbeitsumgebung des Schreibenden. Das klassische Bibliotheksparadigma des »information pull«, das heißt, Forschende müssen aktiv nach Literatur suchen, wird durch das Paradigma des »information push« ergänzt, das heißt, Literatur wird proaktiv in die Umgebungen geliefert, in denen sich die Forschenden gerade aufhalten.

 

(5) Veröffentlichungen der Zukunft sind komplex, cross-medial und vernetzt: Viele wissenschaftliche Veröffentlichungen werden zukünftig nicht mehr in Form eines ausdruckbaren Werks vorliegen. Sie zeichnen sich vielmehr dadurch aus, dass sie als Komposition verschiedener, auch unabhängig von der Publikation verwendbarer Medien (zum Beispiel erklärendes Video, beschreibender Text und verwendetes Datenmaterial) vorliegen. Bibliotheken werden zukünftig Dienste anbieten, mit denen cross-mediale, komplexe und nur virtuell als eine Gesamtheit existierende Veröffentlichungen als ein Ganzes katalogisiert, rezipiert und zitiert werden können.

 

(6) Bibliotheken vernetzen Inhalte unabhängig von Disziplin und Herkunft: Bibliotheken werden ihre Sammelprofile im Kern beibehalten, diese allerdings im Kontext der zunehmenden Interdisziplinarität in der Forschung kontinuierlich anpassen müssen. Kataloge der Bibliotheken enthalten Bedeutungszusammenhänge, die es erlauben, beliebige Inhalte aus dem semantischen World Wide Web mit wissenschaftlicher Literatur zu verknüpfen. Beispielsweise werden Suchen nach Literatur zu volkswirtschaftlichen Phänomenen auch Treffer aus benachbarten Wissenschaftsdisziplinen wie Psychologie oder Sozialwissenschaften liefern. Zudem werden so die bestehenden Grenzen zwischen wissenschaftlichen Inhalten und kulturellen Inhalten (zum Beispiel von Museen) beziehungsweise Lerninhalten (zum Beispiel von massive open online courses) überwunden.

 

(7) Bibliotheken setzen auf virale und dezentrale Serviceangebote für die Verbreitung von Literatur: Bibliotheken, die dafür zuständig sind, dass Forschende schnell und einfach an die internationale Fachliteratur zu ihrem Forschungsgebiet herankommen, werden in Zukunft die bedeutende Rolle des qualitätssichernden Informationsvermittlers spielen, der dezentral im Hintergrund agiert. Virale Mechanismen für die Verbreitung von Literatur (zum Beispiel Push-Dienste und Suchmaschinenoptimierung) und dezentrale Serviceangebote (zum Beispiel Plug-Ins für soziale Medien wie Blog-Plattformen) definieren die Werkzeuge der Bibliothek der Zukunft. Die Werkzeuge selbst werden auf qualitativ hochwertigen und für das Semantic Web aufbereiteten Metadaten aufbauen.

 

(8) Bibliotheken bieten publikationsunterstützende Dienste an: Bibliotheken werden nicht mehr ausschließlich die Rolle eines Informationsversorgers einnehmen. Vielmehr bieten sie zusätzlich Dienste an (zum Beispiel Infrastrukturen für Forschungsdaten), die Forschende bei ihren Publikationsprozessen unterstützen. Zudem entwickeln Bibliotheken gemeinsam mit Verlagen neuartige Zugangsmodelle für digitale Inhalte, um auch auf diesem Wege den freien Zugriff auf Fachpublikationen weiter voranzutreiben.

 

(9) Bedeutungszusammenhänge werten Bibliothekskataloge auf: Neue Standards für die Erschließung von Ressourcen berücksichtigen neue Publikationsformen, Informationsumgebungen und -technologien, insbesondere im Hinblick das Semantic Web. Damit wird die heutige Katalogisierung in Bibliotheken durch die Modellierungen von Bedeutungszusammenhängen ersetzt, in denen eine wissenschaftliche Veröffentlichung eine semantische Komposition ihrer Bestandteile ist. Die semantische Repräsentation ermöglicht es Maschinen, zu erkennen dass beispielsweise ein Autor beziehungsweise eine Autorin nicht nur eine syntaktische Abfolge von Zeichen, sondern vielmehr ein Konzept ist, hinter dem eine reale Person steht. Bibliotheksdienste werden diese semantischen Repräsentationen mit weiteren im World Wide Web verfügbaren semantischen Repräsentationen beliebig kombinieren und so komplexe Informationsangebote ermöglichen (zum Beispiel Anbieten von Lebensläufen aus anderen Internetquellen).

 

(10) Bibliotheken besitzen hohe IT-Kompetenz und/oder hohe Medienkompetenz. Während das Kompetenzprofil der Beschäftigten einer Bibliothek heutzutage primär durch bibliothekarische und fachlich-inhaltliche Kompetenzen geprägt ist, wird dieses Kompetenzprofil zukünftig um Medienkompetenz und/oder Kompetenzen aus der Informatik oder den Informationswissenschaften maßgeblich erweitert.

 

Professor Dr. Klaus Tochtermann ist seit 2010 Direktor der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften / Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (ZBW); seit 2010 ist er ebenfalls Universitätsprofessor für Medieninformatik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Aktuelle Arbeitsschwerpunkte: Wissensmanagement, Web 2.0, Semantische Technologien, Science 2.0. Wissenschaftliche Ausbildung: 2002 Habilitation für das Fach »Angewandte Informationsverarbeitung« an der TU Graz; 1985 bis 1991 Studium der Informatik in Kiel und Dortmund; Promotion im Fach Informatik an der Universität Dortmund.

 



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