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Diskussion um Buchpreisbindung: Monopolkommission fordert Abschaffung

Buchpreisbindung, Buchhandlung
Die deutsche Buchpreisbindung garantiert gleiche Preise, unabhängig davon, wo man das Buch kauft. Vor allem kleinere Buchhandlungen profitieren davon. Der abgebildeten Buchhandlung dürfte das trotzdem egal sein: Das Symbolfoto zeigt einen Buchladen in Madrid. FDV, Libreria San Gines, CC BY 3.0

Die Monopolkommission hat der Bundesregierung ein Sondergutachten mit dem Titel »Die Buchpreisbindung in einem sich ändernden Marktumfeld« vorgelegt. Wie die Kommission mitteilt ist das Gutachten aus eigenem Ermessen erstellt worden. Anlass sei ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2016 gewesen. Der EuGH stellte in diesem die Unvereinbarkeit der deutschen Arzneimittelpreisbindung mit der europäischen Warenverkehrsfreiheit fest.

Aus rechtlicher Sicht sei der Schutz des Kulturguts Buch zwar ein grundsätzlich anzuerkennendes kulturpolitisches Ziel, heißt es seitens der Monopolkommission. Dieses kulturpolitische Interesse sei jedoch gegen das Interesse am unverfälschten Wettbewerb abzuwägen. Der Schutz des Wettbewerbs erfolge innerhalb des Binnenmarktes durch das EU-Recht. Die nationalen Vorschriften über die Buchpreisbindung würden nach Ansicht der Monopolkommission erheblich in die Grundfreiheiten grenzüberschreitend tätiger Marktteilnehmer eingreifen. Sie stellten zudem einen schwerwiegenden Markteingriff dar. Nach EU-Recht wären somit objektive Belege dafür erforderlich, dass die Buchpreisbindung einen kulturpolitischen Mehrwert generiert, der diesen Markteingriff rechtfertigt.

Anhand der verfügbaren Informationen sei fraglich, ob sich solche Belege beibringen lassen würden. Soweit der grenzüberschreitende Buchhandel betroffen ist, sei nicht auszuschließen und im Hinblick auf E-Books sogar wahrscheinlich, dass der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren die Buchpreisbindung für mit der europäischen Warenverkehrsfreiheit unvereinbar erklären werde. Im Falle einer solchen Entscheidung könnten sich grenzüberschreitend tätige Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem – weiter preisgebundenen – inländischen stationären Buchhandel verschaffen. Diese könnten gedruckte Bücher oder E-Books mit Preisnachlässen an deutsche Kunden versenden. Die Rechtsprechung des EuGH zur Arzneimittelpreisbindung habe gezeigt, dass eine solche Möglichkeit wahrscheinlich über kurz oder lang genutzt würde, argumentiert die Monopolkommission.

Buchpreisbindung ökonomisch schwer zu bewerten

Aus ökonomischer Sicht lasse sich die Buchpreisbindung nicht abschließend beurteilen. So bremse die Buchpreisbindung zwar einerseits die Entstehung großer Buchhandelsketten und verlangsame damit den Strukturwandel im stationären Buchhandel. Gleichzeitig behindere sie jedoch die Ausbreitung effizienter Handelsstrukturen und die Verbreitung von Büchern durch eine Erschließung neuer Kundengruppen. Sie verhindere, dass Kostenvorteile in Form niedrigerer Endkundenpreise weitergereicht werden können und stelle eine Markteintrittsbarriere dar. Unklar bleibe nach Ansicht der Monopolkommission weiterhin der Zusammenhang zwischen Buchpreisbindung, Preisniveau, Titelvielfalt und Ertragslage der Verlage.

Auch wenn die Buchpreisbindung den Strukturwandel im Buchhandel bremse, könne sie ihn doch nicht unterbinden. Das zeige sich insbesondere im stationären Buchhandel, der trotz Buchpreisbindung kontinuierlich Marktanteile zugunsten des Onlinebuchhandels einbüßt. Damit einhergehend stelle sich zunehmend die Frage, ob die herkömmliche Infrastruktur für den Buchvertrieb noch die ihr zugesprochene Rolle spielt. Aufgrund der Digitalisierung und der wachsenden Internetaffinität der Konsumenten nehme die Bedeutung des traditionellen Buchhandels und der von ihm erbrachten buchhändlerischen Leistungen tendenziell ab.

Aus der Sicht der Monopolkommission handelt es sich bei der Buchpreisbindung um einen schwerwiegenden Markteingriff, dem ein nicht klar definiertes kulturelles Schutzziel »Kulturgut Buch« gegenüberstehe, dessen Auswirkungen unklar sind und der der Marktentwicklung nicht in angemessener Weise Rechnung trägt. »Aus diesen Gründen spricht sich die Monopolkommission für eine Abschaffung der Buchpreisbindung aus«, sagt Achim Wambach, Vorsitzender der Kommission. »Vor jeder Erwägung weiterer Maßnahmen etwa zum Schutz des Kulturgut Buch muss erstens das Schutzziel definiert werden. Zweitens muss geprüft werden, ob und inwiefern Schutzdefizite bestehen. Erst auf dieser Basis kann drittens entschieden werden, mit welchen Instrumenten die Schutzdefizite behoben werden können.«

Kulturstaatsministerin Grütters: »Die Empfehlung der Monopolkommission macht mich fassungslos.«

Heftige Kritik an dem Gutachten der Monopolkommission übt die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters: »Die Empfehlung der Monopolkommission macht mich fassungslos, schleift sie doch eines unserer wertvollsten Kulturgüter, nämlich die literarische Vielfalt. Die Stellungnahme der Monopolkommission unterhöhlt die jahrelangen Bemühungen der Bundesregierung, das Angebot und die Breite des Kulturgutes Buch in Deutschland zu fördern und den unabhängigen Buchhandel und die Verlage als Garanten in ihrer Vielfalt zu schützen. Die deutsche Literaturlandschaft ist ein Grundpfeiler unserer Kulturnation. Dabei kommt der Buchpreisbindung eine geradezu entscheidende Rolle zu: In Deutschland gibt es mehr als 20.000 Verlage, und auf rund tausend Einwohner kommt eine Erstveröffentlichung eines Verlages. Diese Zahlen sprechen für sich«, sagt Grütters.

Und weiter: »Die Kommission degradiert mit ihrer Betonung des wirtschaftlichen Aspekts den Wert und die gesellschaftliche Funktion des Kulturguts Buch zur bloßen Handelsware. Bücher haben nicht nur einen Preis, sie haben vor allem einen immateriellen Wert. Die literarische Welt in Deutschland ist in ihrer Vielfalt an Autoren, Verlagen und Buchhandlungen fast einzigartig und deshalb nachhaltig zu schützen! Der Bestand dieser kulturellen Errungenschaft, die prägend für Deutschland als Kulturnation ist, kann nicht allein den Mechanismen des freien Marktes überlassen werden. Gerade angesichts der Marktmacht einiger weniger global agierender Internetkonzerne ist die Buchpreisbindung als zentrales Instrument der Vielfaltssicherung für die deutsche Buch- und Verlagslandschaft unverzichtbar. Deshalb setze ich mich weiterhin mit aller Kraft für den Erhalt der Buchpreisbindung ein.«

Anlässlich der Veröffentlichung des Gutachtens der deutschen Monopolkommission bekräftigt auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Bedeutung der Buchpreisbindung für das Kulturgut Buch. »Der deutsche Buchmarkt, der zweitgrößte weltweit, ist ein Vorbild für Qualität und Vielfalt. Genau das ist auch das Verdienst der Buchpreisbindung. Denn sie fördert nicht nur ein filigranes Netz an Buchhandlungen, die das Kulturgut Buch für eine breite Öffentlichkeit zugänglich machen und gleichzeitig wichtige Kulturstationen vor Ort sind. Die Preisbindung garantiert auch ein breites und vielfältiges Buchangebot. Insgesamt bewahrt und fördert die Buchpreisbindung das Kulturgut Buch, ohne den Wettbewerb unangemessen zu beschränken, weder für inländische noch für ausländische Händler. Dies haben wir gegenüber der Monopolkommission bereits ausführlich dargelegt«, sagt Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins.

»Das Gutachten der Monopolkommission beruht auf einer sehr dürftigen Datenlage. Es wertet wissenschaftliche Studien aus, die zum Großteil veraltet sind, und verzichtet gänzlich auf eigene Erhebungen aktueller Marktdaten. Letztlich wiederholt die Monopolkommission bekannte neoliberale Positionen aus dem Gutachten, welches sie schon im Jahr 2000 zur Buchpreisbindung erstellt hat. Wenig überzeugend ist die Deutung der Auswirkungen der Abschaffung der Buchpreisbindung in der Schweiz. Hier übersieht die Kommission, dass die relativ stabile Lage deutschschweizerischer Verlage darauf zurückzuführen ist, dass diese über 80 Prozent ihrer Umsätze im Preisbindungsland Deutschland erwirtschaften. Hingegen ist die Zahl der Buchhandlungen in der deutschsprachigen Schweiz nach der Abschaffung der Buchpreisbindung massiv zurückgegangen«, so Skipis weiter.

Buchpreisbindung im Koalitionsvertrag

Entgegen der Auffassung der Monopolkommission sieht der Börsenverein keine Übertragbarkeit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016 zur Arzneimittel-Preisbindung auf den Buchmarkt. Skipis sagte dazu: »Der Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist nicht mit dem von Büchern vergleichbar. Die Märkte funktionieren vollkommen unterschiedlich. Die von den Richtern in Bezug auf den Arzneimittelbereich vertretene Auffassung, ausländische Versandhändler hätten Wettbewerbsnachteile gegenüber Händlern in Deutschland, trifft beim Handel mit Büchern nicht zu.«

Das deutsche Preisbindungssystem habe großen Rückhalt in der Politik: »Die kulturpolitische Bedeutung der Preisbindung ist Konsens in der Politik. Das hat der Gesetzgeber nicht nur mit der ausdrücklichen Ausweitung der Preisbindung auf E-Books 2016 gezeigt. Auch in ihrem Koalitionsvertrag spricht die Bundesregierung der Preisbindung eine unverzichtbare Rolle für die Vielfalt des deutschen Buchmarktes zu. Sie will eine Anpassung des Gesetzes vorantreiben, welche eine Aushebelung der Preisbindung durch Provisionsmodelle unterbinden soll«, sagt Skipis.

Die Monopolkommission ist ein unabhängiges fünfköpfiges Beratungsgremium, das die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften auf den Gebieten der Wettbewerbspolitik, des Wettbewerbsrechts und der Regulierung berät. Die Stellungnahmen der Monopolkommission haben empfehlenden Charakter. Die Regierungsfraktionen haben im Koalitionsvertrag eine weitere Stärkung des Buchpreisbindungsgesetzes vereinbart.

Wissenschaftliche Gutachten in Arbeit

Um die Notwendigkeit der Buchpreisbindung untersuchen zu lassen, hat der Börsenverein Anfang des Jahres zwei wissenschaftliche Gutachten in Auftrag gegeben. Georg Götz, Ordinarius für Volkswirtschaftslehre an der Justus-Liebig-Universität Gießen, prüft die Preisbindung unter ökonomischen Gesichtspunkten. Andreas Fuchs, geschäftsführender Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Osnabrück, führt eine kartellrechtliche Betrachtung durch. Die Ergebnisse der Gutachten werden 2019 erwartet.

Die Buchpreisbindung in Deutschland existiert bereits seit dem 19. Jahrhundert und ist seit 2002 gesetzlich geregelt. Sie verpflichtet Verlage dazu, für ihre Neuerscheinungen verbindliche Ladenpreise festzusetzen. Dadurch zahlt der Kunde für ein Buch überall denselben Preis – ganz gleich, ob er es in einer kleinen Sortimentsbuchhandlung, einem Buchkaufhaus oder über das Internet kauft. Für unterschiedliche Formate (Hardcover, Taschenbuch, E-Book) können unterschiedliche gebundene Preise festgelegt werden.

red / 30.5.2018





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