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Gemeinsame Stellungnahme von BIB und vbnw zum Bibliotheksstärkungsgesetz in NRW

Foto: EdwardSamuel - stock.adobe.com

Das »Gesetz zur Stärkung der kulturellen Funktion der Öffentlichen Bibliotheken und ihrer Öffnung am Sonntag (Bibliotheksstärkungsgesetz)[1]«, eingebracht in den nordrhein-westfälischen Landtag im April dieses Jahres, ist – neben der Initiative der Grünen im Bundestag[2] – eine der innovativsten Ideen, die Möglichkeit zur Sonntagsöffnung Öffentlicher Bibliotheken zumindest in einem Bundesland in absehbarer Zeit zu realisieren. Die Beschreibung der veränderten Funktionen der Öffentlichen Bibliotheken ist zeitgemäß, modern und hochaktuell – die Konsequenzen im Gesetz sind sicher umstritten: Neben einer Stärkung von Öffentlichen Bibliotheken wird über eine Änderung der Bedarfsgewerbeverordnung die Sonntagsöffnung der Bibliotheken ermöglicht.

 

Das Gesetz wird voraussichtlich – so der momentane Stand der Dinge – im November 2019 beschlossen. Gemeinsam mit dem Verband der Bibliotheken Nordrhein-Westfalens (vbnw) wird der Berufsverband Information Bibliothek e.V. (BIB) diese Entwicklung begleiten.

Stellungnahme des BIB als Personalverband

Für den BIB gilt weiterhin vor allem die in einer Expertinnen- und Expertenanhörung erarbeitete und im November 2014 verabschiedete Position zur Sonntagsöffnung,[3] der sich auch – wie vor der Wahl geäußert – der amtierende Bundesvorstand verpflichtet sieht:

 

Der BIB, der satzungsgemäß die Interessen der Beschäftigten der bibliothekarischen und Informationsberufe vertritt sowie sich für die Stärkung und Weiterentwicklung des Bibliotheks- und Informationssektors in der Bundesrepublik Deutschland engagiert,

  • spricht sich für eine Erweiterung der Ausnahmetatbestände in Paragraf 10 Abs. 1 Nr. 7 des Bundesarbeitszeitgesetzes aus, und damit für die Möglichkeit einer Sonntagsöffnung Öffentlicher Bibliotheken.
  • ist der Meinung, dass

[...] der konkrete Bedarf vor Ort, abhängig von den Verhältnissen und den Schwerpunkten der Arbeit der Bibliothek [...][4] 

die politischen, organisatorischen und strukturellen, das heißt personellen, finanziellen und portfoliogebundenen Rahmenbedingungen ausschlaggebend dafür sind, ob, wie, wo, wie oft und wie lange die einzelne Bibliothek sonntags öffnet – sie muss allerdings gesetzlich die Möglichkeit haben, öffnen zu können, institutionenspezifisch.

 

In dem verabschiedeten Positionspapier heißt es seitens des BIB weiter – hier werden die unseres Erachtens wichtigsten drei Punkte leicht modifiziert aufgegriffen –, dass

  • er sich in der Verantwortung sieht, wo möglich auch in enger Kooperation mit ver.di, die Personalvertretungen vor Ort beim Aushandeln adäquater Rahmenbedingungen für die Realisierung einer Sonntagsöffnung der Öffentlichen Bibliothek zu unterstützen. Nur mit einer starken und verhandlungssicheren Personalvertretung kann ein tragfähiges Konzept zur Sonntagsöffnung vor Ort realisiert werden – diese Personalvertretung zu schulen und zu beraten ist originäre Aufgabe auch des Berufsverbandes.
  • er es für unerlässlich hält, dass auch an Sonntagen Bibliotheken nicht nur reine Öffnungszeiten anbieten, sondern neben automatisierter Prozessunterstützung auch Servicezeiten mit Fachpersonal in ausreichender Anzahl und Qualifikation, um einen wenn auch in Einzelfällen eingeschränkten Regelbetrieb offerieren und den Kunden so die gesamte Dienstleistungs­palette zwischen Ausleihstation, Lernzentrum und Treffpunkt respektive »Drittem Ort« zur Verfügung stellen zu können.
  • er garantiert sehen will, dass die Bedürfnisse der Öffentlichkeit und die persönlich-privaten Bedürfnisse der Beschäftigten in den Bibliotheken ausreichend und gleichberechtigt berücksichtigt werden. Dazu gehört unter anderem der verbindlich geregelte Anspruch auf einen faktorisierten Ausgleich der sonntags geleisteten Arbeit in Freizeit oder/und Entgelt, je nach vor Ort zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung auf Augenhöhe zu schließenden Dienstvereinbarungen zur Arbeitszeitregelung. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass der Personaleinsatz an Sonn- und Feiertagen weitestgehend auf freiwilliger Basis erfolgen muss.

Diesen Aussagen sieht sich der Berufsverband verpflichtet. Im Zuge der Umsetzung des Bibliotheksstärkungsgesetzes und insbesondere der Sonntagsöffnung sieht der BIB Handlungsbedarf in der Schaffung nachhaltiger finanzieller Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, für jede Kommune die besten spezifischen Lösungen zu finden. Gerade die im Gesetzentwurf skizzierten Herausforderungen, die Öffentliche Bibliotheken gegenwärtig und zukünftig bewältigen wollen und sollen, lassen eine weitere Deprofessionalisierung nicht zu: Erweiterte Öffnungszeiten vor allem zu hochfrequentierten Zeiten gilt es daher im Regelfall mit (zusätzlichem) qualifiziertem Personal abzudecken und nicht den Einsatz von prekär beschäftigten Hilfskräften und Wachleuten auszubauen.

 

Wenn auch rein technische Lösungen die Ausnahme bleiben sollten, müssen die Implementierung von Open-Library-Elementen und RFID-Automatisierung als flankierende Maßnahmen in Bibliotheken vorangetrieben werden. Hier gilt es zu verhindern, dass Bibliotheken aus finanzschwachen Kommunen von den Entwicklungen abgehängt werden, sind doch gerade sie oftmals die einzigen (Kultur-)Institutionen, die überhaupt als öffentliche Orte nicht nur für Familien frei zugänglich sind.

 

Die im Bibliotheksstärkungsgesetz zu recht explizierte Funktionsbeschreibung der Öffentlichen Bibliothek als nicht-kommerzieller, als sozio-kultureller und als moderner Aufenthaltsort und Wissensermöglicher muss in der Breite der nordrhein-westfälischen Städte und Kommunen umgesetzt werden.

Stellungnahme des vbnw als Institutionenverband

Auch der vbnw begrüßt die in der Begründung erkennbare veränderte Wahrnehmung der Bibliotheksarbeit. Das Verbot der Sonntagsöffnung ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch in Bezug auf andere Kultur- und Freizeiteinrichtungen nicht nachvollziehbar.

 

Bibliotheken werden seit vielen Jahren intensiv als Lern- und Arbeitsorte, aber auch als Orte der Kommunikation und der Kreativität genutzt. Gerade Familien haben meist nur am Sonntag die Möglichkeit, gemeinsam in die Bibliothek zu gehen und dort nicht nur das Medienangebot, sondern auch die anderen vielfältigen Angebote vor Ort zu nutzen. Öffentliche Bibliotheken in NRW, die eine Öffnung an Sonntagen auf alternativen Wegen ausprobieren können beziehungsweise dies bereits ausprobiert haben, erleben, dass das Angebot vor allem von Berufstätigen (»lebenslanges Lernen«), Familien (Leseförderung, Erlangen von Medienkompetenz), Flüchtlingen (»geschützter Raum« mit Sprachlernangeboten, Integration), Schülern und Studenten (»Lernort«) intensiv genutzt wird.

 

Für eine Sonntagsöffnung müssen neben den rechtlichen Rahmenbedingungen natürlich auch die personellen und finanziellen Voraussetzungen vor Ort geschaffen werden, da eine solche Öffnung mit erheblichem Mehraufwand verbunden wäre. Eine Ausweitung von Öffnungszeiten insbesondere auf den Sonntag ist nur mit einer gesicherten und nachhaltigen Finanz- und Personalausstattung möglich. Ein Wegfall des Verbotes der Sonntagsöffnung würde die Möglichkeit geben, die Frage der Öffnungszeiten für jede einzelne Öffentliche Bibliothek noch einmal neu in den Blick zu nehmen und entsprechend der Bedürfnisse vor Ort unter Berücksichtigung der Belange der Beschäftigten neu zu organisieren.

Gemeinsames weiteres Vorgehen

Der Gesetzentwurf wurde in erster Lesung bereits im Mai 2019 im Landtag debattiert,[5] am 4. Juli 2019 findet im Landtag NRW eine Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien statt, zu der Tom Becker für den BIB und die TH Köln eingeladen ist[6]. Gemeinsam mit ver.di, dem vbnw und dem Gesetzgeber wird voraussichtlich im September 2019 auf NRW-Landesebene eine Expertinnen- und Expertenanhörung stattfinden, die die operative Umsetzung des von der CDU/FDP-Landtagsfraktion initiierten Gesetzes weiterdenkt und dabei Modelle und Rahmenbedingungen der Sonntagsöffnung Öffentlicher Bibliotheken auch im Rahmen von Kriterien für mögliche Dienstvereinbarungen konkretisiert. Ein weiteres Augenmerk wird in diesem Zusammenhang auf die auch im Gesetz angekündigten finanziellen Förderprogrammen gelegt werden.

 

Die gesetzliche Möglichkeit, sonntags die Öffentlichen Bibliotheken zu öffnen, kann nur ein erster Schritt sein. Das Kapital, mit denen die Bibliotheken bereits jetzt oftmals mit (sehr) eingeschränkten Ressourcen unter nicht immer den attraktivsten Rahmenbedingungen herausragende Arbeit von Leseförderung über Veranstaltungsarbeit bis hin zur Vermittlung digitaler Alltagskompetenzen leisten, sind die Mitarbeitenden in den Institutionen. Deren intrinsische Motivation und hohe Einsatzbereitschaft muss erhalten bleiben. Viele der Kolleginnen und Kollegen sehen in dem Gesetz weniger die Chancen denn die Belastungen, die auf sie und die jeweiligen Teams zukommen.

 

Hier müssen seitens der Politik als Entscheidungsträger und Auftraggeber deutliche Signale kommen, dass nicht nur die Bibliotheken als Ort gestärkt werden sollen, sondern dass diese Stärkung sich auch sichtbar auf die handelnden Personen auswirkt. Wir wollen mit Ihnen – den Mitarbeitenden in den Öffentlichen Bibliotheken Nordrhein-Westfalens – ins Gespräch kommen, um gemeinsam zu überlegen, wie wir den unterschiedlichen Positionen und Wünschen Gehör verschaffen können. Dafür suchen wir Ideen und Mitstreiter/-innen auf Landesebene. Angedacht sind hier fünf Diskussionsrunden in den fünf Regierungsbezirken von Mitte Juli bis Anfang September 2019.

 

Um Rückmeldung und Input zu den Überlegungen zum weiteren Vorgehen wird unter vorstand@bib-info.de und über vorsitz@bibliotheken-nrw.de gebeten.

 

BIB und vbnw / 28.6.2019

 

 

Weitere Informationen zum geplanten Bibliotheksstärkungsgesetz in NRW finden Sie hier.

 

 

[1] Gesetzentwurf: Gesetz zur Stärkung der kulturellen Funktion der öffentlichen Bibliotheken und ihrer Öffnung am Sonntag (Bibliotheksstärkungsgesetz). Drucksache des Landtag Nordrhein-Westphalen 17/5637. Online: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-5637.pdf

 

[2] Deutscher Bundestag (Hrsg): Grüne: Bibliotheken sonntags öffnen. https://www.bundestag.de/presse/hib/594496-594496

(Stand: 19.02. 2019; Zugriff 22. Juni 2019; und Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Sonntagsöffnungszeiten von Öffentlichen Bibliotheken ermöglichen (Drucksache 19/7737) Online: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/077/1907737.pdf

 

(Stand 12. Februar 2019)

[3] Berufsverband Information Bibliothek (Hrsg): Für eine Änderung des Bundesarbeitszeitgesetzes § 10 Abs. 1 Nr. 7. BIB-Positionspapier zur Sonntagsöffnung in Öffentlichen Bibliotheken (Stand November 2014). Online: https://www.bib-info.de/fileadmin/media/Dokumente/Positionen/Sonntagsoeffnung/BIB_Positionspapier_Sonntagsoeffnung_2014.pdf

Von den 6.264 BIB-Mitgliedern (Stand Dezember 2014) haben 1.355 (21,6 Prozent) abgestimmt, davon stimmten 666 (49 Prozent) der obigen Position zu, 653 (48 Prozent) lehnten die Position ab, 36 Mitglieder (knapp 3 Prozent) enthielten sich oder haben ungültig abgestimmt.

[4] Wunsch und Wirklichkeit in Bibliotheken. Die ver.di Bundesarbeitsgruppe Archive, Bibliotheken und Dokumentationseinrichtungen zu den Wahlaussagen der Bundestagsparteien. ver.di-Positionspapier vom September 2013, Seite 2, Online: https://biwifo.verdi.de/themen/nachrichten/++co++896bf3d8-8dd5-11e3-9e92-525400438ccf

[5] 56. Plenarsitzung vom 11.4.2019 [Video-Mitschnitt]. Online: https://www.landtag.nrw.de/home/aktuelles-presse/parlaments-tv/video.html?id=1104297

[6] Die BIB-Stellungnahme für den Ausschuss für Kultur und Medien des Landtags NRW wird zeitnah online gestellt – sie ist deutlich ausführlicher als diese Kurzversion hier.





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