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Mit dem Master in die Bibliothek

Früher schien die Welt in Ordnung gewesen zu sein: Wer in den höheren Bibliotheksdienst wollte, hatte meist ein Bibliotheksreferendariat in Köln oder München absolviert. Bibliotheksarbeitgeber bedienten sich in der Regel aus dem Kreis dieser Absolventen. Es gab natürlich auch damals Ausnahmen: Die Diplom-Bibliothekarin (FH), die zusätzlich ein wissenschaftliches Studium mit Hochschuldiplom oder Promotion absolviert hatte, konnte vorzugsweise in Öffentlichen, aber auch in Spezialbibliotheken eine Anstellung finden oder selbst der Fachwissenschaftler ohne bibliothekarische Ausbildung konnte im Bibliotheksbereich eingestellt werden. Doch diese Ausnahmen waren Ausnahmen. Die Regel war der Weg durch das Referendariat.

 

Heute sind die Ausbildungsgänge vielfältiger: Die Masterabschlüsse können konsekutiv oder weiterbildend sein, neben dem Referendariat gibt es das Volontariat. Wer als Arbeitgeber auf bibliothekarische Kompetenzen Wert legt, sucht im Bereich Bibliotheks- und Informationsmanagement, doch daneben gibt es auch andere Studienfächer. Wer als Arbeitgeber Berufserfahrung erwartet, nimmt gerne Absolventen eines weiterbildenden Masters.

 

Aber auch die Aufgaben im höheren Dienst der Bibliotheken sind vielfältiger. Es sind nicht mehr die klassischen Felder des Bestandsaufbaus und der Bestandserschließung oder die Betreuung von Sondersammlungen. Das Thema Vermittlung spielt eine immer größere Rolle genauso wie alles, was unter digitale Bibliothek zusammengefasst werden kann. Wer das Rechenzentrum besetzen will oder die bibliotheksinterne Schaltstelle zum Rechenzentrum wird vorzugsweise auf IT-Fachwissen schauen und nicht unbedingt eine bibliothekarische Ausbildung voraussetzen. Wer eine Stelle für die Historische Sammlung besetzen will, wird vielleicht auch einen Buch- oder Museumswissenschaftler nehmen, wenn es um Forschung; Ausstellungen und wissenschaftliche Publikationen und Kommunikation geht, oder einen Kulturvermittler, wenn es um Aktionen für ein breiteres Publikum geht.

 

Was aber fast allen Stellen im höheren Dienst beziehungsweise in der Vierten Qualifikationsebene (=2. Einstiegsamt der 2. Laufbahngruppe) gemein ist: Sie sind überwiegend Leitungsstellen. Die Verteilung der Stellen im höheren Dienst der Bibliotheken ist dabei höchst unterschiedlich: Über die variable Auswertung der Deutschen Bibliothekssatitsik 2012 (DBS) lässt sich ermitteln, dass in den deutschen wissenschaftlichen Universal- und Hochschulbibliotheken 1 339,57 Stellen im Höheren Dienst vorhanden sind, dagegen fällt die Zahl der Mitarbeiter/innen im Höheren Dienst in Öffentlichen Bibliotheken deutlich ab. Leider verzeichnet die DBS nicht, wie viele Stellen es in den Entgeltgruppen E 13 aufwärts in den einzelnen kommunalen Bibliotheken gibt. Geschätzt sind es gut 100 Stellen.

Die ausbildenden Hochschulen

Doch egal, ob 1 340 im WB- oder 100 im ÖB-Bereich: Die Stellen müssen adäquat besetzt werden können, was es angesichts des Generationenumbruchs an den Schlüsselstellen im Bibliothekswesen lohnend macht, die Aufgaben und Anforderungen sowie die Qualifikationswege zu betrachten.

 

Die Internetseite www.hochschulkompass.de[i] der Hochschulrektorenkonferenz weist aktuell an vier deutschen Hochschulen weiterführende Angebote zum Bereich Bibliotheks- und Informationsmanagement nach: in Stuttgart und Köln ein berufsbegleitendes, in Leipzig ein Vollzeit- sowie an der HU Berlin ein Fernstudium. Daneben gibt es die Vollzeitstudiengänge »Information, Medien, Bibliothek« an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg oder »Informationswissenschaft(en)« an der Hochschule Darmstadt und der Fachhochschule Potsdam sowie »Informations- und Wissensmanagement« an der Hochschule Hannover. Dazu kommt das Ausbildungsangebot der Bibliotheksakademie Bayern für Bibliotheksreferendare.

 

Aus Sicht einer Öffentlichen Bibliothek ist der Stuttgarter Studiengang sehr interessant, weil er Berufserfahrung voraussetzt und unter anderem Personalführung im Programm hat. Als fünfsemestriges Weiterbildungsstudium setzt man in Stuttgart voraus, dass die Studierenden eine mindestens einjährige Berufserfahrung nachweisen können. Der Studiengang »ist konsequent auf die Anforderungen an Führungskräfte im Bibliotheks- und Informationssektor ausgerichtet …«, heißt es auf der Homepage der Hochschule der Medien.[ii] Er wirbt damit, eine »breite und aktuelle Wissensbasis« für Führungsaufgaben zu vermitteln.[iii] Public Management, empirische Sozialforschung, Recht, Kommunikationspsychologie, digitale Bibliotheken, teaching Literacy sowie Teamarbeit und Personalführung sind Pflichtmodule. Die ersten Absolventen dieser Ausbildung, die mit dem Wintersemester 2012/13 begonnen hat, sind gerade auf den Arbeitsmarkt gekommen.

 

Langjährige Erfahrungen mit dem Weiterbildungsmaster haben die Hochschule Hannover, die FH Köln und die Humboldt-Universität Berlin. Während Hannover neben dem ersten Studienabschluss in den Bereichen Bibliothekswesen, Dokumentation, Informationsmanagement oder Informatik mindestens ein Jahr Berufstätigkeit und bei anderen sogar drei Jahre »berufliche Tätigkeit mit Bezug zum Informations- oder Wissensmanagement nach dem Studienabschluss«[iv] voraussetzt, sind die Hürden in Köln und Berlin weniger hoch, denn beide Hochschulen bieten den Weiterbildungs- und den konsekutiven Master in einem Studiengang an.

 

Berlin und Köln kombinieren Präsenzphasen mit E-Learning Modulen und dauern vier Semester. Der Master Bibliotheks- und Informationswissenschaft in Berlin »richtet sich an Absolventen von Universitäten sowie Hoch- und Fachhochschulen, die in wissenschaftlichen oder öffentlichen Bibliotheken beziehungsweise Informations- und Dokumentationseinrichtungen tätig sind oder eine solche Tätigkeit anstreben. Parallel dazu erhalten Bibliotheksreferendare und Bibliotheksvolontäre verschiedener Bundesländer und anderer Einrichtungen in diesem weiterbildenden Masterstudiengang ihre theoretische Ausbildung.«[v] Auch in Köln können »Absolventen mit Studium in einer beliebigen Fachdisziplin« und Bibliothekarinnen/Bibliothekare mit Diplom oder Bachelor-Abschluss studieren.[vi]

 

Die Ausbildung in Hannover »wendet sich sowohl an Interessente aus den unterschiedlichsten Berufsfeldern wie zum Beispiel Diplom-Bibliothekare und Dokumentare, die sich für Managementaufgaben in Informationseinrichtungen vorbereiten möchten …«[vii] Ihr Ziel ist der »effiziente Umgang mit Informationen und Wissen«[viii], Informations- und Wissensmanagement dominieren die Ausbildung. Die Bibliothek wird anders als in Berlin, Köln, Leipzig, Stuttgart als Arbeitsplatz nicht ausdrücklich genannt.

 

Der konsekutive Masterstudiengang an der HTWK Leipzig baut unmittelbar auf dem Bachelorstudiengang Bibliotheks- und Informationswissenschaft auf und »vermittelt Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für eine wissenschaftlich begründete und fachlich selbstständige Tätigkeit als Master of Arts in herausgehobenen Positionen erforderlich sind.«[ix] Angeboten werden hier neben einer allgemeinen Ausrichtung auch drei Spezialisierungen: Musikbibliotheken, Historische Bestände oder Bibliothekspädagogik. Auch das dreisemestrige Potsdamer Masterstudium schließt unmittelbar an den Bachelor Informationsmanagement an, wobei zwei Schwerpunkte gewählt werden können: »Records Management und Digitale Archivierung« und »Wissenstransfer und Projektkoordination«[x] Ein ausdrücklicher Bibliotheksbezug wird nicht hergestellt.

 

Der Masterstudiengang Informationswissenschaft in Darmstadt vermittelt in vier Semestern unter anderem Personalführung, komplexe Informationssysteme, bibliothekarische Informationskompetenz, hybride Bibliotheken und Informetrie. Mit dem Abschluss qualifizieren sich die Absolvent/innen gemäß Prüfungsordnung »für anspruchsvolle Forschungs-, Entwicklungs- und Führungsaufgaben im Bereich der Informationswissenschaft und der Konzeption von Informationsdiensten und -produkten«.[xi]

 

Hinweise zu Ausbildung zum Wissenschaftlichen Bibliothekar / zur Wissenschaftlichen Bibliothekarin als Referendariat oder in Sachsen und Thüringen als Volontariat erhält man auf den Seiten des Vereins Deutscher Bibliothekare (VDB).[xii]

Aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt

In den wissenschaftlichen Bibliotheken werden im höheren Dienst zum Beispiel Fachreferent/innen, wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen oder Bibliotheks- beziehungsweise Abteilungsleitungen gesucht. Die Aufgaben können entsprechend unterschiedlich sein und beinhalten bei Einstiegspositionen nicht unbedingt Management- oder Führungsaufgaben. Die formalen Anforderungen sind allerdings in der Regel klar formuliert: Erwartet wird überwiegend eine abgeschlossene Ausbildung für den höheren Bibliotheksdienst. Im ÖB-Bereich dagegen handelt es sich bei Stellen im höheren Dienst fast ausschließlich um Leitungsstellen. Gesucht werden Stadtbibliotheksleitungen wie Anfang 2014 für den Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg oder Abteilungsleitungen wie 2013 in Münster.[xiii]

 

Zu den im engeren Sinne bibliotheksfachlichen Aufgaben gehören hier Managementaufgaben wie Ressourcen-, Finanz-, Personalverantwortung, strategische und planerische Aufgaben, Vertretung der Institution nach außen (Medien und Politik) und Repräsentation der Bibliothek. Die Anforderungen entsprechen den genannten Aufgaben: Je nach Größe eines zu leitenden Bibliothekssystems beziehungsweise einer großen Abteilung innerhalb des Bibliothekssystems werden mehrjährige Führungserfahrung im Bibliotheksbereich und oft auch Erfahrungen in der Arbeit mit politischen Gremien erwartet. Die formalen Qualifikationsanforderungen werden unterschiedlich formuliert: »Erfüllung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für den höheren Bibliotheksdienst oder gleichwertige Qualifikation« (Berlin) beziehungsweise »Voraussetzung für die Besetzung ist neben einer abgeschlossenen bibliothekarischen Berufsausbildung ein abgeschlossenes Hochschulstudium, zum Beispiel Master in Bibliotheks-, Medien- und Informationsmanagement« (Hannover).[xiv]

 

Am Beispiel einer Ausschreibung der Stadtbibliothek Hannover von 2012 sei im Folgenden zitiert, welche Anforderungen an Bewerber/innen für den höheren Dienst gestellt werden:

  • »mehrjährige Berufs- und Leitungserfahrung in herausgehobener Position, hohes Maß an Kommunikationskompetenz, Durchsetzungsfähigkeit und Entscheidungsfreude
  • Konfliktfähigkeit sowie die Bereitschaft zum Übernehmen von Verantwortung Fähigkeit, ausgewogene Entscheidungen zu treffen
  • Offenheit gegenüber neuen Projekten
  • Fähigkeit, strategisch zu denken, innovative Konzepte zu entwickeln und umzusetzen
  • lösungsorientiertes Arbeiten
  • Flexibilität und hohe Belastbarkeit
  • Kenntnisse und Erfahrungen in öffentlichen Verwaltungen und in der Personal- und Organisationsentwicklung«[xv]

Aus Erfahrung kann gesagt werden: Entscheidend ist, was der Bewerber / die Bewerberin tatsächlich kann und welche Erfahrungen er oder sie mitbringt. Wer eine große Abteilung mit 50 bis 100 oder mehr Mitarbeitern leiten will, sollte die Dimensionen der Aufgabe Personalführung kennen. Hier reichen Erfahrungen in der Leitung kleiner Gemeinde- und Stadtbibliotheken mit wenig Personal oft nicht aus, denn große Organisationen verlangen von einer Führungspersönlichkeit andere Kompetenzen und das Beherrschen einer größeren Methodenvielfalt als kleinere.

 

Dass daneben fachliche Kenntnisse vorhanden sein sollten, versteht sich von selbst. Doch muss eine Abteilungs- oder Bibliotheksleitung in der Regel nicht selbst den Bestandsaufbau oder die Sach- und Formalerschließung übernehmen. Auch die Vorlesestunde fällt nicht in den Aufgabenbereich. Wer all das vermag, hat Vorteile, weil er / sie die Aufgaben seiner Mitarbeiter/innen besser beurteilen kann und Vorstellungen von der Erledigung der Aufgaben hat. Es ist aber nicht nötig, die Systematik oder sonstige Regelwerke im Detail zu kennen.

 

Wer in einem großen dezentralen Bibliothekssystem eine Leitungsstelle übernehmen will, sollte sich darüber hinaus nicht in Fachaufgaben verzetteln, das heißt wissenschaftliche Sachbearbeitung ist hier nicht gefragt. Es geht darum, eine Organisation arbeitsfähig zu halten und voranzubringen, Impulse zu geben, Perspektiven aufzuzeigen, Dinge zusammen zu denken, mit der Presse, der Politik und den Bürger/innen zu reden und zu vermitteln, was Bibliothek heute bedeutet und warum sie gebraucht wird. Nötig sind Durchsetzungsfähigkeit, mündliche und schriftliche Überzeugungskraft, aber auch eine gewisse Frustrationstoleranz sowie die Bereitschaft, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Neben aktuellen Kenntnissen aus dem Bereich der Publikations- und Medienentwicklung sind politisches Interesse, Interesse an gesellschaftlichen Entwicklungen, Rechts- und Wirtschaftsfragen von Vorteil.

 

Ob ein geeigneter Bewerber/eine geeignete Bewerberin einen Weiterbildungs-Master oder ein Bibliotheksreferendariat mitbringt, ist letztlich sekundär. Wichtig ist, dass der Bewerber/die Bewerberin mit seiner/ihrer schriftlichen Bewerbung und im Auswahlverfahren die Auswahlkommission davon überzeugen kann, dass er beziehungsweise sie eine Vorstellung von den Dimensionen der neuen Aufgabe hat, und den Eindruck vermittelt, den ausgeschriebenen Aufgaben gerecht werden zu können.

Fazit

Angesichts der Vielfalt möglicher Ausbildungen und Abschlüsse müssen sowohl Arbeitgeber als auch Bewerber/innen sehr genau überlegen, was sie wollen, und hinschauen, was sich ihnen bietet. Dabei ist für Arbeitgeber wichtig, das ausgeschriebene Stellenprofil möglichst genau zu bestimmen und die Erwartungen und Aufgaben klar zu umreißen. Um potenzielle Bewerber/innen nicht abzuschrecken, darf nicht zu eng formuliert werden, denn schließlich will man unter mehreren Kandidatinnen und Kandidaten auswählen können.

 

Bewerber/innen sollten ihre erworbenen Fähigkeiten, die es bezogen auf die Ausschreibung kurz darzustellen gilt, die eigenen Kompetenzen und vor allem die eigene Erfahrung darstellen und dabei einen Abgleich mit der ausgeschriebenen Stelle vornehmen. Es wäre aber wünschenswert, wenn die Master-Absolvent/innen im Zuge ihrer Ausbildung vertieft Gelegenheit erhielten, das Thema Führung zu reflektieren.

Dr. Carola Schelle-Wolff (aus BuB-Heft 6-2014)

 

 

Dr. Carola Schelle-Wolff ist Direktorin der Stadtbibliothek Hannover und zugleich Leiterin des Fachbereichs Bibliothek, Museen und Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover.

 

 

 


 

 

 

[i] Stand 1. April 2014

 

 

 

[ii] www.hdm-stuttgart.de/studieninteressierte/master/studiengang_steckbrief?sgang... (27.3.2014)

 

 

 

[iii] www.hdm-stuttgart.de/bi/studierende_dozenten/infos_master/bimb (27.3.2014)

 

 

 

[v] www.hu-berlin.de/studium/beruf/wissenschaftliche-weiterbildung/studiengange/master-bibliotheks-und-informationswissenschaft (5.4.2014)

 

 

 

[vi]

malis.fh-koeln.de (27.3.2014)

 

 

 

[ix] www.htwk-leipzig.de/de/studieninteressierte/studienangebot/master/bibliotheks-und-informationswissenschaft/ (5.4.2014)

 

 

 

[xii] www.vdb-online.org/kommissionen/qualifikation/ausbildungsinfo/referendariat.php sowie www.vdb-online.org/kommissionen/qualifikation/ausbildungsinfo/volontariat.php (5.4.2014)

 

 

 

[xiii] vgl. BuB Heft 2/2014, S. 159 und BuB Heft 7-8/2013, S. 559

 

 

 

[xiv] vgl. BuB Heft 11-12/2012, S. 806

 

 

 

[xv] zitiert nach der internen Stellenausschreibung der Landeshauptstadt Hannover 44/2012, die mit der inzwischen gelöschten Internetversion identisch war.

 





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