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Themen-Dossiers

Ist eine klare Definition von Bibliothek noch möglich?

Foto: Heike Jestram - stock.adobe.com

Diskussionen mit FachkollegInnen hinterlassen oft den Eindruck, dass das Bibliothekswesen bis in die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts hinein im Wesentlichen von Gewissheiten geprägt war. Diese Gewissheiten bezogen sich auf Aufgaben und Ziele, Arbeitsabläufe und auch die Berufsbilder, die scheinbar fast ein Jahrhundert lang seit ihrer Professionalisierung nahezu unverändert geblieben sind. Es mag sicher gute Gründe geben, diese eher subjektive Einschätzung zu teilen und in groben Linien und wesentlichen Merkmalen mag sie sogar empirisch belegbar sein. Andererseits wird, jenseits technischer Entwicklungen, die schon vor Einführung der elektronischen Datenverarbeitung im Laufe des 20. Jahrhunderts die Arbeit in Bibliotheken wesentlich verändert haben, der gesellschaftliche und ökonomische Rahmen der Bibliotheksarbeit in vielen dieser Vermutungen wesentlich unterschätzt. Insbesondere für Gesellschaften wie der deutschen, die mehreren radikalen Um- und Zusammenbrüchen ausgesetzt war (beziehungsweise diese selber verursacht hat), wären solche Faktoren in ihrer Wirkung noch zu untersuchen. Dies soll allerdings nicht im Rahmen dieses Beitrags geschehen, vielmehr möchte ich, ausgehend von der derzeit populärsten Definition der Bibliothek, die sich verändernde Rolle der Bibliotheken schlaglichtartig betrachten und auf diese Weise eigene Gedanken zur Beantwortung der Frage, was die Bibliothek eigentlich heute sei, beitragen.

Wesentlich wird dabei sein, sich von funktionalistischen und positivistischen Definitionen zu lösen, die wissenschaftliche Bibliotheken schon immer nur teilweise beschrieben und Öffentliche Bibliotheken eigentlich ignoriert haben. Ziel ist es nicht, eine neue Definition zu formulieren, sondern neue Aspekte in den Diskussionsprozess einzubringen. Meine These ist, dass eine Definition der Bibliothek in all ihren Facetten heute nicht mehr möglich und eigentlich auch nicht nötig ist.

Der Versuch einer wissenschaftlichen Definition

Die hierzulande gängigste Definition der Bibliothek wurde von Ewert und Umstätter unter anderem im Bibliotheksdienst publiziert und wird in vielen Zusammenhängen immer wieder zitiert: »Die Bibliothek ist eine Einrichtung, die unter archivarischen, ökonomischen und synoptischen Gesichtspunkten publizierte Information für die Benutzer sammelt, ordnet und verfügbar macht.«[1] Ewert und Umstätter haben in dem hier zitieren Beitrag wesentliche Vorgängerdefinitionen von Bibliothek aufgeführt und sich das Verdienst erworben, die Definition der Bibliothek vom Medium Buch und dem konkreten Aufbewahrungsort dieses Mediums emanzipiert zu haben. Ihre Überlegungen sind allerdings für die Entstehungszeit des Beitrags schon wieder anachronistisch, denn sie beruhen auf einer stark funktionalistischen und szientistischen, von Systemtheorie und Kritischem Rationalismus gefärbten Sichtweise auf die Bibliothek. Letztendlich ist die Definition ein letzter Versuch, den Gegenstand der Bibliothekswissenschaft dingfest zu machen, der sich, diesem Versuch aber, der postmoderne Jargon sei an dieser Stelle erlaubt, entzieht.

Wesentliche Inspirationen sind hier die vom philosophischen Pragmatismus beeinflusste Machbarkeitsideologie der Nachkriegszeit bis in die 1970er-Jahre hinein. Dahinter steht die Idee, über geeignete Instrumente und soziotechnische Systeme eine moderne Gesellschaft zum Wohl der Individuen lenken und steuern zu können. Funktionseliten und repräsentative demokratische Verfahren sorgen in dieser Sichtweise dafür, dass ein (erneutes) Abgleiten in irrationale, totalitäre Strukturen verhindert wird. Dazu gehört auch die Betonung der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Bibliotheken, wie sie sich bei Umstätter findet, wenn er, Harnack zitierend, von einer »Nationalökonomie des Geistes«[2] spricht. Bibliotheken sind hier also Räder im Getriebe der sorgfältig und rational gesteuerten Gesellschaft und Volkswirtschaft. Das Wohl und die relative Freiheit des Individuums werden mit den Notwendigkeiten eines übergreifenden und lenkenden Staatswesens ausbalanciert.

Störungen müssen zwangsläufig entweder auf mangelhafte Steuerung oder Fehler einzelner Teile des Systems zurückzuführen sein und können durch wissenschaftliche Erkenntnis analysiert und behoben werden. Bibliothekare in leitenden Positionen gehören in einem solchen Modell zu den Funktionseliten, die sich ihrer gesellschaftlichen Bedeutung aus dieser Position heraus bewusst sind. Zweifellos bedeutete diese Rolle einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der zur Mitte des 20. Jahrhunderts vorherrschenden obrigkeitsstaatlichen Beamtenmentalität im Bibliothekswesen (und anderswo).

Infragestellung staatlicher Lenkung

Mindestens seit den 1970er-Jahren wurde die Idee wissenschaftlich begründeter gesellschaftlicher Steuerung massiv infrage gestellt. Der Kritische Rationalismus und die Systemtheorie standen auf dem Prüfstand und die wohlfahrtsstaatliche Lenkung von Ökonomie und Gesellschaft bekam durch neue Vorstellungen einer Selbstregulierung durch den freien Markt Konkurrenz. Was in den 1980er-Jahren im angelsächsischen Raum begann, weitete sich nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus zu einer weltweiten Tendenz aus.

Verwaltung und Lenkung der Gesellschaft als System wurden durch das Management von Dienstleistungen und Strukturen abgelöst, die gegenseitig um Aufmerksamkeit und ökonomische Zuwendungen durch den Staat konkurrieren. Das Ideal des Staatsbürgers, der sich in einer Umgebung entfalten kann, in der für alle Grundbedürfnisse gesorgt ist, wurde ersetzt durch das Ideal des selbstbestimmten und in der Theorie auch viel freieren Individuums, das als Kunde im Rahmen seiner materiellen und sozialen Möglichkeiten Dienstleistungen und Angebote in Anspruch nimmt, die nicht nur der eigenen Bedürfnisbefriedigung, sondern insbesondere auch der Selbstoptimierung dienen. Bereiche, die dabei vermeintlich oder wirklich gewinnbringend betrieben werden können, wurden in der Folge weitgehend privatisiert.

Zum einen war hier ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Staat und der Effektivität seiner Verwaltung ablesbar, zum anderen versprach man sich mehr Freiheit und ein breiteres Angebot für den Bürger als Kunden. Obwohl diese eher staatsferne Idee gesellschaftlicher Organisation mittlerweile selbst infrage gestellt ist, entfaltet sie nach wie vor eine erhebliche Wirkung auch bei den Versuchen, die aktuell angespannte fiskalische Situation vieler Staaten zu lösen.

Individualisierung und Pluralismus

Nur in scheinbaren Widerspruch hierzu begannen auch die Individuen, insbesondere der auf Modernisierung und Neuorientierung ausgerichteten Mittelschichten, sich von der Vorstellung eines für alles sorgenden Staates zu emanzipieren. Scheinbar rationale Entscheidungen der Funktionseliten und der demokratischen Institutionen wurden mehr und mehr hinterfragt und als Zumutung empfunden. Dies betraf sowohl die hinter den Entscheidungen stehenden Werte als auch die ökonomische und vor allem ökologische Folgenabschätzung.

Soziale Bewegungen, Bürgerinitiativen und neue Parteien setzten sich intensiv mit der Frage auseinander, ob die bisher praktizierte staatliche Lenkung die sinnvollste Variante gesellschaftlichen Zusammenlebens sei. Neue Formen der Entscheidungsfindung, des Zusammenlebens und der gesellschaftlichen Kommunikation wurden erprobt, unterhalb der staatlichen Ebene etabliert und schließlich in einem bis heute andauernden Prozess durchgesetzt. Beide Entwicklungen wurden durch mehrere Faktoren noch beschleunigt. Zu diesen Faktoren gehören die Urbanisierung auch der ländlichen Peripherien in den Metropolregionen, die Globalisierung und die mit ihr einhergehende höhere Mobilität, verschiedene Phasen ökonomischer Krisen und natürlich die Möglichkeit, immer schnelle immer größere Datenmengen zu verarbeiten und zu speichern, verbunden mit der Entfaltung neuer Kommunikations- und Informationskanäle unter anderem im Internet.

Zwischen Veränderungsideologie und Aufmerksamkeitsökonomie

Bibliotheken geraten gleichzeitig unter doppelten Druck. Einerseits sind sie in ihrer großen Mehrzahl einem schon fast ideologischen Zwang zur Veränderung ausgesetzt. Hört man sich Vorträge an oder liest aktuelle Artikel in Fachzeitschriften, entsteht oft der Eindruck, dass es weniger die Inhalte der konkreten Veränderung wie etwa eine technische Neuerung oder ein Digitalisierungsprojekt sind, die die Kernbotschaft dieser Beiträge bilden, sondern die Darstellung einer gelungenen Veränderung. Mit den Auswirkungen dieser Ideologie der Veränderung und des ununterbrochenen Change Management auf die Qualität der Arbeit und die Außenwirkung der Bibliotheken hat man sich im Bibliothekswesen anders als in anderen Bereichen noch nicht kritisch auseinandergesetzt. Dies liegt unter anderem daran, dass sich BibliothekarInnen in Deutschland gar nicht als gesellschaftliche Akteure wahrnehmen.[3] Andererseits müssen Bibliotheken in der Veränderung eine Identität und einen Markenkern erhalten, um in der Fülle gesellschaftlicher Angebote erkennbar zu bleiben.

Dabei scheint es aber in vielen Fällen nicht die Informationsdienstleistung im Sinne der oben zitierten Definition zu sein, die für Nutzer, Politik und Verwaltung diesen Markenkern ausmacht. Denn einerseits werden Bibliotheken in der öffentlichen Meinung mit ziemlicher Penetranz noch immer eng mit dem Medium Buch assoziiert, andererseits haben sie selbst, unter anderem auch aus Gründen der Selbsterhaltung, immer mehr Aufgaben in den Vordergrund ihrer Arbeit gerückt, die nicht durch die klassischen Definitionen abgedeckt sind, von der Öffentlichkeit aber gerne und immer öfter als Kernaufgaben von Bibliotheken wahrgenommen werden.

Auch mit dem Sammeln, Ordnen und Verfügbarmachen ist es nicht mehr so einfach, wie uns die Definition glauben machen wollte. Bibliotheken sammeln noch Information, aber nicht nur publizierte; sie ordnen auch weiterhin Information, aber nicht nur die von ihnen gesammelte; und sie machen Information weiterhin verfügbar, aber wesentlich mehr, als sie vorher gesammelt und geordnet haben. Auch haben wissenschaftliche Bibliotheken längst Aufgaben übernommen, die sich von der Propädeutik der Informations- und Medienkompetenz bis zum gesamten Publikationsprozess wissenschaftlicher Arbeiten erstrecken. Zudem wird (und wurde auch schon immer) in Bibliotheken neue Information und neues Wissen produziert.

Der neue Blick auf die Bibliothek

Welche Aspekte sind nun aber die, die schon seit mehr als zehn Jahren einigen BeobachterInnen – vor allem aus der eigenen Berufsgruppe – immer wieder den Ausruf entlocken: »Das ist doch keine Bibliothek mehr«?

Zum einen ist dies sicher die Kommunikation. Bibliotheken kommunizieren inzwischen aktiv auf allen ihnen zur Verfügung stehenden Kanälen und weit über das übliche Marketing in einer Aufmerksamkeitsökonomie hinaus. Die Nutzung von Sozialen Medien hat dabei den klassischen Bereich der Informationsvermittlung und den eher neuen Bereich der Öffentlichkeitsarbeit in Bibliotheken sehr nahe zusammengebracht. Es wird nicht nur über eigene Bestände informiert, sondern es werden auch Ressourcen, Veranstaltungen und Dienste bekannt gemacht, die in mehr oder weniger engem Zusammenhang mit der eigenen Einrichtung stehen. Dabei sind Bibliotheken wiederum Teil sozialer Netzwerke von Bibliotheken, NutzerInnen und BibliothekarInnen.

Während diese Kommunikation vollkommen ortsungebunden ist, kommen im physischen Raum der Bibliothek Funktionen in den Vordergrund, die schon immer da waren, aber entweder nicht zu den Kernaufgaben gezählt wurden oder sogar unerwünscht waren. So betont ein Kolumnist des British Airways Bordmagazins »highlife« im vergangenen November die besondere Atmosphäre, die in der British Library herrsche.[4] Einerseits zitiert er eine andere Autorin, die die sexuelle Spannung dort hervorhebt – nebenbei bemerkt ein altes Motiv im Bibliotheksgenre–, andererseits beschreibt er, wie sich Bachelorstudierende, Journalisten der Hauptstadtpresse und Booker-Preisträger auf engstem Raum mit ihren Facebook-Profilen beschäftigen und in Prokrastination generationenübergreifend vereint sind.

Dass es im Folgenden noch um das Café der British Library geht, braucht man an dieser Stelle eigentlich nicht mehr zu erwähnen. Bemerkenswert ist hier aber, dass die von der British Library in erheblichem Umfang gesammelten, geordneten und verfügbar gemachten publizierten Informationen in diesem Beitrag und für die Beschreibung der Bibliothek überhaupt keine Rolle spielen, noch nicht einmal erwähnt werden. Die Qualitäten einer Bibliothek definieren sich ganz offensichtlich für mehr und mehr Menschen nicht mehr nur über die Ressourcen, die sie vorhält. Auch eine ehrwürdige Institution wie die British Library wird hier als generationen- und schichtenübergreifender Ort beschrieben, wie es die Idea Stores im benachbarten Tower Hamlets sowieso für sich in Anspruch nehmen.

Die Vorstellung, dass Bibliotheken wichtige Orte der Begegnung, der Kommunikation, der gemeinsamen Arbeit und der intersubjektiven Übereinkunft im konzentrierten Studieren – oder Facebooken – sind, ist nicht neu und braucht an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt zu werden.[5] Neu ist aber, dass diese Aspekte inzwischen so weit in der öffentlichen Meinung über Bibliotheken etabliert sind, dass sie andere Aspekte zwar nicht verdrängen, ihnen aber gleichwertig sind. Bibliotheken werden heute in ihrer sozialen, städtebaulichen und kulturellen Funktion begründet und diskutiert, nicht mehr nur in ihrem Wert für die Volkswirtschaft oder innerhalb eines soziotechnischen Systems. In den wissenschaftlichen Bibliotheken zeichnet sich längst der Trend ab, sorgfältig systematisierte und über Jahre aufgebaute Freihandbestände zugunsten von Arbeitsplätzen verschiedenster Funktion aus dem öffentlichen Bereich zu entfernen.

So wie sich die Nutzung des Raums von den Ressourcen unabhängig macht, machen sich durch digitale Formate die Ressourcen natürlich auch vom Raum unabhängig. Genauso wichtig ist heute aber die Ablösung der klassischen Kataloge als Verzeichnis der von der Bibliothek gesammelten und geordneten Informationen durch Discovery Systeme, die in den dargestellten Suchergebnissen nicht den bibliothekarischen Ordnungssystemen folgen und sich auch nicht auf die von der Bibliothek gesammelten Informationen beschränken.

Fazit: Konzentration auf das eigene Handeln

Diese schlaglichtartige Beschreibung wichtiger und im Wesentlichen bekannter Veränderungen lässt zunächst den Schluss zu, dass die zitierte Definition nicht mehr ausreicht, Bibliotheken in ihren Funktionen, Aufgaben und Arbeitsfeldern zu beschreiben; ob sie jemals ausgereicht hat, ist mit dem Abstand von 14 Jahren müßig zu diskutieren. Gegenstand der weiteren Debatte müsste sein, ob sich auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse eine neue, vielleicht erweiterte Definition finden lässt, oder, ob eine solche eventuell gar nicht mehr notwendig ist. Der aktuelle Wikipedia-Artikel zum Stichwort »Bibliothek« verzichtet zumindest auf eine klare Definition und verweist lediglich auf jene von Ewert und Umstätter, die aber relativiert und erweitert wird.

Dass sich in einer stark individualisierten Gesellschaft, die staatlicher Lenkung und wissenschaftlichem Rationalismus misstraut und sich eher an pragmatischen Handlungsweisen und pluralistischen Lösungsansätzen orientiert, ein weiterer Versuch wissenschaftlicher Definition von Bibliothek durchsetzen würde, ist eher zu bezweifeln. Neben vielen problematischen Entwicklungen haben die eingangs beschriebenen Prozesse den Bibliotheken zumindest zu einer stark ausgeprägten, individuellen Profilbildung verholfen. So wie die Nutzer von Bibliotheken heute mit ganz unterschiedlichen Zielen und Bedürfnissen die Einrichtung aufsuchen (sei es nun über das Internet oder physisch), wird es sicher auch schwerfallen, diese vielfältigen Motive in einer Definition zu bündeln.

Wenn sie aber gegenüber der Öffentlichkeit keine Verwendung mehr finden kann, stellt sich die Frage, ob eine solche Definition nicht lediglich der Selbstvergewisserung dienen würde. Braucht man das? Letztendlich wird es für eine auf die Bedürfnisse von Individuen und Gesellschaft hin organisierte Bibliothek vielleicht wichtiger sein, die verschiedenen Perspektiven der Nutzer von Bibliotheken zu verstehen und in ihrem Sinne zu handeln.

 

Olaf Eigenbrodt ist Leiter der Hauptabteilung Benutzungsdienste und Baubeauftragter der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky sowie Lehrbeauftragter am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Neben den Themen Bibliotheksbau, Nutzung von Bibliotheken und Projektmanagement beschäftigt er sich intensiv mit bibliothekssoziologischen Fragestellungen. Er ist Mitherausgeber dieser Zeitschrift.

 


 

[1]Gisela Ewert, Walther Umstätter: Die Definition der Bibliothek: Der Mangel an Wissen über das unzulängliche Wissen ist bekanntlich auch ein Nichtwissen. In: Bibliotheksdienst 33/6 (1999), S. 957–971, S. 966

[2]Vgl. z.B. Walther Umstätter: Bibliothekswissenschaften im Spannungsfeld von Bibliotheksgeschichte, Nationalökonomie des Geistes und Informatik. In: Gerhard Hacker, Torsten Seela (Hrsg.): Bibliothek Leben: Das deutsche Bibliothekswesen als Aufgabe für Wissenschaft und Politik: Festschrift für Engelbert Plassmann zum 70. Geburtstag, Wiesbaden: Harrassowitz, 2005, S. 91–113

[3]Siehe dazu Shaked Spier: Zwischen Bibliothekaren und Bücherwürmern: Über das (fehlende) soziale Engagement der Information Community, in: Bibliotheksdienst 46/3,4 (2012), S. 171–181

[4]Sathnam Sanghera: London tales, in: highlife: Change your view, November 2012, S. 36

[5]Eine aktuelle Neuerscheinung hierzu mit Bezug auf wissenschaftliche Bibliotheken: Graham Matthews, Graham Walton: University Libraries and Space in the Digital World, Farnham, Burlington: Ashgate, 2013

 






Themen-Dossiers

Ist eine klare Definition von Bibliothek noch möglich?

Foto: Heike Jestram - stock.adobe.com

Diskussionen mit FachkollegInnen hinterlassen oft den Eindruck, dass das Bibliothekswesen bis in die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts hinein im Wesentlichen von Gewissheiten geprägt war. Diese Gewissheiten bezogen sich auf Aufgaben und Ziele, Arbeitsabläufe und auch die Berufsbilder, die scheinbar fast ein Jahrhundert lang seit ihrer Professionalisierung nahezu unverändert geblieben sind. Es mag sicher gute Gründe geben, diese eher subjektive Einschätzung zu teilen und in groben Linien und wesentlichen Merkmalen mag sie sogar empirisch belegbar sein. Andererseits wird, jenseits technischer Entwicklungen, die schon vor Einführung der elektronischen Datenverarbeitung im Laufe des 20. Jahrhunderts die Arbeit in Bibliotheken wesentlich verändert haben, der gesellschaftliche und ökonomische Rahmen der Bibliotheksarbeit in vielen dieser Vermutungen wesentlich unterschätzt. Insbesondere für Gesellschaften wie der deutschen, die mehreren radikalen Um- und Zusammenbrüchen ausgesetzt war (beziehungsweise diese selber verursacht hat), wären solche Faktoren in ihrer Wirkung noch zu untersuchen. Dies soll allerdings nicht im Rahmen dieses Beitrags geschehen, vielmehr möchte ich, ausgehend von der derzeit populärsten Definition der Bibliothek, die sich verändernde Rolle der Bibliotheken schlaglichtartig betrachten und auf diese Weise eigene Gedanken zur Beantwortung der Frage, was die Bibliothek eigentlich heute sei, beitragen.

Wesentlich wird dabei sein, sich von funktionalistischen und positivistischen Definitionen zu lösen, die wissenschaftliche Bibliotheken schon immer nur teilweise beschrieben und Öffentliche Bibliotheken eigentlich ignoriert haben. Ziel ist es nicht, eine neue Definition zu formulieren, sondern neue Aspekte in den Diskussionsprozess einzubringen. Meine These ist, dass eine Definition der Bibliothek in all ihren Facetten heute nicht mehr möglich und eigentlich auch nicht nötig ist.

Der Versuch einer wissenschaftlichen Definition

Die hierzulande gängigste Definition der Bibliothek wurde von Ewert und Umstätter unter anderem im Bibliotheksdienst publiziert und wird in vielen Zusammenhängen immer wieder zitiert: »Die Bibliothek ist eine Einrichtung, die unter archivarischen, ökonomischen und synoptischen Gesichtspunkten publizierte Information für die Benutzer sammelt, ordnet und verfügbar macht.«[1] Ewert und Umstätter haben in dem hier zitieren Beitrag wesentliche Vorgängerdefinitionen von Bibliothek aufgeführt und sich das Verdienst erworben, die Definition der Bibliothek vom Medium Buch und dem konkreten Aufbewahrungsort dieses Mediums emanzipiert zu haben. Ihre Überlegungen sind allerdings für die Entstehungszeit des Beitrags schon wieder anachronistisch, denn sie beruhen auf einer stark funktionalistischen und szientistischen, von Systemtheorie und Kritischem Rationalismus gefärbten Sichtweise auf die Bibliothek. Letztendlich ist die Definition ein letzter Versuch, den Gegenstand der Bibliothekswissenschaft dingfest zu machen, der sich, diesem Versuch aber, der postmoderne Jargon sei an dieser Stelle erlaubt, entzieht.

Wesentliche Inspirationen sind hier die vom philosophischen Pragmatismus beeinflusste Machbarkeitsideologie der Nachkriegszeit bis in die 1970er-Jahre hinein. Dahinter steht die Idee, über geeignete Instrumente und soziotechnische Systeme eine moderne Gesellschaft zum Wohl der Individuen lenken und steuern zu können. Funktionseliten und repräsentative demokratische Verfahren sorgen in dieser Sichtweise dafür, dass ein (erneutes) Abgleiten in irrationale, totalitäre Strukturen verhindert wird. Dazu gehört auch die Betonung der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Bibliotheken, wie sie sich bei Umstätter findet, wenn er, Harnack zitierend, von einer »Nationalökonomie des Geistes«[2] spricht. Bibliotheken sind hier also Räder im Getriebe der sorgfältig und rational gesteuerten Gesellschaft und Volkswirtschaft. Das Wohl und die relative Freiheit des Individuums werden mit den Notwendigkeiten eines übergreifenden und lenkenden Staatswesens ausbalanciert.

Störungen müssen zwangsläufig entweder auf mangelhafte Steuerung oder Fehler einzelner Teile des Systems zurückzuführen sein und können durch wissenschaftliche Erkenntnis analysiert und behoben werden. Bibliothekare in leitenden Positionen gehören in einem solchen Modell zu den Funktionseliten, die sich ihrer gesellschaftlichen Bedeutung aus dieser Position heraus bewusst sind. Zweifellos bedeutete diese Rolle einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der zur Mitte des 20. Jahrhunderts vorherrschenden obrigkeitsstaatlichen Beamtenmentalität im Bibliothekswesen (und anderswo).

Infragestellung staatlicher Lenkung

Mindestens seit den 1970er-Jahren wurde die Idee wissenschaftlich begründeter gesellschaftlicher Steuerung massiv infrage gestellt. Der Kritische Rationalismus und die Systemtheorie standen auf dem Prüfstand und die wohlfahrtsstaatliche Lenkung von Ökonomie und Gesellschaft bekam durch neue Vorstellungen einer Selbstregulierung durch den freien Markt Konkurrenz. Was in den 1980er-Jahren im angelsächsischen Raum begann, weitete sich nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus zu einer weltweiten Tendenz aus.

Verwaltung und Lenkung der Gesellschaft als System wurden durch das Management von Dienstleistungen und Strukturen abgelöst, die gegenseitig um Aufmerksamkeit und ökonomische Zuwendungen durch den Staat konkurrieren. Das Ideal des Staatsbürgers, der sich in einer Umgebung entfalten kann, in der für alle Grundbedürfnisse gesorgt ist, wurde ersetzt durch das Ideal des selbstbestimmten und in der Theorie auch viel freieren Individuums, das als Kunde im Rahmen seiner materiellen und sozialen Möglichkeiten Dienstleistungen und Angebote in Anspruch nimmt, die nicht nur der eigenen Bedürfnisbefriedigung, sondern insbesondere auch der Selbstoptimierung dienen. Bereiche, die dabei vermeintlich oder wirklich gewinnbringend betrieben werden können, wurden in der Folge weitgehend privatisiert.

Zum einen war hier ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Staat und der Effektivität seiner Verwaltung ablesbar, zum anderen versprach man sich mehr Freiheit und ein breiteres Angebot für den Bürger als Kunden. Obwohl diese eher staatsferne Idee gesellschaftlicher Organisation mittlerweile selbst infrage gestellt ist, entfaltet sie nach wie vor eine erhebliche Wirkung auch bei den Versuchen, die aktuell angespannte fiskalische Situation vieler Staaten zu lösen.

Individualisierung und Pluralismus

Nur in scheinbaren Widerspruch hierzu begannen auch die Individuen, insbesondere der auf Modernisierung und Neuorientierung ausgerichteten Mittelschichten, sich von der Vorstellung eines für alles sorgenden Staates zu emanzipieren. Scheinbar rationale Entscheidungen der Funktionseliten und der demokratischen Institutionen wurden mehr und mehr hinterfragt und als Zumutung empfunden. Dies betraf sowohl die hinter den Entscheidungen stehenden Werte als auch die ökonomische und vor allem ökologische Folgenabschätzung.

Soziale Bewegungen, Bürgerinitiativen und neue Parteien setzten sich intensiv mit der Frage auseinander, ob die bisher praktizierte staatliche Lenkung die sinnvollste Variante gesellschaftlichen Zusammenlebens sei. Neue Formen der Entscheidungsfindung, des Zusammenlebens und der gesellschaftlichen Kommunikation wurden erprobt, unterhalb der staatlichen Ebene etabliert und schließlich in einem bis heute andauernden Prozess durchgesetzt. Beide Entwicklungen wurden durch mehrere Faktoren noch beschleunigt. Zu diesen Faktoren gehören die Urbanisierung auch der ländlichen Peripherien in den Metropolregionen, die Globalisierung und die mit ihr einhergehende höhere Mobilität, verschiedene Phasen ökonomischer Krisen und natürlich die Möglichkeit, immer schnelle immer größere Datenmengen zu verarbeiten und zu speichern, verbunden mit der Entfaltung neuer Kommunikations- und Informationskanäle unter anderem im Internet.

Zwischen Veränderungsideologie und Aufmerksamkeitsökonomie

Bibliotheken geraten gleichzeitig unter doppelten Druck. Einerseits sind sie in ihrer großen Mehrzahl einem schon fast ideologischen Zwang zur Veränderung ausgesetzt. Hört man sich Vorträge an oder liest aktuelle Artikel in Fachzeitschriften, entsteht oft der Eindruck, dass es weniger die Inhalte der konkreten Veränderung wie etwa eine technische Neuerung oder ein Digitalisierungsprojekt sind, die die Kernbotschaft dieser Beiträge bilden, sondern die Darstellung einer gelungenen Veränderung. Mit den Auswirkungen dieser Ideologie der Veränderung und des ununterbrochenen Change Management auf die Qualität der Arbeit und die Außenwirkung der Bibliotheken hat man sich im Bibliothekswesen anders als in anderen Bereichen noch nicht kritisch auseinandergesetzt. Dies liegt unter anderem daran, dass sich BibliothekarInnen in Deutschland gar nicht als gesellschaftliche Akteure wahrnehmen.[3] Andererseits müssen Bibliotheken in der Veränderung eine Identität und einen Markenkern erhalten, um in der Fülle gesellschaftlicher Angebote erkennbar zu bleiben.

Dabei scheint es aber in vielen Fällen nicht die Informationsdienstleistung im Sinne der oben zitierten Definition zu sein, die für Nutzer, Politik und Verwaltung diesen Markenkern ausmacht. Denn einerseits werden Bibliotheken in der öffentlichen Meinung mit ziemlicher Penetranz noch immer eng mit dem Medium Buch assoziiert, andererseits haben sie selbst, unter anderem auch aus Gründen der Selbsterhaltung, immer mehr Aufgaben in den Vordergrund ihrer Arbeit gerückt, die nicht durch die klassischen Definitionen abgedeckt sind, von der Öffentlichkeit aber gerne und immer öfter als Kernaufgaben von Bibliotheken wahrgenommen werden.

Auch mit dem Sammeln, Ordnen und Verfügbarmachen ist es nicht mehr so einfach, wie uns die Definition glauben machen wollte. Bibliotheken sammeln noch Information, aber nicht nur publizierte; sie ordnen auch weiterhin Information, aber nicht nur die von ihnen gesammelte; und sie machen Information weiterhin verfügbar, aber wesentlich mehr, als sie vorher gesammelt und geordnet haben. Auch haben wissenschaftliche Bibliotheken längst Aufgaben übernommen, die sich von der Propädeutik der Informations- und Medienkompetenz bis zum gesamten Publikationsprozess wissenschaftlicher Arbeiten erstrecken. Zudem wird (und wurde auch schon immer) in Bibliotheken neue Information und neues Wissen produziert.

Der neue Blick auf die Bibliothek

Welche Aspekte sind nun aber die, die schon seit mehr als zehn Jahren einigen BeobachterInnen – vor allem aus der eigenen Berufsgruppe – immer wieder den Ausruf entlocken: »Das ist doch keine Bibliothek mehr«?

Zum einen ist dies sicher die Kommunikation. Bibliotheken kommunizieren inzwischen aktiv auf allen ihnen zur Verfügung stehenden Kanälen und weit über das übliche Marketing in einer Aufmerksamkeitsökonomie hinaus. Die Nutzung von Sozialen Medien hat dabei den klassischen Bereich der Informationsvermittlung und den eher neuen Bereich der Öffentlichkeitsarbeit in Bibliotheken sehr nahe zusammengebracht. Es wird nicht nur über eigene Bestände informiert, sondern es werden auch Ressourcen, Veranstaltungen und Dienste bekannt gemacht, die in mehr oder weniger engem Zusammenhang mit der eigenen Einrichtung stehen. Dabei sind Bibliotheken wiederum Teil sozialer Netzwerke von Bibliotheken, NutzerInnen und BibliothekarInnen.

Während diese Kommunikation vollkommen ortsungebunden ist, kommen im physischen Raum der Bibliothek Funktionen in den Vordergrund, die schon immer da waren, aber entweder nicht zu den Kernaufgaben gezählt wurden oder sogar unerwünscht waren. So betont ein Kolumnist des British Airways Bordmagazins »highlife« im vergangenen November die besondere Atmosphäre, die in der British Library herrsche.[4] Einerseits zitiert er eine andere Autorin, die die sexuelle Spannung dort hervorhebt – nebenbei bemerkt ein altes Motiv im Bibliotheksgenre–, andererseits beschreibt er, wie sich Bachelorstudierende, Journalisten der Hauptstadtpresse und Booker-Preisträger auf engstem Raum mit ihren Facebook-Profilen beschäftigen und in Prokrastination generationenübergreifend vereint sind.

Dass es im Folgenden noch um das Café der British Library geht, braucht man an dieser Stelle eigentlich nicht mehr zu erwähnen. Bemerkenswert ist hier aber, dass die von der British Library in erheblichem Umfang gesammelten, geordneten und verfügbar gemachten publizierten Informationen in diesem Beitrag und für die Beschreibung der Bibliothek überhaupt keine Rolle spielen, noch nicht einmal erwähnt werden. Die Qualitäten einer Bibliothek definieren sich ganz offensichtlich für mehr und mehr Menschen nicht mehr nur über die Ressourcen, die sie vorhält. Auch eine ehrwürdige Institution wie die British Library wird hier als generationen- und schichtenübergreifender Ort beschrieben, wie es die Idea Stores im benachbarten Tower Hamlets sowieso für sich in Anspruch nehmen.

Die Vorstellung, dass Bibliotheken wichtige Orte der Begegnung, der Kommunikation, der gemeinsamen Arbeit und der intersubjektiven Übereinkunft im konzentrierten Studieren – oder Facebooken – sind, ist nicht neu und braucht an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt zu werden.[5] Neu ist aber, dass diese Aspekte inzwischen so weit in der öffentlichen Meinung über Bibliotheken etabliert sind, dass sie andere Aspekte zwar nicht verdrängen, ihnen aber gleichwertig sind. Bibliotheken werden heute in ihrer sozialen, städtebaulichen und kulturellen Funktion begründet und diskutiert, nicht mehr nur in ihrem Wert für die Volkswirtschaft oder innerhalb eines soziotechnischen Systems. In den wissenschaftlichen Bibliotheken zeichnet sich längst der Trend ab, sorgfältig systematisierte und über Jahre aufgebaute Freihandbestände zugunsten von Arbeitsplätzen verschiedenster Funktion aus dem öffentlichen Bereich zu entfernen.

So wie sich die Nutzung des Raums von den Ressourcen unabhängig macht, machen sich durch digitale Formate die Ressourcen natürlich auch vom Raum unabhängig. Genauso wichtig ist heute aber die Ablösung der klassischen Kataloge als Verzeichnis der von der Bibliothek gesammelten und geordneten Informationen durch Discovery Systeme, die in den dargestellten Suchergebnissen nicht den bibliothekarischen Ordnungssystemen folgen und sich auch nicht auf die von der Bibliothek gesammelten Informationen beschränken.

Fazit: Konzentration auf das eigene Handeln

Diese schlaglichtartige Beschreibung wichtiger und im Wesentlichen bekannter Veränderungen lässt zunächst den Schluss zu, dass die zitierte Definition nicht mehr ausreicht, Bibliotheken in ihren Funktionen, Aufgaben und Arbeitsfeldern zu beschreiben; ob sie jemals ausgereicht hat, ist mit dem Abstand von 14 Jahren müßig zu diskutieren. Gegenstand der weiteren Debatte müsste sein, ob sich auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse eine neue, vielleicht erweiterte Definition finden lässt, oder, ob eine solche eventuell gar nicht mehr notwendig ist. Der aktuelle Wikipedia-Artikel zum Stichwort »Bibliothek« verzichtet zumindest auf eine klare Definition und verweist lediglich auf jene von Ewert und Umstätter, die aber relativiert und erweitert wird.

Dass sich in einer stark individualisierten Gesellschaft, die staatlicher Lenkung und wissenschaftlichem Rationalismus misstraut und sich eher an pragmatischen Handlungsweisen und pluralistischen Lösungsansätzen orientiert, ein weiterer Versuch wissenschaftlicher Definition von Bibliothek durchsetzen würde, ist eher zu bezweifeln. Neben vielen problematischen Entwicklungen haben die eingangs beschriebenen Prozesse den Bibliotheken zumindest zu einer stark ausgeprägten, individuellen Profilbildung verholfen. So wie die Nutzer von Bibliotheken heute mit ganz unterschiedlichen Zielen und Bedürfnissen die Einrichtung aufsuchen (sei es nun über das Internet oder physisch), wird es sicher auch schwerfallen, diese vielfältigen Motive in einer Definition zu bündeln.

Wenn sie aber gegenüber der Öffentlichkeit keine Verwendung mehr finden kann, stellt sich die Frage, ob eine solche Definition nicht lediglich der Selbstvergewisserung dienen würde. Braucht man das? Letztendlich wird es für eine auf die Bedürfnisse von Individuen und Gesellschaft hin organisierte Bibliothek vielleicht wichtiger sein, die verschiedenen Perspektiven der Nutzer von Bibliotheken zu verstehen und in ihrem Sinne zu handeln.

 

Olaf Eigenbrodt ist Leiter der Hauptabteilung Benutzungsdienste und Baubeauftragter der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky sowie Lehrbeauftragter am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Neben den Themen Bibliotheksbau, Nutzung von Bibliotheken und Projektmanagement beschäftigt er sich intensiv mit bibliothekssoziologischen Fragestellungen. Er ist Mitherausgeber dieser Zeitschrift.

 


 

[1]Gisela Ewert, Walther Umstätter: Die Definition der Bibliothek: Der Mangel an Wissen über das unzulängliche Wissen ist bekanntlich auch ein Nichtwissen. In: Bibliotheksdienst 33/6 (1999), S. 957–971, S. 966

[2]Vgl. z.B. Walther Umstätter: Bibliothekswissenschaften im Spannungsfeld von Bibliotheksgeschichte, Nationalökonomie des Geistes und Informatik. In: Gerhard Hacker, Torsten Seela (Hrsg.): Bibliothek Leben: Das deutsche Bibliothekswesen als Aufgabe für Wissenschaft und Politik: Festschrift für Engelbert Plassmann zum 70. Geburtstag, Wiesbaden: Harrassowitz, 2005, S. 91–113

[3]Siehe dazu Shaked Spier: Zwischen Bibliothekaren und Bücherwürmern: Über das (fehlende) soziale Engagement der Information Community, in: Bibliotheksdienst 46/3,4 (2012), S. 171–181

[4]Sathnam Sanghera: London tales, in: highlife: Change your view, November 2012, S. 36

[5]Eine aktuelle Neuerscheinung hierzu mit Bezug auf wissenschaftliche Bibliotheken: Graham Matthews, Graham Walton: University Libraries and Space in the Digital World, Farnham, Burlington: Ashgate, 2013

 



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