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»Wir müssen das Thema evangelisieren«

ZBW-Direktor Klaus Tochtermann im BuB-Interview über die Bedeutung von Science 2.0 für wissenschaftliche Bibliotheken.
Klaus Tochtermann, Direktor der ZBW in Kiel.
Klaus Tochtermann wünscht sich mehr Interaktion bei den Bibliothekskongressen und Bibliothekartagen: »Kurze Impulsstatements und stärkere Diskussionselemente wären besser.« Foto: Sven Wied / ZBW

 

Der Überbegriff Science 2.0 greift ein Phänomen auf, das schon seit geraumer Zeit existiert, dessen Wirkungsmechanismen bislang aber nicht erforscht sind: Die Entwicklung der Wissenschaft hin zu einer völlig veränderten und primär digitalen Partizipation, Kommunikation, Kollaboration und Diskussion in Forschungs- und Publikationsprozessen. Wissenschaftler nutzen zunehmend Wikis, Blogs und andere kooperative Kommunikationskanäle, wie soziale Netzwerke, um Ideen, Theorien und Konzepte bis hin zu Erkenntnissen online zu teilen. Der Direktor der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW) in Kiel, Professor Klaus Tochtermann, ist Vorreiter in Sachen Science 2.0 und erklärt im Interview mit BuB-Redakteur Bernd Schleh, wieso das Thema für wissenschaftliche Bibliotheken von zentraler Bedeutung ist.

 

BuB: Herr Professor Tochtermann, was ist das Neue, Revolutionäre an Science 2.0?

Professor Klaus Tochtermann: Das Besondere ist, dass man sich erstmalig mit der Frage beschäftigt, wie dieses neue Web, also das durch soziale Medien geprägte Mitmach-Web, die wissenschaftlichen Forschungs- und Publikationsprozesse verändert. Die ganzen Werkzeuge, die es im Social Web gibt, etwa Twitter, Facebook, Wikis und Blogs, sind ursprünglich alle nicht dafür entwickelt worden, Forschung zu betreiben, sondern um Inhalte zu kommunizieren und sich zu vernetzen. Inzwischen werden diese Werkzeuge aber auch für die Forschung eingesetzt, insbesondere durch wissenschaftliche Wikis und Blogs. Nun stellt sich die Frage, ob das soziale Web eigentlich das bereitstellt, was wir technologisch für die Forschungs- und Publikationsprozesse brauchen. Wenn nicht, was benötigen wir dann? Ein zweiter Bereich sind die sich verändernden Arbeitsgewohnheiten der Forschenden. Wir haben zum Beispiel völlig neuartige Rückkoppelungskanäle zwischen wissenschaftlichen Autoren und Lesern. Forschende können im Wiki oder Blog ihre wissenschaftlichen Gedanken und Ergebnisse kommunizieren und die Leser sofort darauf antworten.

 

Wieso ist das Thema für Bibliotheken so wichtig?

Das Thema ist in der Tat sehr wichtig. Im Grunde greifen wir hier eine Bewegung auf, die bereits angelaufen ist. Die Forschenden nutzen zwar die Werkzeuge, aber es gibt in dieser Umgebung bisher niemand, der die damit verbundenen Fragestellungen systematisch angeht und aufarbeitet. Es findet eine gravierende Verschiebung der wissenschaftlichen Informationen von den Druckmedien zu den digitalen Medien statt – und das auch noch in neuen Publikationsformen, also nicht mehr in Form von PDF-Dateien, sondern in Wikis und Blogs, die wiederum über Facebook und Google+ verteilt werden. Das erweitert die bestehenden Mechanismen für die Informationsversorgung enorm. Es ist Aufgabe der Bibliotheken, diese Mechanismen zu kennen, zu verstehen und auch weiterzuentwickeln.

 

Wird das Thema Science 2.0 von den Bibliothekaren ausreichend wahrgenommen?

Nein, ich glaube nicht. Irgendwie haben alle das Gefühl, soziale Medien sind sehr bedeutsam. Wenn man auf Bibliothekartagen oder bei Tagungen ist, spielt das Thema immer wieder eine Rolle, aber es ist bei Weitem nicht so gut akzeptiert, wie beispielsweise Open Access. Open Access hat inzwischen einen ganz anderen Stellenwert, viele Bibliotheken kümmern sich darum, haben fachliche oder institutionelle Repositorien. Bei Science 2.0 dagegen ist man momentan bestimmt noch fünf Jahre hintendran.

 

Gilt das für alle Hierarchieebenen in der Bibliothek, auch für den Direktorenbereich?

Im Direktorenbereich ist vor allem durch den Leibniz-Forschungsverbund Science 2.0 eine gewisse Sichtbarkeit generiert worden. Die Herausforderung sehe ich jetzt eher darin, die Relevanz des Themas im klassischen Bibliotheksbereich darzustellen. Ein Beispiel: Wir müssen uns Gedanken machen, wie man diese neuen Publikationsformen, also Wikis und Blogs, katalogisieren kann und ob das überhaupt Sinn macht. Die Flüchtigkeit ist ja ganz anders als bei gedruckten Medien.

 

Was droht Bibliotheken, die diese Entwicklung verschlafen?

Wissenschaftliche Bibliotheken werden immer als Herzstück ihres Tuns die Dokumente haben. Der Erfolg hängt davon ab, wie gut die Bibliotheken in der Lage sind, diese wissenschaftliche Literatur an die Kunden heranzutragen. Momentan ist ein Paradigmenwechsel zu beobachten: In der Vergangenheit wurde viel Wert auf tolle Lesesäle und virtuelle Fachbibliotheken mit schönen Portalen gelegt, durch die die Kunden in die Bibliothek kamen. Das wird abnehmen. Bibliotheken müssen künftig moderne Dienste anbieten, mit denen sie ihre Inhalte aktiv nach außen pushen. Die Kollegen, die das nicht machen, werden auf ihrem Content sitzen bleiben.

 

Warum reicht es für Bibliotheken nicht aus, diesen Umbruch passiv zu begleiten?

Im Grunde geht es darum, dass man für seine spezielle Kundschaft und Zielgruppe Dienste vorhalten muss, die von diesen benötigt werden. Wir haben eine Nutzerumfrage unter den Studierenden der Wirtschaftswissenschaften gemacht, um zu sehen, was sie in den sozialen Medien so treiben. Es stellte sich heraus, dass die Hälfte der Studierenden soziale Medien für die Suche nach Informationen zu Hausarbeiten nutzt, und zwar speziell in Fachwikis. Das heißt, als Bibliotheken müssen wir schauen, ob wir die in den Wirtschaftswissenschaften relevanten Wikis bei uns nachgewiesen haben beziehungsweise wie wir die Studierenden zu diesen Wikis führen können, wenn wir diese aus den bereits genannten Gründen nicht bei uns katalogisieren. Wenn wir das nicht für unsere Zielgruppe tun, wird die sich ihre Information anderweitig besorgen.

 

Welche Kompetenzen brauchen Bibliothekare, um auf diesem Gebiet mithalten zu können?

Es sind drei Kompetenzbereiche angesprochen. Wir brauchen Methoden-Know-how um zu erheben, wie die neuen Arbeitsgewohnheiten der Forschenden ausgestaltet sind. Wir brauchen außerdem Technologiekompetenz, um entsprechende Services anbieten zu können und um die Arbeitsgewohnheiten der Forschenden unterstützen zu können. Der dritte Bereich ist die Nutzerforschung. Hier müssen wir schauen, ob die Dienste, die wir anbieten, auch tatsächlich für das genutzt werden, für das sie ursprünglich entwickelt wurden. Es ist sehr anspruchsvoll für Bibliotheken, alle drei Aspekte bei sich zu vereinen. Ich glaube aber nicht, dass das sein muss; dafür ist ja auch der Forschungsverbund da, in dem die vielen Kompetenzbereiche von entsprechenden Gruppen abgedeckt werden.

 

Werden diese Kompetenzen im Studium vermittelt?

Nein, das ist ja das Problem. In den Studiengängen ist genau dieser Bereich noch nicht in ausreichendem Maße abgedeckt.

 

Was raten Sie?

Das sollte rasch verändert werden. Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Mitarbeiter unseres Hauses werden zum Beispiel immer wieder von Hochschulen in Hamburg angefragt, um dort Vorlesungen zu halten, zum Beispiel im Technologiebereich. Ich selbst mache das an der Universität Kiel. Das muss auf jeden Fall stärker in die Studiengänge integriert werden.

 

Wünschen Sie sich mehr Aufgeschlossenheit des Berufsstandes für diese informationstechnischen Herausforderungen, bei denen Science 2.0 ja nur ein Aspekt ist?

Ich glaube, dass es hier in den nächsten zehn Jahren einen Umbruch auf der Managementebene geben wird. Es werden sicher in zunehmendem Maße auf den Direktoren- und Direktorinnenstellen Personen eingestellt, die informationswissenschaftliche Kompetenz oder Informatikkompetenz haben und nicht unbedingt nur aus dem traditionellen Bibliotheksbereich kommen.

 

Ist Ihr Blickwinkel als Informatiker manchmal auch ein Hindernis im Diskurs mit bibliothekarischen Fachkollegen?

Wir Informatiker müssen aufpassen, dass wir nicht zu technologisch werden, in dem was wir tun; wir können alles Mögliche technologisch entwickeln, und manchmal verlieren wir aus den Augen, wer das überhaupt braucht. Da ist es immer wieder gut, die BibliothekskollegInnen zu haben, die einen auf den richtigen Weg zurückführen.

 

Das sind also zwei ganz unterschiedliche Sichtweisen?

Ja, man muss hier Kompromisse finden. Wir haben das bei uns im Direktorium der ZBW so geregelt, dass ich als Direktor Informatiker bin und der stellvertretende Direktor aus dem traditionellen Bibliotheksbereich kommt. Wir brauchen beide Kompetenzen, und das kann nicht eine Person gleichermaßen abdecken.

 

Die technologische Entwicklung auf diesem Gebiet ist rasant. Wie können Bibliothekare hier am Ball bleiben?

Die große Tendenz innerhalb der Leibnizgemeinschaft ist nach den entsprechenden Evaluierungen, dass wir die informationstechnologische oder informationswissenschaftliche Kompetenz auf Leitungsebene installieren und Professuren in den entsprechenden Bereichen einrichten sollten. Die Beschäftigten in den Bibliotheken werden sich darüber hinaus ständig weiterbilden müssen, hier muss in der Personalentwicklung noch einiges geschehen.

 

Werden traditionelle bibliothekarische Kompetenzen wie Erschließung und Katalogisierung  immer unwichtiger?

Unwichtiger nicht, weil wir das gedruckte Werk immer noch haben und haben müssen. Die hohe Qualität unserer Metadaten, die wir erheben, eröffnet uns viele Möglichkeiten – etwa im ganzen bibliometrischen Bereich. Die Bibliotheken müssen den Spagat hinkriegen: Auf der einen Seite brauchen wir hochqualitative Metadaten, auf der anderen Seite müssen wir bei begrenzten Ressourcen das informationstechnologische Know-how aufbauen.

 

Müssen Bibliothekare dazu stärker auf die Wissenschaftler zu- und auf deren Interessen eingehen?

Die beiden Gruppen müssen auf jeden Fall mehr aufeinander zu gehen. Die Frage ist, wer den ersten Schritt macht. Ich glaube, gerade die großen Bibliotheken in Deutschland sind aufgeschlossen gegenüber den neuen Technologiebereichen. Man sieht das ja auch an dem Forschungsverbund, in dem sich Bibliotheken gezielt zusammentun. Auf der anderen Seite gibt es andere Verbünde, auch im Bereich E-Science, in denen die Bibliotheken gar nicht vorkommen, die vielmehr von Forschenden gegründet wurden. Hier müssen wir noch viel stärker kooperieren.

 

Wer bremst mehr: Bibliothekare oder Wissenschaftler?

Das ist schwer zu sagen. Bibliotheken haben in der Forschung eher das Image der Informationsversorger und kein Image als Forschungs- und Entwicklungspartner auf Augenhöhe. Deshalb sind Bibliothekare bei den Forschenden nicht unbedingt auf dem Radarschirm. Da schaut man eher zu namhaften Medienunternehmen, wenn man beispielsweise digitale Dokumente braucht – und nicht zu einer Bibliothek. Das macht den Austausch schwer und muss sich ändern.

 

Die Bibliotheken müssen hier erst mal Terrain gewinnen?

Genau. Wir müssen zeigen, dass wir bereit sind, in diese Themen reinzugehen. Wir haben als Bibliotheken einiges im Köcher, was wir den Forschenden anbieten können. Wir haben einmal die Dokumente, wir haben Metadaten und ganz wichtig, wir haben eine Kundengruppe hintendran, mit der man das, was erforscht wurde auch evaluieren kann. Man kann die Kunden fragen, ob das sinnvoll ist, was vorliegt oder ob sie für ihre Arbeit etwas ganz anderes brauchen. Diese Möglichkeit haben die Forscher selbst nicht, sie haben nur die Methodik oder Technologie. In diesem Bereich können die Bibliotheken ein sehr wertvoller Anwendungspartner werden. Die Pluspunkte müssen wir aber noch deutlich besser vermarkten.

 

Was halten Sie davon, dass der Berufsverband Information Bibliothek (BIB) dieses Thema im Rahmen seines Jahresthemas aufgreift und beim Kongress in Leipzig breit kommuniziert?

Das ist großartig. Wir müssen das Thema evangelisieren – und auch viel dazu erklären. Die Leute verstehen nicht immer genau, was sich eigentlich dahinter verbirgt. Das kann man angesichts der rasanten Entwicklung auch niemandem zum Vorwurf machen. Je mehr Einrichtungen und Organisationen es gibt, die dieses Thema pushen, umso größer wird die Wahrnehmung.

 

Noch mal zurück zu den praktischen Aspekten von Science 2.0. Ihr Credo lautet: Der Inhalt soll zum Kunden, nicht der Kunde zum Inhalt. Wie können Wissenschaftler mit passender Forschungsliteratur dort versorgt werden, wo sie gerade online aktiv sind?

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ein Forschender schreibt seine wissenschaftlichen Ergebnisse in einen Blog. Mithilfe von Informatikmethoden kann nun herausgefunden werden, welches Thema der Forschende genau behandelt, das heißt aus dem Text werden die wichtigsten Keywords extrahiert. Mit diesen Keywords setzt der Computer eine Anfrage in einer virtuellen Fachbibliothek ab. Die Suchergebnisse werden direkt in den Blog hineingegeben, sodass der Forschende kontextbezogen zu dem Beitrag, den er geschrieben hat, Hintergrundliteratur angeboten bekommt. Er kann nun entscheiden, ob er die Literatur verwerten und sie beispielsweise in sein Verzeichnis aufnehmen möchte. Das alles passiert weitestgehend automatisiert. Mit einem Wiki geht das selbstverständlich auch. Auf diese Weise erreichen wir die Menschen mit unseren Informationen dort, wo sie gerade arbeiten. Unter anderem um dieses Szenario Realität werden zu lassen hat die Europäische Union ein Forschungsprojekt vergeben, an dem wir mit weiteren internationalen Partnern beteiligt sind.

 

Das von Ihnen angesprochene EU-Großprojekt EEXCESS dient der Neustrukturierung der wissenschaftlichen Informationsvermittlung und wurde im Februar gestartet. Sind andere Länder auf diesem Gebiet schon weiter?

Nein, wir hinken da nicht hinterher. Das ist jetzt auch eine Chance für deutsche Einrichtungen, sich auf diesem Feld zu positionieren.

 

Welche neuen Wege gehen Sie in der ZBW bei der Wissenserschließung  und welche Rolle spielt hierbei das Semantische Web?

Semantische Technologien spielen eine große Rolle. In der ZBW haben wir zwei zentrale Technologiebereiche. Das sind neben dem bereits besprochenen Social Web eben die semantischen Technologien – und bei den semantischen Technologien insbesondere die sogenannte Linked Open Data Cloud. Wir stellen die Informationen über unseren Content in diese Linked Open Data Cloud und machen sie damit für jedermann verfügbar. Das Ziel ist, möglichst hohe Nutzungszahlen für unseren Content zu generieren.

 

Welche Rolle können Bibliotheken bei der Nachnutzung von Forschungsdaten spielen?

In den unterschiedlichen Forschungsdisziplinen gibt es ganz unterschiedliche Reifegrade für den Umgang mit Forschungsdaten. In den Wirtschaftswissenschaften beispielsweise ist das nicht sehr ausgeprägt, da muss man erst mal Anreizstrukturen schaffen und darüber informieren, warum die Forschenden überhaupt ihre Daten teilen sollen. Bibliotheken können hier folgende Aufgaben übernehmen: Zum einen schauen, welche Forschungsdaten-Policys die relevanten Zeitschriften einer Wissenschaftsdisziplin haben. Darüber hinaus können sie ein Anreizsystem schaffen, damit Forschende bereit sind, ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Der dritte große Bereich ist das Thema Lizenzrecht. In der Linked Open Data Cloud haben nur 20 Prozent der Daten eine Lizenz. Das Thema Lizenz ist nicht im Fokus der Forschenden, hier können die Bibliotheken ein wichtiger Ansprechpartner sein.

 

Gibt es praktische Erfahrungen, zum Beispiel bei der Verlinkung von Forschungsdaten?

Nein, leider nicht. Die ganze Linked Open Data-Struktur ist hochgradig fragil. Die Datenwolke gehört niemandem, und es gibt keine Governance-Struktur. Wenn ich heute einen Datensatz ablege, kann es sein, dass er morgen schon wieder weg ist. Die stabile Verlinkung ist noch völlig offen.

 

Was versteht man unter »citizen science«?

Der Begriff kommt ursprünglich von »citizen journalists«: Neuigkeiten, die in der Welt passieren, werden von privaten Personen ins Web gestellt. Ganze Online-Zeitungen sind auf diese Weise entstanden, die nur von citizen journalists erstellt werden. Bei citizen science wird das Konzept auf die Wissenschaft übertragen. Das heißt, Teilnehmer der Web-Community kümmern sich aus Interesse und Leidenschaft um wissenschaftliche Fragestellungen, ohne notwendigerweise ausgebildete Wissenschaftler zu sein.

 

Was haben Bibliotheken damit zu tun?

Für uns Bibliothekare ist das eine wichtige Zielgruppe. Die Leibniz-Gemeinschaft hat in jüngster Zeit ihre Kommunikation hin zur Öffentlichkeit auf ein neues, modernes und im Social Web verankertes Fundament gestellt. Auch die Fraunhofer-Gesellschaft hat beispielsweise den Fraunhofer-Blog ins Leben gerufen, mit dem die wissenschaftlichen Ergebnisse aus den Instituten so aufbereitet werden, dass sie die breite Öffentlichkeit versteht. Die interessierten citizen scientists können in diesen Blog hineinkommentieren, Verweise auf andere Quellen machen und somit aktiv am Forschungsprozess teilnehmen. Die Bibliotheken haben hier eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Öffentlichkeit frühzeitig einzubinden, in das, was in der Forschung geschieht. Dafür müssen sie die technologische Umgebung anbieten.

 

Können Sie zum Abschluss noch eine Einschätzung abgeben, welche Themen Bibliotheken und Bibliothekare in nächster Zeit besonders bewegen werden?

Die große Frage ist immer wieder, wie können wir uns einen Markt erschaffen und erhalten, der sich von den Angeboten abgrenzt, die im Internet frei verfügbar sind – also eine Abgrenzung zu so etwas wie Mendeley, Google Scholar oder Google überhaupt. Gibt es eine Chance, uns gegenüber diesen dominanten Playern so zu positionieren, dass eine Nische bleibt, für die Zielgruppe und Kundschaft groß genug ist, dass es Wert ist, diese Nische weiter zu erhalten und zu betreuen?

 

Ist der Bibliothekskongress beziehungsweise Bibliothekartag ein geeignetes Veranstaltungsformat, um Bibliothekare auf diese kommenden Entwicklungen vorzubereiten?

Aus meiner Sicht wäre es besser, wenn es bei den Veranstaltungen mehr interaktive Elemente gäbe. So wie ich den Bibliothekartag bisher kenne, ist er sehr stark auf Frontalpräsentation ausgerichtet. Kurze Impulsstatements und stärkere Diskussionselemente wären besser. Typischerweise läuft es ja so ab: Es gibt einen Vortrag von 20 Minuten, der tatsächlich 25 Minuten dauert, und anschließen traut sich keiner etwas zu fragen. Mir würde eine stärkere Interaktion gut gefallen. Wir machen das zum Beispiel bei dem Kick-Off-Workshop unseres Science 2.0-Forschunsverbundes in der Form, dass wir einen Diskussionsmarktplatz eröffnen, auf dem jeder mit maximal fünf Folien sein Statement präsentiert, danach kann man herumgehen und direkt mit den Kolleginnen und Kollegen diskutieren.

 

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