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Die Bibliothek als urbane Werkstatt von morgen

Hochkarätiges Vortragsprogramm: Zur Frühjahrsmesse der ekz.bibliotheksservice GmbH kamen 150 Teilnehmer nach Reutlingen. Foto: ekz

Reutlingen. Bibliotheken haben das Potenzial, um die »urbanen Werkstätten« von morgen zu werden. Das war die zentrale These im ersten Vortrag bei der diesjährigen Frühjahrsmesse der ekz-Gruppe, zu der am 19. März 150 Teilnehmer nach Reutlingen gekommen sind. Voraussetzung für diesen Funktionswandel sei jedoch, dass Bibliotheken künftig nicht nur Wissen bereitstellten, sondern auch praktisch umsetzten.

Welche Technologien verändern die Stadt von morgen und wie können sich Städte darauf vorbereiten? Steffen Braun, Leiter des Competence Teams Urban Systems Engineering des Fraunhofer Instituts Stuttgart, gab in seinem Einführungsreferat einen spannenden Ausblick auf die Stadt der Zukunft. Beruhigend für die Zuhörer: Die Bibliotheken werden auf jeden Fall mit von der Partie sein. In welcher Funktion und mit welcher Bedeutung – ob als Randfiguren oder wichtige Träger der Entwicklung – das hänge, so Braun, allerdings ganz wesentlich von der künftigen Ausrichtung der Bibliotheken ab.

Der Zukunftsexperte redete Klartext: »Es wird nicht ausreichen, dass sich Bibliotheken weiterhin als Paläste des Wissens präsentieren.« Ein Umdenken und eine Umnutzung der Bibliotheken und des Bibliotheksraums sei dringend geboten. Seine Vorschläge dazu: Die Bibliothek der Zukunft müsse sich präsentieren als

  • Co-Working-Hub: Unterschiedlichste Partner arbeiten in der Bibliothek, mit oder ohne deren direkter Beteiligung, zusammen an Projekten
  • Makerspace: Neue technische Verfahren können in der Bibliothek ausprobiert und angewendet werden
  • Planungswerkstatt: Die Bibliothek kann die zentrale Einrichtung für die künftige Stadtplanung werden (Informationsbereitstellung, Bürgerbeteiligung, Diskussionsrunden…)
  • Anbieter von Hackathons: Veranstaltungen, in denen Bürger kreativ mit Daten und Software umgehen können

Kleine Projekte statt Leuchttürme

Zudem empfahl Braun den anwesenden Bibliothekaren, ihre Einrichtungen nicht ausschließlich als zentrale und repräsentative Wissensarchive zu verstehen. Der Forscher sagte: »Sie brauchen nicht nur Leuchttürme, sondern viele kleine Projekte.« Bibliotheken müssten »Orte der Transformation« werden, in denen Aktionen, Veranstaltungen, Prozesse stattfinden – und zwar vor allem auch dezentral über die Stadt verteilt. »Die Bibliotheken sollten sich Gedanken machen, wie sie ihre Informationen und Daten zum Nutzer bringen.« Dazu gehörten, so Braun weiter, kleine Filialen an frequentierten Orten im Stadtgebiet genauso wie der Einsatz neuster Technologie, um Angebote im Stadtraum zu schaffen – wie zum Beispiel iBeacon. »Mit diesen Offline-Sensoren«, erklärte Braun, »lassen sich ohne großen Aufwand Informationen räumlich über die ganze Stadt verteilen.« Benutzer, die an den entsprechenden Sensoren vorbeikämen, könnten die Daten leicht mit dem Smartphone abrufen.

Es sei wichtig, stellte Braun fest, gerade diese Art von technologischen Entwicklungen im Auge zu behalten und zu nutzen. Denn die Digitalisierung werde auch weiterhin der entscheidende Antriebsmotor für Veränderungen bleiben. Die Geschwindigkeit nehme sogar noch deutlich zu – und damit auch die Verunsicherung, von der letztlich alle Akteure betroffen seien

Bibliotheken hätten hier sogar einen Vorteil: Sie könnten bei der Digitalisierung mitmischen und zusätzlich ihr physisches Raumangebot in die Waagschale werfen. Denn eines, so Braun, habe sich gezeigt: Trotz aller moderner Kommunikations- und Informationsmedien brauchen die Menschen Orte, an denen sie sich treffen und ihre Ideen austauschen können. Bibliotheken seien hierfür geradezu prädestiniert.

Dass Bibliotheken bereits in diese Richtung denken – im Ausland zum Teil mehr als in Deutschland –, zeigte der folgende Vortrag von Tina Schurig. Die Studentin an der Hochschule der Medien in Stuttgart untersuchte in ihrer Abschlussarbeit »Zukunftsrollen für Bibliotheken«. Dabei stellte sie fest, dass Bibliotheken vor allem in Skandinavien, USA, Großbritannien und Australien schon heute wichtige Zukunftsfelder besetzt haben, zum Beispiel als Treffpunkt der Kommune, als Netzwerkpartner, als kreative und interaktive Bibliothek, als Ort für lebenslanges Lernen, als digitaler Trendsetter sowie als zuverlässiger Bildungspartner.

Die »Cross-Over-Bibliothek« als Vorbild

Erfolgreiche Bibliotheken im Ausland, so das zentrale Ergebnis von Schurigs Untersuchung, setzen heute schon 70 Prozent ihrer Ressourcen für alle Arten von Aktivitäten und Veranstaltungen in der Bibliothek ein und nur noch 30 Prozent für den Medienbestand. Diese sogenannte »Cross-Over-Bibliothek«, also die Bibliothek als Nahtstelle zwischen physischer und digitaler Welt, sei eine echte Zukunftsperspektive.

Die Tendenz lasse sich zwar auch aus der entsprechenden Umfrage in Deutschland ableiten, so Schurig, allerdings klebten die Bibliothekare hierzulande noch deutlich stärker an der klassischen Rolle der Bibliothek als Medien- und Informationsanbieterin. Nur 30 Prozent der Befragten in Deutschland sahen die Bibliothek als digitale Vermittlerin, und das Angebot von Experimenten und Innovationen in der Bibliothek hielten nur acht Prozent der Befragten für wichtig. Im Fazit war sich die junge Referentin deshalb mit ihrem erfahrenen Vorredner vom Fraunhofer Institut einig: In diesen Bereichen gibt es für deutsche Bibliotheken noch viel Entwicklungspotenzial.

 






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Die Bibliothek als urbane Werkstatt von morgen

Hochkarätiges Vortragsprogramm: Zur Frühjahrsmesse der ekz.bibliotheksservice GmbH kamen 150 Teilnehmer nach Reutlingen. Foto: ekz

Reutlingen. Bibliotheken haben das Potenzial, um die »urbanen Werkstätten« von morgen zu werden. Das war die zentrale These im ersten Vortrag bei der diesjährigen Frühjahrsmesse der ekz-Gruppe, zu der am 19. März 150 Teilnehmer nach Reutlingen gekommen sind. Voraussetzung für diesen Funktionswandel sei jedoch, dass Bibliotheken künftig nicht nur Wissen bereitstellten, sondern auch praktisch umsetzten.

Welche Technologien verändern die Stadt von morgen und wie können sich Städte darauf vorbereiten? Steffen Braun, Leiter des Competence Teams Urban Systems Engineering des Fraunhofer Instituts Stuttgart, gab in seinem Einführungsreferat einen spannenden Ausblick auf die Stadt der Zukunft. Beruhigend für die Zuhörer: Die Bibliotheken werden auf jeden Fall mit von der Partie sein. In welcher Funktion und mit welcher Bedeutung – ob als Randfiguren oder wichtige Träger der Entwicklung – das hänge, so Braun, allerdings ganz wesentlich von der künftigen Ausrichtung der Bibliotheken ab.

Der Zukunftsexperte redete Klartext: »Es wird nicht ausreichen, dass sich Bibliotheken weiterhin als Paläste des Wissens präsentieren.« Ein Umdenken und eine Umnutzung der Bibliotheken und des Bibliotheksraums sei dringend geboten. Seine Vorschläge dazu: Die Bibliothek der Zukunft müsse sich präsentieren als

  • Co-Working-Hub: Unterschiedlichste Partner arbeiten in der Bibliothek, mit oder ohne deren direkter Beteiligung, zusammen an Projekten
  • Makerspace: Neue technische Verfahren können in der Bibliothek ausprobiert und angewendet werden
  • Planungswerkstatt: Die Bibliothek kann die zentrale Einrichtung für die künftige Stadtplanung werden (Informationsbereitstellung, Bürgerbeteiligung, Diskussionsrunden…)
  • Anbieter von Hackathons: Veranstaltungen, in denen Bürger kreativ mit Daten und Software umgehen können

Kleine Projekte statt Leuchttürme

Zudem empfahl Braun den anwesenden Bibliothekaren, ihre Einrichtungen nicht ausschließlich als zentrale und repräsentative Wissensarchive zu verstehen. Der Forscher sagte: »Sie brauchen nicht nur Leuchttürme, sondern viele kleine Projekte.« Bibliotheken müssten »Orte der Transformation« werden, in denen Aktionen, Veranstaltungen, Prozesse stattfinden – und zwar vor allem auch dezentral über die Stadt verteilt. »Die Bibliotheken sollten sich Gedanken machen, wie sie ihre Informationen und Daten zum Nutzer bringen.« Dazu gehörten, so Braun weiter, kleine Filialen an frequentierten Orten im Stadtgebiet genauso wie der Einsatz neuster Technologie, um Angebote im Stadtraum zu schaffen – wie zum Beispiel iBeacon. »Mit diesen Offline-Sensoren«, erklärte Braun, »lassen sich ohne großen Aufwand Informationen räumlich über die ganze Stadt verteilen.« Benutzer, die an den entsprechenden Sensoren vorbeikämen, könnten die Daten leicht mit dem Smartphone abrufen.

Es sei wichtig, stellte Braun fest, gerade diese Art von technologischen Entwicklungen im Auge zu behalten und zu nutzen. Denn die Digitalisierung werde auch weiterhin der entscheidende Antriebsmotor für Veränderungen bleiben. Die Geschwindigkeit nehme sogar noch deutlich zu – und damit auch die Verunsicherung, von der letztlich alle Akteure betroffen seien

Bibliotheken hätten hier sogar einen Vorteil: Sie könnten bei der Digitalisierung mitmischen und zusätzlich ihr physisches Raumangebot in die Waagschale werfen. Denn eines, so Braun, habe sich gezeigt: Trotz aller moderner Kommunikations- und Informationsmedien brauchen die Menschen Orte, an denen sie sich treffen und ihre Ideen austauschen können. Bibliotheken seien hierfür geradezu prädestiniert.

Dass Bibliotheken bereits in diese Richtung denken – im Ausland zum Teil mehr als in Deutschland –, zeigte der folgende Vortrag von Tina Schurig. Die Studentin an der Hochschule der Medien in Stuttgart untersuchte in ihrer Abschlussarbeit »Zukunftsrollen für Bibliotheken«. Dabei stellte sie fest, dass Bibliotheken vor allem in Skandinavien, USA, Großbritannien und Australien schon heute wichtige Zukunftsfelder besetzt haben, zum Beispiel als Treffpunkt der Kommune, als Netzwerkpartner, als kreative und interaktive Bibliothek, als Ort für lebenslanges Lernen, als digitaler Trendsetter sowie als zuverlässiger Bildungspartner.

Die »Cross-Over-Bibliothek« als Vorbild

Erfolgreiche Bibliotheken im Ausland, so das zentrale Ergebnis von Schurigs Untersuchung, setzen heute schon 70 Prozent ihrer Ressourcen für alle Arten von Aktivitäten und Veranstaltungen in der Bibliothek ein und nur noch 30 Prozent für den Medienbestand. Diese sogenannte »Cross-Over-Bibliothek«, also die Bibliothek als Nahtstelle zwischen physischer und digitaler Welt, sei eine echte Zukunftsperspektive.

Die Tendenz lasse sich zwar auch aus der entsprechenden Umfrage in Deutschland ableiten, so Schurig, allerdings klebten die Bibliothekare hierzulande noch deutlich stärker an der klassischen Rolle der Bibliothek als Medien- und Informationsanbieterin. Nur 30 Prozent der Befragten in Deutschland sahen die Bibliothek als digitale Vermittlerin, und das Angebot von Experimenten und Innovationen in der Bibliothek hielten nur acht Prozent der Befragten für wichtig. Im Fazit war sich die junge Referentin deshalb mit ihrem erfahrenen Vorredner vom Fraunhofer Institut einig: In diesen Bereichen gibt es für deutsche Bibliotheken noch viel Entwicklungspotenzial.

 



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